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Wieder zusammen. Christian und Bettina Wulff, hier beim Ball des Sports am Samstag, stoppten ihre Scheidung.
© Boris Roessler/dpa

Bundespräsidenten nach der Amtszeit: Ruhestand für Deutschland

Auch Bundespräsident a.D. ist ein Beruf. Wenn Joachim Gauck Mitte März aus dem Amt scheidet, gibt es drei Ex-Staatsoberhäupter. Was macht eigentlich sein Vorgänger Christian Wulff?

Ein Abend in Berlin: Eine kleine Runde vor weißen Stehtischchen, eingeladen hat die Katholische Friedensstiftung. Redner ist Christian Wulff, Altbundespräsident – ein Wort, das zu dem heute 57-Jährigen auch Jahre nach dem spektakulären Rücktritt immer noch nicht so recht zu passen scheint. Die US-Wahl liegt 14 Tage zurück, Wulff spricht über Demokratie. Die, sagt er, sei weltweit immer stärker bedroht, „auch von innen“. Aber der Katholik Wulff nennt nicht den US-Präsidenten Donald Trump, sondern zitiert den Apostel Paulus: „Ihr seid zur Freiheit berufen. Aber dient einander in Liebe, lasst die Freiheit nicht zur Selbstsucht werden.“

Fast genau fünf Jahre ist es jetzt her, dass Christian Wulff mit gepresster Stimme seinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten erklärte. Gestolpert über eine erboste Nachricht auf dem Anrufbeantworter des inzwischen auch in den Vorruhestand gewechselten Bild-Chefredakteurs Kai Diekmann, den privaten Hauskredit bei einem befreundeten Unternehmerpaar und irgendwann einem Bobby-Car, den ein Berliner Autohändler Wulffs kleinem Sohn spendiert hatte. Eine Zeitlang konnte praktisch alles gegen den ersten Mann im Staate verwendet werden.

Kirchliche Trauung nachgeholt

Die erste Zeit nach dem Auszug aus Schloss Bellevue widmete der studierte Jurist seiner Rehabilitierung vom Vorwurf der Käuflichkeit. Das lenkte noch etwas Scheinwerferlicht auf Wulff, ebenso wie die ziemlich öffentliche Trennung von seiner Ehefrau Bettina. Das Scheidungsverfahren war schon eingeleitet, doch man versöhnte sich. Vor zwei Jahren holte das Paar stattdessen die kirchliche Trauung nach. Die Wulffs sind wieder gemeinsam zu sehen, beim Basketballspiel in München ebenso wie zur Eröffnung der Elbphilharmonie kürzlich in Hamburg.

Von „Glaube, Hoffnung, Liebe statt Defätismus und Hass“ spricht Wulff in Berlin, frei aus Paulus’ erstem Brief an die Korinther zitierend. Aber er meint die Gefahren, die dies- und jenseits des Atlantiks den Demokratien drohen, die man für gefestigt hielt: „Amerika wieder starkmachen, was geht uns die Welt an, erst mal an uns selbst denken“, das seien keine Lösungen. Alles, sagt Wulff, sei „mit Behutsamkeit und Zuhören lösbar“.

Mehr als 20.000 Euro Ehrensold

Dafür hat er inzwischen Zeit und Freiheit. Zudem heißt Bundespräsident gewesen zu sein, es auch a.D. irgendwie weiter zu sein. Das Prestige eines deutschen Staatsoberhaupts wirkt fort. Auch Wulff setzt es ein – wobei er wie jeder Ex-Bewohner des Berliner Schloss Bellevue oder der Bonner Villa Hammerschmidt, dem früheren Amtssitz, vom Staat großzügig unterstützt wird. Den einstigen Präsidenten wird ihr Gehalt, aktuell 20.771,13 Euro brutto, als sogenannter Ehrensold weitergezahlt, sie verfügen über Dienstwagen, Fahrer, ein Büro mit Sekretariat, Büroleitung und zwei weiteren Stellen des höheren Beamtendienstes (Wulff beschäftigt lediglich Büroleiter und Sekretärin). Das alles, weil angenommen wird, dass die außer Dienst gestellten Präsidenten mit Wünschen aus Kultur und Gesellschaft konfrontiert sind, Events zu zieren oder anderweitig sinnstiftend tätig zu werden. Joachim Gauck wird die Zahl der ehemaligen Ersten Männer des Staates von Mitte März an vergrößern.

Der Terminkalender seines Vorgängers Wulff ist heute weniger dicht als früher, und die Anwaltstätigkeit für die Kanzlei in Hamburg ist darin auch noch unterzubringen. Ziemlich präsidial sieht er tatsächlich weiter aus: Der Ex-Präsident durfte Deutschland vertreten, als Argentiniens Präsident ins Amt eingeführt und Saudi-Arabiens König beerdigt wurde. Ein paar Tage nach dem Berliner Termin reist Wulff als deutscher Vertreter zu einer Investitionskonferenz in Tunesien, dem Mutterland des Arabischen Frühlings. In der vergangenen Woche hat der frühere Bundespräsident Deutschland repräsentiert, als die „Deutsche Kultursaison“ im Golfstaat Katar eröffnet wurde. Wulff sprach zum 25. Geburtstag der Prager Dependance der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, nächste Woche ist er in deren Büro in Brüssel zu Gast. Aber er schaut auch bei der anderen politischen Familie vorbei: In drei Wochen ist er in Magdeburg Gast in der Diskussionsrunde des SPD-Innenpolitikers Burkhard Lischka, am Tag darauf spricht er auf einem DGB-Forum in Würzburg.

„Der Islam gehört auch zu Deutschland“

Zwischen Globalem und Lokalen ist Wulffs Agenda gut abgemischt, von der Jahrestagung des Club of Rome mit ihm als Dinner-Redner bis zum Neujahrsempfang des Bundesverbands für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft im heimischen Burgwedel. Ein Auftritt gegen gutes Honorar beim Neujahrsempfang der Sparkasse Leverkusen machte 2015 noch einmal kurz Schlagzeilen.

Es ist kein Zufall, dass Wulff oft Gast in muslimisch geprägten Ländern ist. „Der Islam gehört auch zu Deutschland“ – der Satz, der ihm in Pegida-Deutschland und dessen besserbürgerlichen Rändern besonders viel Hass eintrug, hat ihm anderswo Türen und Herzen geöffnet. Auch wer mit türkeistämmigen Deutschen spricht, hört Lob für ihn auch noch fünf Jahre nach dem Rücktritt. In Tunesien hat er gute Verbindungen in die Kreise der säkular geprägten muslimischen Politik, in Hamburg engagiert sich Wulff als Präsident des „Euro-Mediterran-Arabischen Ländervereins“, der sich die Entwicklung der Region durch wirtschaftliche Kooperationen zwischen Firmen und Unternehmern in Europa und den südlichen Anrainerstaaten zum Ziel setzt.

Die Anspannung der letzten Monate im Amt und noch lange danach scheint von Wulff abgefallen. Von der Seele geschrieben hat er sie sich längst, im Buch „Ganz oben, ganz unten“, das er nach seinem Freispruch durch das Landgericht Hannover schrieb – die Geschichte seiner „Verfolgung und öffentlichen Demütigung noch über den Tag des Freispruchs hinaus“ (Wulff). Und es ist ihm anzumerken, dass ihm dieses Bild der Gelassenheit wichtig ist.

Freikarten für Borussia

Die Vorwürfe von damals würzen inzwischen seine öffentliche Rede. Beim Berliner Auftritt vor der Katholischen Friedensstiftung erwähnt er unter dem Gelächter des Publikums, er habe ihr persönlich eine Spende des Journalisten Friedrich Küppersbusch eingeworben: „Ich habe ihm Freikarten für Borussia geschenkt. Aber da kein Journalist mehr eine Freikarte von mir annehmen kann, wollte er den Betrag spenden.“

Wer nach Wulffs Mission heute fragt, bekommt eine noch sehr präsidiale Antwort, die wieder der Demokratie gilt. Hier spüre er „eine besondere Verantwortung und Verpflichtung“, weil „die Stimmung sich auch in unserem Land ein Stück weit zu verändern scheint“. Er fürchte, „dass die Angst obsiegt, dass die Bereitschaft, mutig an neue Dinge heranzugehen, sinkt, dass Weltoffenheit verloren geht“. Es sei wichtiger denn je, „für gutes Zusammenleben in Vielfalt zu streiten.“

Und privat? Wulff nennt seine Kinder, die „nun gelegentlich gemeinsame Zeit mit mir haben“. Und dann sich: „Ich bin ein glücklicher Mensch.“

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