zum Hauptinhalt
Hugh Grant appelliert an die Wähler im Wahlkreis der Kandidatin Luciana Berger, nicht die Konservativen zu wählen. Foto: David Mirzoeff/dpa
© dpa

Wahlkampf in Großbritannien: Hugh Grant wirbt Johnson Wähler ab

Hugh Grant unterstützt Kandidaten, die den Sieg der Konservativen in Großbritannien verhindern können. Einer Parteilinie will der Filmstar nicht folgen – und hat Erfolg mit seiner Anti-Strategie.

Mit der Downing Street kennt Hugh Grant sich aus. In der romantischen Weihnachtskomödie „Tatsächlich... Liebe“ spielt er den englischen Premierminister. Nun will Grant Einfluss darauf nehmen, wer seinen Filmjob im realen Leben bekommt.

Dem lahmen Wahlkampf in Großbritannien verleiht der 59-Jährige, bekannt aus den Filmen „Notting Hill“ und „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ ein wenig Glamour und wirbt im ganzen Land für Stimmen. Es geht, daran lässt Grant keinen Zweifel, nicht um eine bestimmte Partei, sondern um die Anti-Brexit-Allianz: Wo immer eine Kandidatin oder ein Kandidat Chance hat, den Vertreter von Boris Johnsons Torys zu schlagen, ist der Schauspieler zur Stelle, nimmt an Kundgebungen teil, klopft an Haustüren.

Und so wirbt Grant in der westlichen Grafschaft Devon für die unabhängige Lokalpolitikerin Claire Wright, macht sich am Sonntag im Nord-Londoner Stadtteil Finchley für die frühere Labour-Frau und jetzige Libdem-Kandidatin Luciana Berger stark, schwört am Dienstag die Menschen in Beaconsfield auf den liberalen Ex-Tory Dominic Grieve ein und kämpft am Mittwoch um Stimmen für Labour-Frau Faiza Shaheen, die im Londoner Nordosten den Brexit-Haudegen Iain Duncan Smith verdrängen will. Besonders Grants Nahkampf mit den Wählern fasziniert die britischen Medien.

Ob das schwierig für ihn sei, die Leute daheim zu behelligen, wird Grant gefragt. Die Antwort fällt, je nach Standpunkt, fröhlich oder ein wenig selbstgefällig aus: „Ich habe früher mal Feuerlöscher an der Haustür verkauft. Da war ich sehr gut.“

Grant wehrt sich gegen Klatschblätter

Die britischen Medien und der gealterte Beau – das ist eine nicht immer konfliktfreie Konstellation. Als der Skandal um das illegale Abhören von Promi-Telefonaten und die damit verbundene Polizeikorruption aufflog, profilierte sich Grant als Sprecher der Betroffeneninitiative „Hacked Off“. Unter dem Druck der Aktivisten musste Medienzar Rupert Murdoch seine Klatschpostille "News of the World" schließen, der Schutz der Privatsphäre wurde verbessert.

Auch von Politikern hat der Schauspieler keine hohe Meinung, wie er im vergangenen Jahr anlässlich der Ausstrahlung des BBC-Dreiteilers „A very English scandal“ mitteilte. Darin spielte Grant den liberalen Politiker Jeremy Thorpe, der 1979 über ein Mordkomplott gegen seinen früheren Liebhaber stolperte.

Wehe also jenen, die den Wahlhelfer für ihre Partei vereinnahmen wollen. Die Liberaldemokraten zogen sich zu Wochenbeginn Grants Zorn zu, weil sie Bilder von seinem Auftritt mit Berger auf den sozialen Netzwerken verschickten mit dem Kommentar: „Nur mit uns ist der Brexit zu verhindern.“ Unsinn, antwortete Grant postwendend: Die dritte landesweite Partei habe die Anti-Brexit-Bewegung nicht gepachtet.

In jedem Wahlkreis wird neu gekämpft

Tatsächlich zerfällt das Land durch das Mehrheitswahlrecht in 650 Einzelschlachten: Jeder Wahlkreis wählt nur einen Abgeordneten, alle anderen Stimmen fallen unter den Tisch. Während auf Seiten der Austrittsbefürworter die Brexit-Partei in mehr als 300 Wahlkreisen für die Konservativen das Feld räumte, bleiben Labour und Liberaldemokraten in vielen Bezirken bittere Rivalen – eine der Ursachen, warum die Umfragen einen Sieg der Konservativen vorhersagen.

Immerhin haben die kleineren Parteien Absprachen getroffen, zogen Grüne, Libdems und die walisische Nationalpartei Plaid Cymru einige ihrer Kandidatinnen zurück. In Nordirland ruft die irisch-republikanische Sinn Féin in einem Wahlkreis sogar zur Stimmabgabe für Sylvia Hermon auf, deren verstorbener Mann einst die bei Republikanern verhasste nordirische Polizeitruppe RUC leitete.

Hauptsache, gegen Johnson

Prominente Brexit-Gegner wie Grant, die Geschäftsfrau Gina Miller oder Labours Ex-Spindoktor Alastair Campbell rufen unermüdlich zu taktischem Vorgehen auf und weisen auf die zahlreichen Websites hin. Dort lässt sich für jede Bezirk nachlesen, welche Frau oder welcher Mann die besten Erfolgschancen hat. Tatsächlich wollen Befragungen zufolge ein Drittel der Briten ihre Stimme nach taktischen Gesichtspunkten vergeben, also nicht die Partei ihrer Wahl ankreuzen.

„Hauptsache gegen Johnson“ – mit diesem Motto trifft Grant den Nerv jenes Teils der Bevölkerung, der noch immer die Hoffnung nicht aufgegeben hat, den Brexit doch noch verhindern zu können. Grant will zwar nicht selbst in die Politik, hat durch seine Rolle in „Tatsächlich... Liebe“ aber viele Absurditäten der aktuellen Politik vorweggenommen. Als Premierminister muss er etwa den Besuch eines arroganten und sexistischen US-Präsidenten erdulden. Johnson und seine Vorgängerin Theresa May haben die delikate Situation bereits erlebt. Eine Woche vor der Wahl spricht trotz Grants Bemühungen fast alles dafür, dass Johnson noch häufiger in die Verlegenheit kommt.

Zur Startseite