Immunität: Italien setzt Impfpflicht für Erstklässler durch
Ende Juli war die Maßnahme vom Parlament eingeführt worden. Sie gilt für zehn Krankheiten, darunter Masern, Mumps, Röteln und Windpocken - widerspenstigen Eltern drohen Geldstrafen.
Lange Schlangen bilden sich seit Tagen vor den unzähligen medizinischen Stützpunkten und staatlichen Ambulanzen, in denen italienische Eltern ihre Sprösslinge derzeit kostenlos impfen lassen können. Auch die eigens eingerichteten „grünen Nummern“, auf denen man sich vom Nationalen Gesundheitsdienst telefonisch über die Details der neuen Impfpflicht informieren lassen kann, laufen heiß. Die Geduld und die Nerven der Eltern und Kinder werden dabei nicht selten auf eine harte Probe gestellt: Die Behörden machen zum Teil widersprüchliche Angaben, während in einzelnen Ambulanzen wegen des Massenandrangs auch schon die Impfstoffe ausgegangen sind. Das bedeutet in der Praxis, dass man sich am nächsten Tag noch einmal für Stunden in die Schlange stellen kann
Die Impfpflicht war vom Parlament Ende Juli mit großer Mehrheit eingeführt worden. Sie gilt für zehn Krankheiten, darunter die klassischen Kinderkrankheiten Masern, Mumps, Röteln und Windpocken. Obligatorisch sind die Impfungen für Kinder von null bis sechs Jahren; 2017 müssen aber auch alle Kinder und Jugendlichen von sieben bis 16 Jahren, die noch nicht geimpft oder dank einer durchlaufenen Krankheit immunisiert sind, nachgeimpft werden. Zur Einführung einer Impfpflicht veranlasst sahen sich die Behörden durch eine Masernepidemie, an der seit Anfang dieses Jahres schon rund 4500 Personen erkrankt sind (2016 zählte man in Italien nur 826 Masern-Fälle). Drei Kinder sind an der Krankheit gestorben.
Widerspenstigen Eltern drohen Geldstrafen
Die Bestimmungen des Gesetzes sind rigoros: Eingeschrieben in die Kindergärten und Grundschulen wird nur noch, wer ein Impfzeugnis oder zumindest einen Impftermin vorlegen kann. Widerspenstigen Eltern drohen außerdem Geldbußen von bis zu 500 Euro. Im ursprünglichen Gesetzesentwurf war sogar der Entzug der elterlichen Gewalt vorgesehen gewesen für Eltern, die sich weigern, ihre Kinder impfen zu lassen – der Passus war erst nach massiven Protesten aus der Vorlage gestrichen worden.
Doch auch so war die parlamentarische Beratung von unzähligen Kundgebungen und Protestaktionen begleitet. Drei Parlamentarier des regierenden sozialdemokratischen Partito Democratico waren nach der Verabschiedung des Gesetzes gar tätlich angegriffen worden. An vorderster Front der Impfgegner stand die Protestbewegung von Beppe Grillo. Ein „Milliardengeschenk an die Pharmaindustrie“ nennt der Ex-Komiker aus Genua den Impfzwang. Damit würden „unsere Kinder als Versuchskaninchen missbraucht“, lautete der am meisten gehörte Slogan gegen die Impfpflicht. Neben Grillos Fünf-Sterne-Bewegung legte sich auch die rechtsradikale und separatistische Lega Nord gegen die Impfpflicht ins Zeug.
Im Hinblick auf die anstehenden Parlamentswahlen hat Grillo seine Rhetorik allerdings gemäßigt: Seine Protestbewegung soll „regierungsfähig“ wirken – und die bisherigen anti-wissenschaftlichen Verschwörungstheorien sind da eher kontraproduktiv.
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