Freiburger Studentin Maria L.: Mordprozess gegen Flüchtling hat begonnen
Der Tod von Maria L. löste bundesweit Entsetzen aus. Nun hat in Freiburg der Prozess um die Ermordung der Studentin begonnen. Der mutmaßliche Täter spricht. Viel erfährt man nicht.
Während draußen Demonstranten wegen seines Falles über Flüchtlingspolitik streiten, betritt der Mordverdächtige Hussein K. den Gerichtssaal. Seine Augen sind halb geschlossen, sein Schritt schleppend, die Füße und Hände sind gefesselt. Fast wie ein alter Mann wirkt der junge Geflüchtete, leicht gebeugt in seinem etwas zu weiten weinroten Pullover und einer ausgebleichten, tief sitzenden Jeans. Reporterkameras klicken, der Andrang des Publikums ist riesig.
Hussein K., angeklagt des Sexualmordes an der jungen Freiburger Studentin Maria L., setzt sich und blickt stets zu Boden. Er wirkt schläfrig und teilnahmslos. Auf die Frage des Gerichts, wie es ihm gehe, antwortet er: „Ich habe nichts zu erzählen, nichts zu sagen.“
Grausige Details
Dann die Überraschung: Der Angeklagte wolle nun doch umfassend aussagen - auch zum Tathergang selbst, erklärt sein Verteidiger. „Er hat sich kurzfristig entschlossen.“
Doch hat die Staatsanwaltschaft zunächst eine Anklage mit grauenvollen Details zu verlesen: Wie der junge Flüchtling die arglose 19-Jährige, die nach einer Party mitten in der Nacht nach Hause radelt, abrupt anhält. Wie er sie vom Rad reißt. Wie er sie sofort zu würgen beginnt. Wie er sie in Brust und Wange beißt. Wie er die schon halb besinnungslose Frau vom Radweg am Fluss Dreisam auf einen unbeleuchteten Grasstreifen zerrt. Wie er sie entkleidet. Wie er sie immer weiter würgt und schließlich mehrfach vergewaltigt.
Ein Wunder, dass sie da nicht schon tot war, deutet der Staatsanwalt an. Dann habe K. die hilflose Frau so in das flache Ufergewässer des Flusses Dreisam gelegt, dass das Wasser Mund und Nase des Opfers bedeckte. Maria L. ertrank. Gleich im Anschluss an die Verlesung der Anklage stellt der Staatsanwalt in Aussicht, nach einem Schuldspruch die Sicherungsverwahrung beantragen zu wollen. Hussein K. blickt weiter zu Boden. Müde sei er, so zuvor sein Anwalt. Vor der Verhandlung habe er ein starkes Beruhigungsmittel zu sich genommen. Der Freiburger Mordfall hatte die ohnehin schon emotionale Debatte über Flüchtlingspolitik in Deutschland im vorigen Jahr angeheizt.
Unbefriedigende Auskünfte
Hussein K. schildert seinen Fluchtweg. Mal ausführlich, mal sparsam schildert er den Weg aus seinem angeblichen Geburtsland Afghanistan in den Iran, die Flucht von der Türkei nach Griechenland und schließlich über Serbien und Slowenien nach Deutschland. Von einem erbärmlichen Leben in Bauruinen ist die Rede. Von Essen, das er sich in Griechenland aus dem Müll besorgen musste, von Diebstahl und Alkohol, von Schleppern. Von Ausweglosigkeit und Elend.
Ein klares, stringentes Bild formt sich trotz intensiver Nachfragen der Richterin nicht. Es gibt zahlreiche Widersprüchlichkeiten. Erinnerungslücken. Fragen zur eigenen Familie blockt Hussein K. oft ab. Die Antworten auf die Fragen zu seinem Alter wirken wenig glaubwürdig. In Griechenland soll er sich absichtlich älter gemacht haben. In Deutschland absichtlich jünger. Er räumt ein, bei der Einreise nach Deutschland statt 16 schon 18 gewesen zu sein. Eine stimmige Alterschronologie ergibt sich dennoch nicht, wie die Richterin anmerkt. „Sie können rechnen?“, fragt Hussein K. in ihre Richtung. Dann versinkt er wieder in rätselhafte Lethargie.
Probleme mit Drogen und Alkohol
Recht ausführlich berichtet er von Drogen- und Alkoholkonsum während seiner in Deutschland vor dem Mord verbrachten Zeit. Auf Fragen nach seinem Leben in der Pflegefamilie, die ihn als angeblich minderjährigen Flüchtling aufgenommen hatte, antwortet er vage und ausweichend. Vor der Schule, nach der Schule habe er mit einem Freund geraucht und getrunken. „Ich habe sehr viele Probleme, ich habe sehr viele Probleme.“ Von Maria L. ist, abgesehen von der Anklageschrift, am Dienstag zunächst nicht die Rede. Die eigentlich noch geplante Vernehmung des Leiters der Ermittlungen wird verschoben.
Die Eltern von Maria nehmen wie erwartet an der Verhandlung nicht teil. Sie hatten die gesamte Zeit vor dem Prozess eisern geschwiegen. Als Nebenkläger vertreten hatten sie über ihren Anwalt im Vorfeld des Prozesses ausrichten lassen: „Wir haben Vertrauen in die Justizorgane bei der Behandlung dieses Falles.“
Am Tatort Ottiliensteg am Fluss Dreisam flattert um einen Baum gewickelt immer noch ein schmuddeliges Tatortband. Die dort abgestellten Kerzen sind weniger geworden, nur ein Grablicht brennt noch. Zwei frische Wiesenblumensträußen stehen in verstaubten Vasen. Eine schwarze Plastikrose ist immer noch da, ein Engel, ein Jesusbild. Und auch das rote Herz hängt noch, in halber Höhe mitten an den Stamm geheftet. Die Stelle, an der ermittelnde Beamte einen Brombeerstrauch am Uferrand abmähten, ist wieder zugewachsen. (dpa)
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