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Lebensglück oder Parkposition. Darum, was eine Frau mit Kind leisten sollte, bricht regelmäßig Streit aus. Denn die Gesellschaft braucht berufstätige Mütter.
© David

Mütter im Debattenstress: Opfer bringen als Selbstverwirklichung

Studium, Karriere – und dann Haushalt und Kinder: Für Feministinnen der älteren Generation sind die Lebensentwürfe der jungen Mütter ganz schön irritierend. Warum eigentlich?

Frauenarbeit. Sie hat keinen Anfang und kein Ende, und es kommt auch nichts dabei heraus. Hinterher sieht bestenfalls alles aus wie vorher, unsichtbare Arbeit, Hausarbeit eben, und dazwischen, daneben, dabei Kinderwünsche erfüllen. Und das alles nach der Arbeit. Feierabend. Nervenzusammenbruch?

Manchmal fragt man sich schon, wie die jungen Mütter das schaffen. Und das bei ihrem auffälligen Hang zum Perfektionismus.

Unsere Kinder bekommen jetzt Kinder. Beobachten wir sie nicht manchmal mit einer Mischung aus Anerkennung, Bewunderung und leisem Befremden? Ein Probeschrei aus der Wiege, nein, ein halber Probeschrei und schon ist der Weltneuling auf dem Arm seiner Mutter. Fragende Blicke hin und zurück: Ihr hättet wohl länger gewartet, oder?

Die Idee, das Laufgitter aus dem Keller holen, wagen wir gar nicht erst vorzutragen, nicht bei der Generation Bio. Wie hieß das doch gleich: Lauf-Gitter? Kleinkindknast im Wohnzimmer also? Eine künstliche, menschenverachtende Barriere zwischen Kind und Eltern? Die frühkindliche Welt hinter Gitterstäben? Nein, muss nicht sein. Also besser nichts sagen, der Vorwurf steht ohnehin im Raum: Ihr habt wohl alles nebenbei gemacht! Kinder bekommen und nebenbei gearbeitet. Oder wahrscheinlich umgekehrt: Gearbeitet und nebenbei Kinder bekommen. Aber: Kinder bekommt man nicht nebenbei!

Hausfrau. Das Wort suggeriert ein universell fremdbestimmtes Frauenmöbel

Und jetzt zieht eine neue Müttergeneration die Konsequenz. „Die Abschaffung der Mutter“ heißt ein soeben erschienenes Buch, das natürlich deren Rückkehr fordert, der Titel „Feindbild Mutterglück“ kommentiert sich selbst, ebenso wie „Die Alles-ist-möglich-Lüge“. Der „Spiegel“ diagnostiziert schon das „Comeback der Hausfrau“. Oder sollte man richtiger sagen: Er denunziert die jungen Frauen, die sich, obwohl gut ausgebildet, obwohl mitunter höchstqualifiziert, gegen den Beruf und für die Familie entscheiden, zumindest lebensabschnittsweise, oder richtiger: hauptlebensabschnittsweise, dann nämlich, wenn alle Weichen sich stellen. Keine der Porträtierten will Hausfrau genannt werden, das Magazin bleibt trotzdem dabei und hält das wohl für aufklärerisch geboten. Ist es das?

Hausfrau. Das Wort suggeriert ein universell fremdbestimmtes Frauenmöbel, eingepasst in einen Lebensentwurf, der nicht der eigene ist, eine Existenzform, die sich permanent selbst aus dem Weg geht. Niemand hat das böser und auf grausame Weise zärtlicher besungen als Konstantin Wecker: „Ich hab zum Sterben kein Talent/ und hab fürs Leben kein Gefühl/ mir fehlt ein gutes Argument/ um das zu wollen, was ich will.“ Er hatte das Lied seiner Mutter gewidmet. Es beschreibt das Inhaftiertsein in der Alltäglichkeit.

Und dahin wollen also immer mehr junge Frauen emigrieren, denen die Welt offenstünde. Aber sie wählen Heim, Familie und Kind und erleben das Opfer-Bringen als neue Selbstverwirklichung, egal ob promovierte Mathematikerin, Steuerberaterin oder Chefsekretärin.

Ist es schon Niedertracht, wenn einem dazu Nietzsche einfällt: „Der Mann ist der Umweg der Frau zum Kind“, vom Beruf nicht zu reden, „das gebildete Weib“: eine Instinktverirrung höchsten Grades. Nietzsche war nicht zuletzt der Denker der Instinkte, er hielt sie für nicht korrumpierbar am Ende. Haben die alten Frauenskeptiker, um es wohlwollend zu sagen, zuletzt doch recht?

Und etwas irritierend ist es schon, eine junge Frau zu sehen, die bis eben mit einer an Leidenschaft grenzenden Ausschließlichkeit – ihr Name ist Ehrgeiz – die akademische Laufbahn verfolgt hat, um sich nun mit der gleichen Unbedingtheit ihrem Kind zu widmen: „Alles am Weib ist ein Rätsel, alles hat eine Lösung: Schwangerschaft.“ Sagte fast ebenso schon Mephisto im „Faust“, Teufel lügen nie.

Vielleicht ist vieles im Leben eine Generationenfrage.

Die Feministinnen der älteren Generation haben Zitate wie diese verinnerlicht, sie verloren darüber nicht selten die Unbefangenheit, die zum Leben dazu gehört, zum Muttersein, zum Frausein, zu allem. Als eine Schweizerin das Wort „Mutter“ vor mehr als zehn Jahren auf die Liste der ultimativ diskriminierenden Wörter setzen ließ, weil es geistige Unzurechnungsfähigkeit suggeriere, war wohl der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung erreicht. Die neuen Mütter sind vom gesammelten Zitatenschatz der Frauenverachtung kaum noch zu treffen, schon weil die Versuchung, sich von irgendwelcher Literatur beim Leben behindern zu lassen, im Zeitalter der Smartphones kontinuierlich kleiner wird. Das ist zwar nicht wirklich eine kulturelle Errungenschaft, in diesem Falle aber vielleicht doch. Nicht der vermeintliche ewig weibliche oder männliche Instinkt ist ein Kriterium, wohl aber, wenn Menschen die Wahrnehmung haben: Hier stimmt etwas! Traditionell gesprochen: Ich bin glücklich.

Öffentliches Ärgernis. Macht man das - einem Baby die Brust geben, wenn es jeder sehen kann?
Öffentliches Ärgernis. Macht man das - einem Baby die Brust geben, wenn es jeder sehen kann?
© Frank Leonhardt / dpa

Das ist nicht kritisierbar. Und insofern ist es ein Kriterium, vielleicht das einzige, das wirklich zählt.

Und mehr noch: Es ist schön. Denn fühlen wir nicht viel zu oft das Gegenteil: Da stimmt etwas ganz und gar nicht! ?

Aus einer solchen Wahrnehmung heraus haben die neuen Mütter wohl ihre Streitschriften verfasst. Alina Bronsky, Mitautorin der buchgewordenen Diagnose „Die Abschaffung der Mutter“ hat als einzige das gefühlte Schmähwort „Hausfrau“ angenommen. Sich so zu nennen, habe inzwischen schließlich schon etwas „Revolutionäres“. „Mich persönlich nervt es, wenn ich ständig erstaunt-anklagend gefragt werde: Wie, deine zweieinhalbjährige Tochter ist noch zu Hause?“, erklärt Alina Bronsky, Ehefrau des Schauspielers Ulrich Noethen, und dann folgt die Diagnose: Das Kind ist „bestimmt unterfordert.“ Alina Bronsky hat das nicht auf sich sitzen lassen, sie geht in die Offensive: „Es kann Eltern geben, die eine Krippe brauchen, aber kein Kind braucht eine Krippe.“ Wirklich nicht? Und wo ist die Großfamilie? Früher wurden Kinder in Großfamilien groß, haben wir nicht die Pflicht, sie zu ersetzen?

Oder, um nicht ganz so weit zurückzugehen: Erinnert sich noch jemand an die Zeit, es ist nicht lange her, als die Neonazis des Ostens auf die Kinderkrippen der DDR zurückgeführt wurden? In dieser Hinsicht ist Alina Bronsky unverdächtig, und doch: Ist sie eigentlich darauf vorbereitet, als weltanschauliche Agentin der AfD und potentielle Trägerin des Mutterkreuzes in Anspruch genommen zu werden? So wie es der ARD-Journalistin Eva Herman vor genau zehn Jahren geschah, als sie ein Buch schrieb, das sie mit dem sprechenden Titel „Das Eva-Prinzip“ versah.

Alice Schwarzer erkannte umgehend eine „Suada zwischen Mutterkreuz und Steinzeitkeule“. Dabei hatte die Tagesschau-Sprecherin wohl nur eine ganz überwältigende, einfache Erfahrung gemacht: Mutter zu sein ist im Zweifel noch erfüllender, als die Nachrichten zu sprechen.

Keine Mutter ist reaktionär. Wenn jemand das Gefühl hat „Ich bin Mutter, also bin ich!“, dann ist das großartig, jenseits aller Feminismen. Die ganze Meinungshaftigkeit macht so unendlich müde, weil man ständig die Wahl hat zwischen falschen Alternativen.

„Ich bin eine richtige Scheißehefrau und eine noch beschissenere Mutter.“

Wer die moderne Arbeitswelt als Hort der Freiheit bezeichnen wollte, macht sich wohl einer vorsätzlichen Täuschung schuldig. Moderne Arbeitswelten sind unendlich abgeleitete Universen, da kann die Wiederentdeckung der Unmittelbarkeit, der Schock, ein Kind zu bekommen, manchmal einer Offenbarung gleichen. Die jungen Akademikerinnen, die ihren Wiedereintritt ins Arbeitsleben so scheinbar leichtfertig vertagen, haben wahrscheinlich nicht das Gefühl, um ein Stück ihrer selbst gebracht worden zu sein.

Charlotte Roche hat im letzten Herbst in gewisser Weise den Metatext zur aktuellen Publikationsflut geschrieben. Und zwar aus der Sicht einer Spezies, die bisher noch nicht vorkam, aus der Sicht der bekennenden Nicht-Mütter.

In ihrem neuen Buch „Mädchen für alles“, wohl ihrem besten bisher, porträtiert sie eine beruflich scheinbar erfolgreiche junge Frau, die einen großen Plan hatte: „Bei der Arbeit dachte ich, ich brech unter dem Druck zusammen. Wenn ich das an den Nagel hänge und Kinder bekomme, dachte ich, kann ich ganz unauffällig immer zu Hause bleiben und bin von dem Druck weg bei der Arbeit. Ich bin dafür nicht geschaffen."

Der Plan geht nicht auf. Christine, so heißt die Aussteigerin, war nicht klar, wie schwer es sein würde, Mutter zu sein: „Ich bin eine richtige Scheißehefrau und eine noch beschissenere Mutter.“ Und dazu „dieser beschissene Alltag mit Kind, der jede Liebe zerstört“.

Charlotte Roches Nicht-Mutter hat sich in die Kälte und Teilnahmslosigkeit einer handfesten Depression zurückgezogen, von der aus sie mit einem sezierenden quasiwissenschaftlichen Interesse beobachtet, wie ihr Leben zerfällt.

Frauen, die es als Fehler ihres Lebens betrachten, Kinder bekommen zu haben, befremden unser Gefühl. Lange Zeit konnten sie nur schweigen, jetzt melden sie sich zunehmend zu Wort. Sie lieben ihre Kinder, das schon, aber könnten sie noch einmal anfangen, sie hätten keine bekommen. Was ihnen vor allem fehlte: das Alleinsein. Das Nur-für-sich-sein. Mütter aber sind nie allein. Es gibt keinen Feierabend für sie.

Der Mensch, eine exzentrische Laune der Natur: ein Wesen, das seine eigene Endlichkeit denken kann. Wir sind, rein physiologisch, nicht gemacht für die Welt, in der wir leben, weder Frau noch Mann. Wir sind ein Geschlecht von Zauberlehrlingen, und wie das ausgeht, kann keiner sagen. Beide, Mann und Frau, sind auf eine prekäre Weise dem Schoß der Natur entsprungen, und es ist eine unlebbare, zerreißende Illusion, die Frau zum stellvertretenden Naturwesen zu erklären, wie es alle Jahrhunderte zuvor getan haben.

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