Gröhe will schärfere Meldepflichten: Kampf den Klinikkeimen
In deutschen Kliniken infizieren sich pro Jahr Hunderttausende an resistenten Keimen. Gesundheitsminister Gröhe will nun dagegen angehen - mit mehr Forschung, Fortbildung und schärferen Meldepflichten.
Ob es nun bis zu 600000 Menschen im Jahr sind, wie das Gesundheitsministerium mutmaßt, oder eine Million, wie die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene behauptet: In Deutschlands Kliniken infizieren sich Unmengen von Patienten mit Keimen, gegen die kein Antibiotikum mehr ankommt - und Zehntausende sterben jährlich daran.
Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt die Gefahren durch resistente Erreger so ernst, dass sie den Kampf dagegen zu einem Schwerpunkt ihrer G-7-Präsidentschaft erklärt hat. Und weil die Deutschen beim G-7-Gipfel im Juni auf Schloss Elmau nicht nur fordern können, sondern auch etwas vorweisen müssen, hat Gesundheitsminister Hermann Gröhe jetzt zusammenschreiben lassen, wie er Antibiotika-Resistenzen zu bekämpfen gedenkt – mit schärferen Hygienekontrollen, verpflichtender Fortbildung für medizinisches Personal, einer Ausweitung der Meldepflichten und besserer Patienteninformation.
Vorgaben "noch konsequenter umsetzen"
Die Vorgaben, Risikopatienten bei der Aufnahme ins Krankenhaus auf resistente Keime zu untersuchen und notfalls auch zu isolieren, müssten etwa „noch konsequenter umgesetzt“ werden, heißt es in dem internen Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt und noch mit den anderen Ressorts abgestimmt werden muss.
Das Problem dabei: Infektionsschutz ist Ländersache. Gröhe kann daher nur Vorschläge machen. Etwa, dass sich Gesundheitsämter und Kliniken im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen doch stärker als bisher vom Robert-Koch-Institut (RKI) unterstützen lassen sollten.
Meldepflicht für Darmbakterium
In anderen Punkten ist der Minister harscher. Künftig müssten gefährliche Keime, wie etwa multiresistente gram-negative Erreger (4MRGN) oder das Darmbakterium Clostridium difficile den Gesundheitsämtern schon beim ersten Nachweis gemeldet werden, fordert er. Bisher ist dies beim Clostridium nur für schwere Verläufe vorgeschrieben. Für gram-negative Erreger hat einzig Hessen eine Meldepflicht.
Und auch der meistverbreitete resistente Klinikkeim Staphylococcus aureus, kurz MRSA, muss bisher nur gemeldet werden, wenn er bereits in Blut oder Rückenmarksflüssigkeit nachweisbar ist, also eine schwere Blutvergiftung verursacht hat. Laut RKI waren das bisher 3000 bis 4000 Fälle im Jahr.
Screening vor jedem Krankenhausaufenthalt?
Wie die personell ausgedünnten Gesundheitsämter die neuen Meldepflichten bewältigen sollen, lässt Gröhes Papier offen. Dafür sieht es noch einiges andere vor. So solle „weiter untersucht und geprüft werden“, ob man Risikopatienten vor geplanten Klinikaufenthalten künftig generell auf multiresistente Erreger testet. Entscheiden sollen darüber die Ergebnisse mehrerer Modellversuche, die gerade anlaufen.
Medizinisches Personal in Kliniken wie Arztpraxen soll zu Fortbildungen zum „sachgemäßen Einsatz von Antibiotika“ verpflichtet werden. Über eine gemeinsame „Task Force Antibiotikaforschung“ bei den Ministerien für Bildung und Gesundheit sollen Forschungsvorhaben drei Jahre lang besonders gefördert werden. Und die Kliniken sollen die Patienten künftig verpflichtend über ihre Hygienestandards unterrichten.
Für Berlin gibt es bereits Hygienedaten
Für Berlin gibt es solche Daten bereits. Auf dem Beratungsportal von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin (www.gesundheitsberater-berlin.de) informieren rund 50 Kliniken freiwillig darüber, wie viele Patienten sich bei ihnen mit resistenten Keimen infiziert haben, wie genau es ihr Personal mit Handdesinfektion nimmt und ob es bei ihnen hauptamtliche Hygieneärzte und Fachpflegekräfte gibt.
Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery nannte Gröhes Pläne „ehrgeizig“. Dem Ganzen fehlten jedoch „tragfähige Vorschläge für eine solide Finanzierung“ – und ohne die blieben alle Ankündigungen „nur bloße Willenserklärung ohne Chance einer vernünftigen Umsetzung“.
Zudem müssten Bund und Länder mit mehr Geld für die Universitäten dafür sorgen, dass genügend Fachärzte für Hygiene, Umweltmedizin, Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie zur Verfügung stünden.
Rainer Woratschka