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Papst Franziskus hat sich zur Erziehung geäußert: Das "würdevolle" Schlagen von Kindern sei angemessen.
© dpa

Franziskus empört mit seiner Aussage über Erziehung: Muss der Papst an seiner "Political Correctness" arbeiten?

Wollte er provozieren? Oder hat er wieder einfach so drauflos geplappert? Der Papst empört mit einer Aussage über das Schlagen von Kindern. Ein „Prügel-Papst“ ist er deshalb noch lange nicht. Aber der Missbrauchs-Debatte in der katholischen Kirche schadet es.

Die Aussage verhallte in Rom zunächst relativ unbemerkt. Bei seiner Generalaudienz sprach Papst Franziskus über die Rolle des Vaters bei der Kindererziehung. Wie wichtig Väter seien, und dass sie präsent, liebend und vergebend sein sollten. Dann kam eine Passage, die später eine Welle der Empörung auslöste. Er habe einen Vater sagen hören, „ich muss meine Kinder manchmal ein bisschen hauen, aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu erniedrigen“, so Franziskus. „Wie schön“, fuhr der Papst fort. „Er kennt den Sinn der Würde, er muss bestrafen, er macht es aber gerecht und geht dann weiter.“

Aufregung im Netz

„Der Papst findet würdevolles Kinder-Schlagen okay“, wird daraus im Netz. „Kinder zu schlagen ohne deren Würde zu verletzen ist OK? Klappt genau so wie baden ohne nass zu werden oder Sonnenaufgang ohne Licht“, schreibt eine Userin auf Twitter. „Reaktionärer Armleuchter“ nennt ein anderer den Papst.

Weniger deftig, aber auch kritisch reagiert die katholische Reformbewegung Wir sind Kirche. „Wenn Papst Franziskus hervorhebt, dass der Verzicht darauf, ein Kind ins Gesicht zu schlagen, davon zeuge, dass die Würde des Kindes geachtet würde, dann liegt er vielleicht nicht ganz verkehrt“, sagte Sprecherin Sigrid Grabmeier.

„Aber jeder Schlag gegen ein Kind ist einer zu viel und zeugt oft von der Überforderung der Erwachsenen.“ Vatikan-Experten betonen gegenüber der dpa, dass der Papst keineswegs Gewalt gegen Kinder rechtfertige. „Meiner Einschätzung nach ging es hier um die Würde des Kindes, verpackt in eine echte Erzählung. Das ist keine Verteidigung von Gewalt gegen Kinder, sondern die Betonung ihrer Würde“, sagte Bernd Hagenkord, Chefredakteur der deutschen Ausgabe von Radio Vatikan. Und Papst-Biograf Marco Politi erklärte: „Der Papst will nicht sagen: Ab Morgen haut man wieder!“. Vielmehr benutze er gerne eine „volkstümliche“ Sprache, „wie ein Pfarrer vor der Kirche auf dem Vorplatz“, um zum Nachdenken anzuregen.

Für Franziskus hat Meinungsfreiheit eine Grenze

In der Tat hatte der 78-Jährige seit seinem Amtsantritt vor fast zwei Jahren einige Anekdoten parat. So sprach er vor kurzem über Meinungsfreiheit und Verletzung religiöser Gefühle. Wenn jemand seine Mutter beleidige, würde er seine Faust zu spüren bekommen, sagte der Papst, um zu illustrieren, dass auch Meinungsfreiheit ihre Grenzen habe. Kritik an einem vermeintlich gewaltbereiten Papst folgte. Wenig später kam die Aussage, Katholiken sollten sich nicht „wie Karnickel“ vermehren. Hier verbuchte der Argentinier zwar bei vielen Menschen als Mann der klaren Worte Pluspunkte. Kinderreiche Familien fühlten sich aber angegriffen. „Es scheint, dass der Papst ein bisschen an der Political Correctness rütteln will, um seine Zuhörer zum Nachdenken zu bringen“, sagte Vatikan-Kommentator Politi.

Mit der jetzigen Aussage hat Franziskus' Image als moderner Papst jedoch einen Kratzer bekommen. Das Thema Gewalt gegen Kinder - egal ob es sich nun um einen Klaps handelt oder eine Ohrfeige - ist zu sensibel. Gerade in der katholischen Kirche, die seit Jahren gegen schwerste Missbrauchsvorwürfe zu kämpfen hat - flapsige Bemerkungen bekommen in diesem Kontext schnell einen falschen Zungenschlag. Es geht nicht nur um sexuellen Missbrauch in katholischen Einrichtungen sondern auch um Schläge als gebilligte Erziehungsmaßnahme. Exakt vor einem Jahr hatten UN-Kinderrechtsexperten den zögerlichen Umgang des Vatikans mit den Fällen von Kindermissbrauch scharf kritisiert.

Franziskus hat sich in dieser Sache eine „Null-Toleranz“-Politik auf die Fahnen geschrieben. Erst diese Woche veröffentlichte der Vatikan einen Brief an alle Bischofskonferenzen, Orden und kirchliche Gemeinschaften, in dem er die strikte Umsetzung von Richtlinien gegen sexuellen Missbrauch fordert. „Die Familien sollen wissen, dass die Kirche keine Kräfte schont, um ihre Kinder zu schützen“, so der Papst. Passend dazu tagt seit Freitag im Vatikan eine Kinderschutz-Kommission, die Franziskus ins Leben gerufen hatte.

Die Schlagen-Ja-oder-Nein-Diskussion stellt zwar den Tatendrang des Papstes beim Thema Missbrauch nicht infrage. Sie schadet aber entscheidend in der öffentlichen Wahrnehmung, was das Engagement der Kirche im Kampf gegen Gewalt an Kindern angeht.

Es geht vielleicht im Grund gar nicht darum, ob der Papst in diesem Fall falsch verstanden worden ist. Es ist mehr die Quantität von merkwürdigen und unpassenden Aussagen, die sich bei Kirchenoberhaupt Franziskus häufen. Und auch aus dem Umfeld des Vatikan sind Meldungen zu lesen, die selbst mit noch so gutmütigem Willen nicht positiv ausgelegt werden können:

So sorgte in Arbeitspapier für eine Frauenkonferenz des Kirchenstaats mit der Aussage für Aufsehen, dass plastische Chirurgie in manchen Fällen einer „Burka aus Fleisch“ gleichkomme und Gewalt gegen den weiblichen Körper sei. Der Präsident des Päpstlichen Kulturrates, Gianfranco Ravasi, sagte in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit Radio Vatikan: „Es ist, als ob Frauen dazu verpflichtet seien, einem Rollenbild der Werbung zu entsprechen.“ Gleichzeitig sprach er von einer „Diktatur der Ästhetik“. (dpa)

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