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Auf Postkarten bleiben sie: Harry und Meghan
© AFP/Daniel Leal-Olivas

Rückzug von Harry und Meghan: Man reiche mir eine Krone!

Bei den Royals wird ausgezogen? Toll. Denn wenn es dort zugeht wie bei Normalos, können Normalos sich auch umgekehrt ganz königlich fühlen. Eine Kolumne.

Tagesspiegel-Kolumnistin Hatice Akyün.
Eine Kolumne von Hatice Akyün

Ich gebe es zu, ich beschäftige mich sehr gern mal nicht mit Krieg, Brexit, Rassismus und meiner Altersvorsorge. Stattdessen widme ich mich für einige Stunden genüsslich den Familiengeschichten aus dem britischen Königshaus. Dabei kann ich mich im Gegensatz zu den Briten noch glücklich schätzen, denn die müssen das Hoftheater über Steuern mitfinanzieren, während ich es kostenlos frei Haus geliefert bekomme. Ein bisschen verstehe ich es also, wenn das Volk „not amused“ darüber ist, dass sich Prinz Harry und Meghan aus dem royalen Staub machen, schließlich zahlt es für die Vorstellung.

Aber mal im Ernst: Was geht es uns eigentlich an, wenn die beiden offenbar gemeinsam beschließen, sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen? Und haben wir der bürgerlichen Braut, die aus bescheidenen Verhältnissen stammt, nicht gerade noch vorgeworfen, nur scharf auf Harrys Kohle zu sein? Und wenn schon? Wer von uns Harry nicht geheiratet hätte, werfe den ersten Strass-Stein.

Wir schmolzen dahin mit Diana - und hatten Mitleid

Als Jugendliche saß ich mit meiner Schwester vor dem Fernseher und schaute die Hochzeit von Prinz Charles und Diana. Wir schmolzen einerseits dahin, aber hatten auch Mitleid mit Diana, die so tieftraurig aussah, obwohl sie doch den Traum vieler Mädchen leben durfte. Glücklich sah sie nun wirklich nicht aus, als sie den begehrtesten Junggesellen nach Roger Moore als James Bond geheiratet hat. Sie gab Mädchen wie mir das Gefühl, dass wir wie sie sein könnten, nur, dass sie jetzt eben den Prinzen heiratet und nicht in einer Zechensiedlung in Duisburg lebt.

Es sind diese Bilder, die heute wie aus der Zeit gefallen wirken: Hinter Absperrgittern drängen sich Menschen und davor ein Paar, das sich mit den Zuschauern hinter der Barriere unterhält, Blumen entgegennimmt, sich zu kleinen Kindern bückt, und den perfekten Smalltalk beherrscht. Für das 21. Jahrhundert sieht das schon sehr seltsam aus, und ich kann verstehen, wenn Harry und Meghan das nicht mehr wollen.

Harrys Wahl: eine unabhängige Frau

Diana lehnte sich gegen die Traditionen auf und brachte das Königshaus an den Rand der Verzweiflung. Mit ihrer unzerstörbaren Freundlichkeit hat sie uns, die normale Welt, erobert. Nur ihr beharrliches Aufbegehren machte die Hochzeit von Prinz Harry und einer geschiedenen, bürgerlichen Frau wie Meghan überhaupt erst möglich. Sie war es, die eine Brücke vom Palast zum Volk geschlagen hat. Und Sohn Harry läuft nun über diese Brücke in die Selbstständigkeit. So kommt es einem völlig normal vor, dass Harry kein Anhängsel geheiratet hat, sondern eine starke, unabhängige Frau.

Mit Meghan ist eine Frau ins Haus Windsor eingezogen, die dem Wort „Normalität“ noch mal einen draufsetzt. Denn im Gegensatz zu Diana wusste Meghan genau, worauf sie sich einlässt. Sie hat die nötige Lebenserfahrung, um sich nicht wie die junge Diana vom Königshaus bevormunden zu lassen.

Ich freue mich auf Fortsetzung

Harry hat im Gegensatz zu seinem Vater eine Frau auf Augenhöhe geheiratet. Es würde Diana bestimmt gefallen, dass ihr eigenes Martyrium nun zu einem Happy End kommt. Wie bei ganz normalen Leuten eben, die einen Partner oder eine Partnerin heiraten, über die die Familie die Nase rümpft.

Prinz Harry wäre sowieso nie König geworden, da muss er sich das ganze Getue auch nicht antun. Ich freue mich jedenfalls über die Entwicklung und warte sehnsüchtig auf die nächsten Geschichten. Denn wenn es bei Royals letztlich auch nur zugeht wie bei Tante Erna und Onkel Osman, kann man sich auch selbst wahrlich königlich fühlen.

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