Minderheit fühlt sich verraten: Israels Drusen protestieren gegen Nationalstaatsgesetz
In Israel ist der Widerstand gegen das neue Nationalstaatsgesetz groß. Vor allem Minderheiten wie die Drusen fühlen sich nun als Bürger zweiter Klasse.
Die Bemühungen des israelischen Premierministers, die aufgebrachten Drusen mit einem neuen Gesetzesvorschlag zu beschwichtigen, haben bisher offenkundig wenig genutzt. Die Drusen, eine Minderheit in Israel, sind nach wie vor fest entschlossen, am Sonnabend in Tel Aviv gegen das kürzlich verabschiedete Nationalstaatsgesetz zu demonstrieren.
Mit dabei sind drusische Abgeordnete, religiöse und kommunale Anführer, viele jüdischen Israelis und ehemalige hochrangige Mitarbeiter des Sicherheitsapparats wie der frühere Armeechef Gabi Ashkenazi, Tamir Pardo, einst Mossad-Direktor, und der frühere Inlandsgeheimdienstchef Yuval Diskin.
Sie alle sind gegen jenes umstrittene Gesetz, das Israel als Nationalstaat für das jüdische Volk definiert, Arabisch von einer Amtssprache zu einer Sprache mit besonderem Status degradiert und den Bau von jüdischen Ortschaften als nationales Ziel deklariert. Das Prinzip der Gleichheit fehlt in dem Gesetz. Vor allem Minderheiten fühlen sich nun als Bürger zweiter Klasse.
„Das ist das schlimmste Gesetz, das jemals in der 70-jährigen Geschichte Israels verabschiedet wurde“, schimpft der drusische Abgeordnete Saleh Saad vom Zionistischen Lager, der mit anderen Drusen zusammen eine Petition gegen das Gesetz beim Obersten Gerichtshof eingereicht hat. Saad ist richtig aufgebracht: „Zwölf Jahre habe ich in der Armee gedient, jetzt, nach Verabschiedung dieses Gesetzes, werde ich zu einem unbekannten Bürger dieses Staates, ohne Status.“
Der Protest richtet sich gegen Premier Netanjahu
Der Protest gegen das Gesetz kommt von allen Seiten. So forderten hunderte Schriftsteller, Intellektuelle und Künstler Benjamin Netanjahu in einer Petition auf, das Nationalstaatsgesetz zurückzunehmen. David Grossman, Amos Oz und Etgar Keret zählen zu den Unterzeichnern.
Ihre Kritik richtet sich vorrangig gegen den Premier persönlich. Während der Jahre Ihrer Herrschaft haben Sie ständig die Grundpfeiler unseres Staates beschädigt.“ In Tel Aviv kamen hunderte Israelis zusammen, um gemeinsam einige Worte Arabisch zu lernen. Außerdem hat ein arabischer Knesset-Abgeordneter des Zionistischen Lagers sein Mandat niedergelegt, einige Beduinen schlossen sich den Protesten an, drusische Abgeordnete und die linke Partei Meretz reichten jeweils eine Petition beim Obersten Gericht ein.
Inzwischen hat der Streit auch das Militär erreicht. Drei drusische Offiziere haben ihren Dienst bei den Streitkräften quittiert. Armeechef Gadi Eisenkot traf sich daraufhin mit dem spirituellen Anführer der Drusen, Scheich Muwafak Tarif. Eisenkot rief zudem seine Soldaten dazu auf, politische Debatte aus der Armee herauszuhalten.
Die Wut und Enttäuschung der Drusen trifft Netanjahus Regierung besonders hart. Keine andere Minderheit ist in Israel so gut integriert. Drusen, die weniger als zwei Prozent der Bevölkerung des Landes ausmachen, sind eine Volksgruppe und eine Religionsgemeinschaft, die sich im 11. Jahrhundert vom Islam abgespaltet hat und die Grundlagen ihres Glaubens geheim hält. Israel gegenüber ist die Mehrheit von ihnen loyal.
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Drusen fühlten sich bisher als Teil des Landes
Sie arbeiten als Abgeordnete in jüdisch-geprägten Parteien. Mehr als 80 Prozent aller drusischen Männer dienen in der Armee, sie singen die Nationalhymne und fühlten sich als Teil des Landes.
Ein Team im Büro von Netanjahu hat am Mittwoch einen Entwurf vorgelegt, wonach unter anderem der Status der Drusen gesetzlich verankert und deren Beitrag für Israel wertgeschätzt werden soll; religiöse, kulturelle und Bildungseinrichtungen sollen gefördert, drusische Orte gestärkt werden, Minderheiten jeglicher Glaubensrichtung sollen, sofern sie in der Armee dienen, Vorteile erhalten, um soziale Gleichheit zu erreichen.
Doch ganz zufrieden sind die Drusen noch nicht – das Nationalstaatsgesetz ist ihnen weiterhin ein Dorn im Auge. Sie kündigten denn auch an, weiter zu verhandeln und wie geplant am Sonnabend zu protestieren.