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Ein Teilnehmer der Demonstration gegen die Absetzung der ARD Fernsehserie "Lindenstraße" hält ein Schild mit einem Foto der Serienfigur Helga Beimer.
© Henning Kaiser/dpa

Demonstration in Köln: „Ohne Mutter Beimer ist alles im Eimer“ - Aufstand der „Lindenstraßen“-Fans

Die „Lindenstraße“ soll bald Fernsehgeschichte sein. Zu schlechte Quoten, sagt die ARD. Doch der harte Fan-Kern will sich damit nicht abfinden.

Worüber soll sich Andreas Sartorius künftig mit seiner Mutter unterhalten, wenn es die „Lindenstraße“ nicht mehr gibt? Seit der ersten Sendung ist der 43 Jahre alte Berufskraftfahrer dabei. „Ich hab mit zehn Jahren angefangen“, erzählt er. „Ich hab' die erste Folge gesehen und seitdem nicht eine verpasst.“ Als kürzlich „Lindenstraßen“-Urgestein Hans Beimer starb, vergoss er Tränen, „das gebe ich offen zu“. Die Serie ist ein Teil seines Lebens, und ihre angekündigte Einstellung empfindet er als Tragödie. Eben deswegen steht Sartorius an diesem Samstagnachmittag neben dem Kölner Dom und demonstriert.

Gut 200 Menschen haben sich versammelt. Wenn alle ihre „Lindenstraßen“-Schilder und Transparente hochhalten, sieht es nach einer richtigen Menge aus. Aber von etwas weiter weg verliert sich die Gruppe auf der riesigen Domplatte.

Es ist der harte Fan-Kern, der hier aufgelaufen ist. Teilweise kommen sie von weit her, aus München und Bad Pyrmont in Niedersachsen. Der Moderator der Kundgebung, Jörg Albert Flöttl (40), stammt aus Nürnberg. Auch er ist seit der ersten Folge dabei. „Ich war noch ein kleiner Junge, so sechs oder sieben Jahre, als das Ganze los ging. Man wurde älter, man wuchs mit den Figuren. Bei mir war es vor allem Klausi Beimer, der hatte das gleiche Alter, mit dem konnte ich mich identifizieren.“

Marcel Schenk (41) geht es ähnlich. „Pass auf, dass du nicht so frech wirst wie Klaus Beimer“, hat seine Mutter immer zu ihm gesagt, als der Sohn von Hans und Helga Beimer mit dem Luftgewehr aus dem Fenster schoss. Auf einem der Transparente steht: „Wir sind alle Helgas Kinder!“ - in Anspielung auf die von Marie-Luise Marjan verkörperte Helga Beimer, die Über-Mutter der Serie.

Die Zentrale des Westdeutschen Rundfunks ist vom Schauplatz der Demo aus nur wenige hundert Meter entfernt. Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, teilt eine Sprecherin des Senders mit. Letztlich habe sich die ARD aber gegen eine Verlängerung entschieden, „und es ist auszuschließen, dass dies revidiert wird“. Das Verhältnis zwischen Zuschauerinteresse und Kosten sei einfach nicht mehr angemessen.

Das sieht man auf der Domplatte natürlich anders. Dort wird die „Listra“, die „Lindenstraße“, als deutsches Kulturgut gerühmt. Mehrere Fans haben sogar Gedichte und Reime verfasst. Der griffigste Slogan lautet: „Ohne Mutter Beimer ist der Sonntag im Eimer.“

Was die Redner an diesem Nachmittag immer wieder ansprechen, ist die gesellschaftliche Relevanz der Serie. Tablettensucht, Messie-Syndrom, Erdogan, Nazis - alles schon mal vorgekommen. Flöttl sagt: „Ich behaupte mal: Viele Menschen, die gegen Flüchtlinge sind, haben nie einen Flüchtling kennengelernt. Aber durch diese Unterhaltungssendung haben sie die Möglichkeit, mal zu gucken: Wie sind die eigentlich im Alltagsleben? Man kann damit ein bisschen Vorurteile abbauen.“

Am 2. Februar soll wieder demonstriert werden, dann in München. Andreas Sartorius fand die Resonanz in Köln „überwältigend“. Andere sind enttäuscht, dass nicht mehr gekommen sind. Ein Mann sagt: „Es ist doch traurig, wie vielen Leuten das alles gleichgültig ist." (dpa)

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