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Campbell-Tagebuch: Der Wunsch der Prinzessin Diana

Der ehemalige Pressechef von Tony Blair verrät Neues über das Verhältnis seines Chefs zu Diana.

Die Prinzessin und der Parteichef trafen sich heimlich. Was hätten die Paparazzi der Boulevardblätter wohl dafür gegeben, den jungen Politiker, den Mann, der die Zukunft der Labourpartei verkörperte, an diesem Abend im Londoner Stadtteil Hackney vor dem unscheinbaren Privathaus gemeinsamer Freunde fotografieren zu können? Auch wenn das Treffen gar kein persönliches Tête-à-Tête war und die Frau des Parteichefs sogar mit am Dinnertisch saß. Diana interessierte sich für Blairs Pläne und hoffte auf eine neue Aufgabe. Es sah so aus, als würde Blair bald darauf die Wahlen gewinnen und vom Oppositionsführer zum britischen Premierminister aufsteigen. Aus dieser Zusammenarbeit wurde nichts mehr. Einige Wochen später war Diana tot. Vor zehn Jahren, in der Nacht auf den 31. August 1997, starb sie bei einem Autounfall in Paris.

Der Premier Tony Blair würdigte die Prinzessin am Morgen danach in einer bewegenden Rede. Der gerade gewählte Regierungschef erfasste als einer der Ersten, was da geschah. Das Volk hatte seine Prinzessin verloren, „the people’s princess“, wie Blair sie in seiner Ansprache nannte, die „Königin der Herzen“, wie Diana in Deutschland genannt wurde. „Die Menschen werden in einem echten Schockzustand sein“, sagte Blair zu seinem Pressechef Alastair Campbell. Die Trauer werde überquellen, prophezeite der Premier und wurde durch die Bilder der kommenden Tage bestätigt.

„Wir haben die ganze Nacht telefoniert“, sagt Alastair Campbell über die frühen Morgenstunden jenes letzten Tages im August und seine Gespräche mit Blair. Zehn Jahre danach, an einem Londoner Sommertag, sitzt Campbell in einem Büro des Verlags Random House in Westminster und erzählt von Diana, von Tony Blair und von sich selbst. Mit seinem Buch „The Blair Years“, Auszügen aus seinem Tagebuch, hat es Campbell geschafft, den unzähligen gedruckten Seiten über die Königin der Herzen noch Neues hinzuzufügen.

Campbell war mehr als ein Pressechef. Der frühere Boulevardjournalist war Blairs wichtigster Berater. Viele hielten ihn für eine Art stellvertretenden Regierungschef. Im oscargekrönten Film „The Queen“ wird Campbell der Einfall mit der „people’s princess“ zugeschrieben. Schon kurz nachdem die Nachricht aus Paris kam, kritzelte er demnach den Begriff auf ein Blatt Papier und arbeitete Teile der Trauerrede seines Chefs aus. „Sie ist doch gerade erst tot“, sagt Blair im Film. „Hättest du es lieber, wenn ich meinen Job nicht machen würde?“, fragt sein Berater.

Der echte Campbell stellt das etwas anders dar, eher mit dem Premier als treibender Kraft: „Wie immer ging es Tony Blair sofort um die Konsequenzen. Am Ende des Telefonats hatten wir alles, was nun zu tun war, geklärt.“ Der Premier würde hinausgehen und zum Volk sprechen. Er würde Diana würdigen und den Gefühlen der Menschen gerecht werden, während Queen Elizabeth und Prinz Philip die Ex-Frau ihres Sohnes Charles und Mutter ihrer Enkel William und Harry am liebsten in aller Stille beerdigt hätten. Der Kontrast zwischen dem Meer von Blumen vor den königlichen Palästen und der offenkundigen Unfähigkeit der Royals, mit der öffentlichen Trauerarbeit ihrer Untertanen umzugehen, machte die Familie Windsor zum Feindbild im eigenen Königreich – auch wenn der Schaden für die britische Monarchie im Rückblick dann doch nicht so dramatisch war wie damals von vielen Kritikern angenommen.

„Ich glaube, dass die Monarchie schließlich sogar gestärkt wurde“, sagt Alastair Campbell und spielt damit auf den größtenteils gelungenen Lernprozess der Royals an, der auch Thema des „Queen“-Films ist. Campbell wirkt in diesen Tagen außerordentlich entspannt – wie einer, der mit 50 Jahren sein Lebenswerk vollbracht hat und jetzt in aller Gelassenheit zurückblickt. Vom aufgekratzt schnöseligen Politberater in dem Kinofilm ist nur der perfekt sitzende graue Anzug samt blauer Krawatte geblieben. Sein formaler Aufzug kontrastiert mit seiner lässigen Haltung – Füße auf dem Schreibtisch, Schokoriegel in der Hand – und seiner flapsigen Sprache. „So ein Zeugs interessiert mich nicht“, antwortet er auf die Frage, ob er sich im Film „The Queen“ nicht falsch dargestellt fühlt.

Im Tagebuch beansprucht Campbell den Einfall, Diana in Blairs Ansprache als Prinzessin des Volkes zu bezeichnen, nicht für sich. „Wir kamen überein, dass es gut wäre, emotional zu sein und sie die people’s princess zu nennen“, steht dort lapidar. „Ich weiß nicht mehr, wer von uns beiden die Idee hatte“, sagt Campbell heute. „Wenn ich mir meine Aufzeichnungen von damals anschaue, dann war es wohl eher Tony Blair.“ Das Copyright auf den Begriff liegt allerdings weder bei Blair noch bei Campbell: Die Journalistin Julie Burchill hat ihn schon Anfang der Neunzigerjahre geprägt. Das in Deutschland gebräuchliche Wort von der „Königin der Herzen“ hat Diana selbst benutzt. Auf die Frage, ob sie glaubt, jemals Königin von England zu werden, hatte sie in einem Fernsehinterview geantwortet, dass sie die Königin der Herzen der Menschen sein wolle.

In einem labourregierten Großbritannien schwebte Diana die Rolle einer humanitären Botschafterin vor. Blair war begeistert. „Diana sagte, sie würde uns helfen“, schreibt Campbell über die Treffen zwischen Parteichef und Prinzessin, bei denen der Pressechef wie bei allen wichtigen Terminen Blairs dabei war. Diana wollte ihre weltweite Prominenz und ihr gutes Aussehen noch stärker wohltätig nutzen, als sie es in ihren Projekten für Aidskranke und Minenopfer ohnehin schon tat.

„Sie war brillant auf Bildern“, sagt Campbell. In der Realität aber habe sie etwas gehabt, das noch darüber hinausgeht. „Sie stand da absolut verzaubernd, umwerfend schön, auf eine Art, die Millionen von Fotos nicht ganz rüberbrachten“, schreibt Campbell über ihre erste Begegnung. An einigen Stellen des Tagebuchs wirkt der abgebrühte Politberater richtig verliebt und muss von seiner Frau Fiona zurückgepfiffen werden. „Beim Essen strich mein Bein immer wieder an ein Bein der Prinzessin“, erzählt Campbell zehn Jahre danach. „Aber das habe ich aus dem Tagebuch lieber rausgelassen.“

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