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 Er versteht die Menschen - und mag sie.
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Papst Franziskus und die Familienplanung: Der Herr der Lebeworte

Papst Franziskus – seine Enzykliken sind kurze Sätze. Den Katholiken zu sagen, der Glaube fordere nicht von ihnen, sich wie die Karnickel zu vermehren – das wird verstanden. An wen erinnert das noch gleich? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Er spricht eine Sprache wie – ja, Gott, wie Luther. Schaut dem Volk aufs Maul, kraftvoll, erdig, direkt. Ihn verstehen die Menschen – weil er sie versteht? Es scheint so. Franziskus, der Mann nach Benedikt. Benedikt? Ja, der war unser Papst. Und ist beinahe schon vergessen. Seine Gelehrsamkeit, sein weiter Blick, seine ziselierten Reden, sie sind eingegangen ins Schriftgut des Vatikans, von wo sie kommen werden, wenn es die Geschichte will. Und was Benedikt, der erklärte Europäer, sagte und schrieb, gilt ja auch, nur wird es heute, in diesen Tagen, nicht mehr als gegenwärtig angesehen, so wie der Urheber selbst, den kaum noch einer sieht. Franziskus aber ist überall.

Als hätte die – katholische – Welt auf ihn gewartet. Das Südamerikanische an ihm, dieses andere Temperament, das ihm niemals gestatten würde, auch nur Stunden im Elfenbeinturm zuzubringen, bringt ihn den Gläubigen so nah, wie ihnen Benedikt fern war. Dem nutzten kein Basecap, keine wattierte weiße Weste, keine coole Sonnenbrille; alles Styling blieb doch eine Äußerlichkeit, im wahren Wortsinn aufgesetzt. Sicher, die 1,3 Milliarden wollen auch zu ihrem geistlichen Oberhaupt aufschauen können, doch sein brillantes Wissen war wie ein Mysterium, eher abweisend denn einladend. Oder eben einladend nur für die, die ohnehin einen Platz am Tisch der Berufenen haben, und die, die zur Disputation begabt sind. Die anderen, die haben gewartet. Und feiern Franziskus nun umso mehr.

Die gesprochenen Worte des Papstes gelten

Natürlich hat er die Sexualmoral noch nicht grundlegend verändert, hat keine langen, umständlichen Enzykliken geschrieben, um ganz formell neue Lehre werden zu lassen, was er als Stellvertreter Jesu sich vorstellt. Doch auch die gesprochenen Worte des Papstes gelten. Franziskus’ Enzykliken bestehen halt aus kurzen Sätzen. Einer Frau nach sieben Kaiserschnitten vor der nächsten Schwangerschaft zu sagen, sie solle ihre Kinder nicht zu Waisen machen; den Katholiken zu sagen, der Glaube fordere nicht von ihnen, sich wie die Karnickel zu vermehren – das wird verstanden. So soll es sein: die Welt verstehen und verstanden zu werden. Franziskus verändert die katholische Welt, mindestens, indem er sich lebensnah zur Familienplanung erklärt, zur Verhütung, zur Familie überhaupt. Und zur Homosexualität, wer hätte das gedacht! Er kennt kein Tabu, kein Dogma, er ist der Arbeiter im Weinberg des Herrn, der Benedikt sein wollte. Franziskus macht sich dabei gottlob selbst nicht wichtig, ganz wie es der „Sozialpapst“ Johannes XXIII. gefordert hat. Dass er Armut predigt, ist Programm. Franziskus’ vatikanisches Konzil läuft bereits, kurz gefasst lautet sein Sinn: die Suche nach einem neuen Weltethos. Sogar Hans Küng dürfte Freude an ihm haben.

Die evangelische Kirche hierzulande auch. Schon gar im Blick auf das Luther-Jahr. Einladen müssten sie ihn, so protestantisch, wie er daherkommt: „Gottes Wort ist kein Lese-, sondern ein Lebewort. Man muss es sich so einbilden, dass schier eine zweite Natur daraus wird.“ Wer da nicht an Franziskus denkt …

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