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Ein Taxi fährt vergangenen Februar auf einer schneebedeckten Straße in London.
© Jonathan Brady/PA Wire/dpa

Winterwetter: Kommt die Bestie aus dem Osten zurück?

Die kräftige Erwärmung der Stratosphäre im hohen Norden könnte Mitteleuropa eisige Kälte bringen. Doch dafür müssen einige Bedingungen erfüllt sein.

Mit einer weißen Weihnacht hat es in diesem Jahr zwar wieder nicht geklappt. Trotzdem könnte der Winter in den kommenden Wochen natürlich noch seine eisigen Krallen zeigen. So könnte zum Beispiel in mehr als 20 Kilometer Höhe über dem Nordpolarmeer ein Wirbel mit extrem kalter Luft und Temperaturen unter minus 70 Grad Celsius zu schwächeln beginnen, sich in zwei Wirbel aufspalten oder gar zusammenbrechen. Das wiederum könnte den Weg für sibirische Kälte freimachen, die aus dem Osten oder aus Skandinavien nach Mitteleuropa strömt. „Die dramatischen Auswirkungen eines solchen Kaltlufteinbruchs hat der Spätwinter 2018 gezeigt“, erklärt der Meteorologe Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach.

Auch damals hatte sich der Polarwirbel in der Stratosphäre hoch über dem Nordpolarmeer ähnlich wie schon im Spätwinter 2013 dramatisch abgeschwächt. Dadurch wurde die Kälte-Bestie im Osten geweckt. „Beast from the East“, so wurde der Kaltluftvorstoß in Großbritannien damals genannt, der Ende Februar in Schottland und im Südosten Englands heftige Schneefälle, sowie am 2. und 3. März 2018 im Süden von Irland und Wales und im Südwesten Englands einen ausgewachsenen Schneesturm mit bis zu einem halben Meter Neuschnee brachte. In Schottland fuhren keine Züge mehr und die britische Regierung musste die Armee einsetzen, um eingeschlossene Autofahrer zu befreien oder Notärzte zu ihren Einsatzorten zu transportieren.

Erinnerung an Spätwinterkatastophe

Die Schneemassen erreichten den Norden Spaniens genauso wie die Alpen, die Côte d’Azur, Korsika und den Adria-Raum. Heftige Schneefälle gab es auch in Rom und Neapel, in Algerien und Tunesien, sowie in Kroatien. In Deutschland fielen vor allem an der Ostseeküste bis zu 25 Zentimeter Schnee, während der Rest des Landes bei sehr trockener Luft und Dauerfrost bibberte. In Paris hingen bei Temperaturen von minus sechs Grad Celsius große Eiszapfen von den Wänden einiger Metrostationen. In der Nacht zum 28. Februar 2018 fielen die Temperaturen in den mittleren Landesteilen von Norwegen bis auf minus 42 Grad Celsius. Zwischen Rumänien, Spanien, Großbritannien und Schweden fielen damals 95 Menschen der Bestie aus dem Osten zum Opfer.

Auslöser dieser Spätwinterkatastrophe Ende Februar und Anfang März 2018 war das Schwächeln des Luftwirbels hoch oben über dem Nordpolarmeer. „Dieser Polarwirbel entsteht in jedem Winter, weil im hohen Norden monatelang keine Sonne scheint und die Luft extrem stark auskühlt“, erklärt der Klimaforscher Felix Pithan vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven. In 20 oder 25 Kilometer Höhe sinken die Temperaturen dadurch auf Werte von rund minus 70Grad Celsius. Gleichzeitig fällt dort oben der Luftdruck und in der Höhe entsteht ein Tiefdruck-Gebiet. Weiter südlich liegen die Temperaturen und der Luftdruck dagegen höher. Von dort strömt daher die Luft nach Norden und wird unterwegs von der sich drehenden Erde nach Osten abgelenkt. In der Stratosphäre wirbeln im Polarwinter die Luftmassen daher von West nach Ost und damit gegen den Uhrzeigersinn um die kalte Luft herum.

Trefferquote von 60 Prozent

Manchmal aber wärmt sich die Luft in diesen Höhen rasch und kräftig auf. „Dadurch verringern sich bei den Temperaturen und dem Luftdruck die Unterschiede zwischen Norden und Süden, die den Polarwirbel in der Stratosphäre normalerweise antreiben“, erklärt AWI-Forscher Felix Pithan. Der Polarwirbel schwächt sich in solchen Fällen ab, teilt sich unter Umständen in zwei Wirbel auf, kommt vielleicht völlig zum Erliegen oder dreht sich sogar um. Diese Entwicklung schlägt unter Umständen bis zur Erdoberfläche durch. Dort tragen normalerweise Westwinde relativ milde und feuchte Luft vom Nordatlantik nach Mitteleuropa. Genau diese Luftströmungen brachten das Schmuddelwetter, das uns im Dezember viele trübe und graue Tage beschert hat. Schwächelt in der Polarwirbel in der Stratosphäre, kann sich diese Wetterlage grundlegend ändern. „Dann bildet sich unter Umständen ein Hochdruckgebiet über Skandinavien, das die milden Westwinde blockiert und kalte Luft aus Russland und Skandinavien nach Mitteleuropa trägt“, erklärt AWI-Forscher Felix Pithan. Eine solche Wetterlage hatte Ende Februar 2018 die Bestie im Osten geweckt und Schneestürme bis nach Großbritannien getragen.

Das „Beast from the East“ schlägt in sehr unregelmäßigen Abständen vielleicht fünf oder sechsmal in einem Jahrzehnt zu. Ob das auch in diesem Winter passieren wird, steht allerdings in den Sternen: „Wir können uns die Entwicklung nur für die kommenden sieben bis zwölf Tage anschauen“, erklärt DWD-Meteorologen Andreas Friedrich. „Bis dahin aber sehen wir keine Anzeichen für ein Zusammenbrechen des Polarwirbels in der Stratosphäre.“

Auch die aktuelle DWD-Vorhersage der Jahreszeiten lässt für Mitteleuropa Temperaturen vermuten, die bis in den März hinein rund 0,5 bis ein Grad über den Werten liegen, die zwischen 1990 und 2017 in dieser Zeit üblich waren. Das schließt jedoch nicht aus, dass die Bestie aus dem Osten in diesem Jahr zu uns kommt. Schließlich ist die Trefferquote dieser Jahreszeiten-Vorhersagen mit vielleicht 60 Prozent relativ gering. Obendrein geben sie nur die Durchschnittswerte für ein Vierteljahr an. Auch wenn die Jahreszeit sich also an die Vorhersage hält, könnten zum Beispiel der Januar und der März jeweils zwei Grad wärmer als bisher ausfallen, während das „Beast from the East“ im Februar die Temperaturen unter den Durchschnitt drücken könnte. Auf die Frage, ob denn nun der Winter seine eisigen Krallen noch längere Zeit zeigen wird, gibt Andreas Friedrich daher die Antwort: „Abwarten und Tee trinken.“

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