Naturkatastrophen in den USA: Maßloser Regen, unendliche Trockenheit
Überschwemmungen in Louisiana, Brände in Kalifornien, steigende Meeresspiegel in Alaska: Wie die USA Extremwetter und Klimawandel erleben.
Das amerikanische Rote Kreuz spricht von der schlimmsten Naturkatastrophe seit dem Wirbelsturm Sandy vor vier Jahren: Nach schweren Regenfällen und Überschwemmungen im Bundesstaat Louisiana sind rund 40000 Häuser beschädigt oder unbewohnbar, 13 Menschen starben, zehntausende mussten evakuiert werden – und zwar auch in Gebieten, die bisher nicht als gefährdet galten. Der Regen, der innerhalb einer Woche in der Gegend niederging, hätte mehr als zehn Millionen Olympische Schwimmbecken gefüllt, rechnete der Nachrichtensender CNN seinen Zuschauern vor. Gleichzeitig breiten sich weiter westlich in Kalifornien gefährliche Brände aus.
Die Bewohner des Inseldorfes Shishmaref in Alaska beschlossen vor einigen Tagen, wegen fortschreitender Erosion und einem steigenden Meeresspiegel ihre Siedlung aufzugeben und auf das Festland umzuziehen. Und die US-Hauptstadt Washington erlebte gerade eine Hitzewelle mit Rekordtemperaturen.
Ist das der Klimawandel in Aktion? Auch ohne Erderwärmung gehört Extremwetter mit Stürmen, Überschwemmungen, gewaltigen Waldbränden und heftigen Schneestürmen zum amerikanischen Alltag. Die Häufung und das Ausmaß der jüngsten Katastrophen lassen manche Experten inzwischen aber von einem neuen Muster des Klimawandels sprechen.
Die Behörden rechnen mit Hilfszahlungen und Wiederaufbaukosten von 30 Millionen Dollar
Während in Louisiana die ersten Flutopfer in ihre zerstörten Häuser zurückkehren und überlegen, wie es mit ihnen weitergehen soll, rechnen die Behörden mit Hilfszahlungen und Wiederaufbaukosten von mindestens 30 Millionen Dollar. Viele Hausbesitzer hatten keine Versicherung gegen Überschwemmungsschäden, weil sie außerhalb der in normalen Jahren sonst betroffenen Flutgebiete wohnen. Fast 90000 Menschen haben bei den Behörden finanzielle Unterstützung beantragt. Dabei ist das Unglück möglicherweise noch gar nicht überstanden: Meteorologen sagen für Teile von Louisiana, Texas und Arkansas neuen Starkregen voraus und warnen vor erneuten Überschwemmungen. Präsident Barack Obama will das Katastrophengebiet am Dienstag besuchen.
Louisiana ist nicht der einzige Bundesstaat, der mit einer zerstörerischen Naturkatastrophe konfrontiert ist. In Kalifornien toben das Buschfeuer „Blue Cut“ und andere Brände, die in den vergangenen Tagen mehrere hundert Quadratkilometer Buschland zerstört und mehr als 80000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben haben. Mark Hartwig, Feuerwehrchef des Landkreises San Bernadino östlich von Los Angeles, sagte dem Fernsehsender CBS, viele der evakuierten Menschen hätten alles verloren. Das Feuer habe sich unerwartet schnell ausgebreitet: „Es schlug mit einer Kraft zu, die wir noch nie gesehen haben.“ Mike Wakoski, ein anderer erfahrener Feuerwehrkommandant, sagte, in 40 Dienstjahren habe er so etwas noch nicht erlebt. In einigen Fällen wurden die Bewohner des Katastrophengebietes vom Feuer überrascht und mussten um ihr Leben laufen. Mit dem Einsatz riesiger Löschflugzeuge und Hubschrauber gelang es der Feuerwehr im Laufe der Woche, die Brände einzudämmen. Auch hier konnten einige Bewohner inzwischen in ihre Häuser zurückkehren.
Eine moderne technische Ausstattung ist einer der Gründe dafür, warum in den vergangenen Jahren die durch Buschfeuer in Kalifornien angerichteten Schäden zurückgegangen sind. Doch die seit fünf Jahren anhaltende Dürre bildet eine bleibende Gefahrenquelle – wenn einmal ein Feuer ausbricht, ist das Zerstörungspotenzial größer als in der Vergangenheit. Zudem breiten sich Schädlinge aus, die immer mehr Bäume absterben lassen. Die Borkenkäfer, die Trockenheit und Temperaturen um die 40 Grad Celsius verwandeln das Buschland in einen riesigen potenziellen Brandherd, der jederzeit in Flammen aufgehen und zur Feuerwalze werden kann.
Der Klimawandel betrifft die Bürger jetzt konkret und persönlich
Das sei im Klimawandel die neue Normalität, sagen einige Fachleute. In einem Land, in dem die Realität der Erderwärmung von vielen Konservativen bestritten wird, etwa vom republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, ist diese Entwicklung ein Schock. „Ist dies das Gesicht des Klimawandels?“ fragte die „Washington Post“ in einer Analyse der jüngsten Brände und Überschwemmungen. Der Klimaforscher Greg Holland sagte dem Blatt, steigende Meeresspiegel wie im Alaskadorf Shishmaref seien ebenfalls ein Beispiel dafür, wie die steigenden Temperaturen schon jetzt das Leben von Amerikanern konkret und persönlich betreffen und beeinträchtigen können. „Kein Wissenschaftler wird bestreiten, dass der Klimawandel Leute aus ihren Häusern vertreibt und auch in Zukunft vertreiben wird“, meint Holland. Extreme Wetterphänomene würden an Zahl und Zerstörungskraft weiter zunehmen, sagt er voraus.
Nicht nur vorübergehende Evakuierungen wie derzeit in Louisiana und Kalifornien wird es nach Einschätzung der Fachleute häufiger geben. Auch größere Siedlungen als das Dorf Shishmaref müssten in den kommenden Jahrzehnten wahrscheinlich aufgegeben werden, sagen Experten wie Michael Gerrard von der Columbia University in New York: „Das ist nur ein Vorgeschmack.“
Susanne Güsten