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Blitzmarathon der Polizei, Radarkontrolle in Nürnberg.
© dpa

Blitzmarathon: Rasen und witzeln

Die Raserei auf unseren Straßen: Gibt es sonst irgendein Thema, bei dem es um Menschenleben geht, das unserem Alltag so nahe liegt und das wir trotzdem derart verharmlosen? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Markus Hesselmann

Sport frei! Es ist wieder Blitzmarathon. Schon der Begriff deutet darauf hin, wie ernst wir den zivilisatorischen Skandal von jährlich mehr als 3300 Verkehrstoten in Deutschland nehmen. Gibt es sonst irgendein Thema, bei dem es um Menschenleben geht, das unserem Alltag so nahe liegt und das wir trotzdem derart verharmlosen? Blitzmarathon – das klingt, als ob es sich hier um einen Wettkampf unter Sportsfreunden handelt.

Dabei hat die Raserei auf unseren Straßen so gar nichts Sportliches an sich. In Gesprächen zum Thema, in der Berichterstattung, in den Social Media, ja selbst in den Bulletins der Polizei wimmelt es von verqueren Metaphern, die ein unterhaltsames Spektakel aus der Rücksichtslosigkeit auf unseren Straßen machen. „Wie das Netz über den Blitzmarathon witzelt“, fasst eine Nachrichtenagentur zusammen.

Und dann sehen wir die Raser vor der Kita oder der Schule, in die das eigene Kind geht. Etwa die notorischen Beschleuniger, die meinen, sie müssten auch in der Tempo-30- Zone, zwischen den mit Bedacht, zur Verlangsamung eingebauten Fahrbahnschwellen noch kräftig aufs Gaspedal treten. Und stellen uns das Schlimmste vor, einen Unfall des Kindes. Bei der Lektüre der letzten Unfallbilanz schaffen wir vielleicht noch den gedanklichen Transfer, dass hinter der Zahl 3368, der genauen Zahl für 2014, entsprechend viele menschliche Schicksale, trauernde Familien, Freunde, Mitmenschen stehen. Und dann verdrängen wir das lieber schnell.

Mehr Rücksicht, mehr Ernstnehmen

In Berlin sind im vergangenen Jahr 52 Menschen im Straßenverkehr getötet worden, deutlich mehr als im Vorjahr. Auch die Zahl der Verletzten, rund 17 000, nahm zu. Eine der Hauptursachen ist zu schnelles oder der Situation nicht angepasstes Fahren. Gerade bei älteren Verkehrsteilnehmern steigt seit Jahren die Zahl der Opfer. Künftig werden, demografisch bedingt, noch mehr Ältere unterwegs sein. Auch aus diesem Grund wäre mehr Rücksicht, mehr Ernstnehmen wichtig.

Die Römer hielten Gladiatorenkämpfe, also das, was wir heute Barbarei nennen, für Spiele. In einer späteren Zivilisation wird man womöglich auf uns zurückblicken und sich fragen, warum wir die Barbarei auf unseren Straßen für Sport gehalten haben.

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