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„Unsere Sprache, unsere Hymne, unsere Flagge. Lang lebe der Staat Israel“, mit diesen Worten feierte Premier Netanjahu das neue Grundgesetz.
© Ahmad Gharabli/AFP

Israel: Gesetz definiert Israel als jüdischen Nationalstaat

Israels Parlament verabschiedet nach hitziger Debatte ein umstrittenes Gesetz. Kritiker warnen, die Araber könnten diskriminiert werden – und sehen die Demokratie in Gefahr.

Als nach mehrstündiger, hitziger Debatte bis spät in die Nacht das Abstimmungsergebnis feststand, sprangen einige der arabischen Abgeordneten der „Vereinigten Liste“ wütend auf und zerrissen Kopien jenes Gesetzes, dass die Knesset soeben verabschiedet hatte. 62 von 120 Abgeordneten stimmten für das Nationalstaatsgesetz, eine Art Präambel des Grundgesetzes, das Israel als Nationalstaat des jüdischen Volkes definiert. 55 stimmten dagegen. Ein „Apartheidsgesetz“, ein „rassistisches Gesetz“, schimpften arabische Abgeordnete, die das zerrissene Papier in die Luft warfen und daraufhin den Saal verlassen mussten.

Premierminister Benjamin Netanjahu hingegen triumphierte. „Das ist ein entscheidender Moment in der Geschichte des Zionismus und in der Geschichte des Staates Israel“, sagte er vor dem Plenum. „Heute hat man gesetzlich festgeschrieben: Das ist unser Land, unsere Sprache, unsere Hymne und unsere Flagge. Lang lebe der Staat Israel.“

Dabei geht es den vielen Kritikern nicht um die Festlegung dieser nationalen Symbole, sondern vorrangig um zwei andere Paragrafen. In einem heißt es, dass fortan nur noch Hebräisch Amtssprache ist, Arabisch genießt künftig lediglich einen „besonderen Status“. Das sei ein Schlag ins Gesicht der arabischen Bevölkerung, urteilt der Jurist Amir Fuchs, der das Programm zur Verteidigung demokratischer Werte am Demokratie-Institut in Jerusalem leitet. Schließlich ist für knapp ein Fünftel der Bewohner Israels Arabisch Muttersprache.

In einem anderen Abschnitt heißt es, der Staat sehe in der Entwicklung jüdischer Gemeinden einen nationalen Wert, wird diese also ausbauen und fördern. Es ist eine entschärfte Version des Gesetzes. Noch vor einigen Tagen stand dort, dass Menschen aufgrund ihrer Nationalität und Religion von bestimmten Gemeinden ausgeschlossen werden können.

Das löste allerdings heftige Kritik aus, selbst in rechten Kreisen. Auch Präsident Reuven Rivlin schaltete sich in die Debatte ein, warnte, das Gesetz könne dem jüdischen Volk, Juden in aller Welt und dem Staat Israel schaden und könnte von den Feinden als Waffe genutzt werden.

Demokratieexperte Amir Fuchs sieht jedoch auch die abgemilderte Version kritisch. „Das kann sehr leicht als Erlaubnis zur Diskriminierung interpretiert werden, um neue Dörfer nur für Juden zu errichten.“ Außerdem fehle das Prinzip der Gleichheit, das in der Unabhängigkeitserklärung noch genannt wurde.

„Man will den jüdischen Charakter des Landes stärken – und schwächt den demokratischen. Das heißt nicht, dass das sofort nach Verabschiedung des Gesetzes geschieht. Es hängt auch von der Interpretation des Obersten Gerichts ab. Aber es wird sich etwas verändern.“

Gegen das jetzt verabschiedete Gesetz könnte vor dem Obersten Gerichtshof zwar geklagt werden. Dass die Richter ein Grundrecht zurückweisen gelte allerdings als unwahrscheinlich. Denn das sei bislang noch nie passiert, sagt Fuchs. Israel, vor 70 Jahren gegründet. hat bis heute keine Verfassung, sondern Grundgesetze.

Freut sich über seinen hart errungenen Sieg im Parlament: Benjamin Netanjahu
Freut sich über seinen hart errungenen Sieg im Parlament: Benjamin Netanjahu
© Marc Israel Sellem/AFP

Vor gut sieben Jahren tauchte erstmals ein Entwurf für das Nationalstaatsgesetz auf. Es wurde dann immer wieder diskutiert und geändert. In der nun verabschiedeten Version wird Jerusalem als Hauptstadt des Staates Israel bestätigt, außerdem werden der hebräische Kalender als offizieller Kalender, der Unabhängigkeitstag sowie Gedenktage und jüdische Feiertage anerkannt.

Einer der stärksten Befürworter des Gesetzes, Avi Dichter vom konservativen Likud, sprach vor der Abstimmung von „Fake News“, die über den Entwurf verbreitet wurden. Die Kultur der Minderheiten würde nicht beschädigt. Die Opposition sieht das jedoch völlig anders.

Ihr Chef Jitzchak Herzog, der nach der Sommerpause nicht in die Knesset zurückkehren, sondern seinen neuen Posten als Chef der Jewish Agency antreten wird, zeigte sich „etwas traurig“ darüber, dass er seine letzte Rede vor diesem Hintergrund halte. „Ich hoffe sehr, dass die feine Balance zwischen einem jüdischen und einem demokratischen Staat nicht verletzt wird.“

Der arabische Abgeordnete Ayman Odeh schrieb nach der Abstimmung auf Twitter: „Trennung, Diskriminierung, Vorherrschaft und Rassismus sind nun im Gesetz verankert.“ Noch am Samstagabend marschierte Odeh zusammen mit anderen Politikern und tausenden Israelis durch die Straßen Tel Avivs, um unter dem Motto „Das ist das Zuhause von uns allen“ gegen das Gesetz zu protestieren.

Die Nichtregierungsorganisation Schalom Achschaw (Frieden jetzt) hatte die Kundgebung mit anderen Gruppen organisiert. Während der Knesset-Debatte am Mittwoch hatten Vertreter der NGO von den Zuschauerrängen aus eine schwarze Fahne gehisst und später auf Twitter erklärt, das Gesetz sei ein „schwarzer Fleck auf der Demokratie Israels“.

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