Prozess gegen Drogenboss: Harte Haftbedingungen für "El Chapo"
Zweimal konnte „El Chapo“ in Mexiko aus dem Gefängnis fliehen. In New York wird er während seines Prozesses unter strengsten Auflagen festgehalten.
Wall Street, World Trade Center, Brooklyn Bridge - der Südzipfel Manhattans gehört für Touristen zum Pflichtprogramm. Wenige ahnen, dass zwischen all diesen Sehenswürdigkeiten der mexikanische Drogenboss Joaquín „El Chapo“ Guzmán einsitzt. Im Hochsicherheitsgefängnis mit der Adresse 150 Park Row um die Ecke vom Rathaus sollen die mitunter härtesten Bedingungnen herrschen, die der amerikanische Strafvollzug so zu bieten hat. Von einem „Gulag“ spricht Politik-Professorin Jeanne Theoharis, die als Expertin für das sogenannte Metropolitan Correctional Center (MCC) gilt. Verdreckte und kalte Räume, kein Tageslicht und eine so strenge Isolierung der Gefangenen, dass selbst Gespräche durch die Wand bestraft werden - Theoharis zeichnet ein düsteres Bild. Bei den Verhältnissen denke man eigentlich, man befinde sich im Iran oder in Russland, sagt sie. Für den 61 Jahre alten Guzmán könnte es vorerst die Endstation sein.
Verantwortlich für den Tod tausender Menschen
Die Staatsanwaltschaft wirft Guzmán in 17 Anklagepunkten vor, für den Tod Tausender Menschen und den Schmuggel von tonnenweise Drogen wie Kokain, Heroin und Marihuana in die USA verantwortlich zu sein. Ein Freispruch wäre eine kleine Sensation. Am Mittwoch hat die Staatsanwaltschaft im Prozess gegen „El Chapo“ gefordert, den 61-Jährigen in allen Anklagepunkten zu verurteilen. „Hier sitzt er. Lassen Sie nicht zu, dass er sich seiner Verantwortung entzieht. Machen Sie ihn für seine Verbrechen verantwortlich. Sprechen Sie ihn in allen Punkten schuldig“, appellierte Staatsanwältin Andrea Goldbarg an die Geschworenen. Bei einer Verurteilung droht Guzmán lebenslange Haft. Die Todesstrafe ist nach einer Absprache zwischen Mexiko und den USA ausgeschlossen. Wie lange die zwölfköpfige Jury für das Urteil braucht und wann im Falle einer Verurteilung das Strafmaß verkündet wird, ist offen. Am Donnerstag stand das Schlussplädoyer der Verteidigung an.
Zeitungen erst, wenn sie 30 Tage alt sind
Wieder und wieder hatten Guzmáns Anwälte im Verfahren über die unmäßig harten Bedingungen für ihren Mandanten geklagt. Ihnen zufolge verbringt er 23 Stunden am Tag in einer 15 Quadratmeter großen, fensterlosen Zelle bei durchgehend eingeschaltetem Licht. Depressionen und Halluzinationen seien die Folge.„10 South“ heißt der Gebäudeabschnitt, wo in wenigen Zellen die Insassen untergebracht sind, die als am gefährlichsten eingestuft werden. Professorin Theoharis geht noch weiter: Häftlinge würden teils zwangsernährt und dürften Zeitungen erst sehen, wenn sie 30 Tage alt sind, sagt sie der Website „Gothamist“. Anwälte könnten mit Strafen belegt werden, wenn sie die Zustände im MCC beschreiben. Ein Sonderbeobachter der Vereinten Nationen zum Thema Folter kam zu dem Ergebnis, dass die Einzelhaft im MCC „den Vereinigten Staaten als zivilisierte Demokratie nicht angemessen“ sei. Die zuständige Gefängnisbehörde BOP bestätigt keines dieser Details.
Es gibt keine Informationen über das Gefängnis
Presse-Anfragen zu Bedingungen im MCC, Interviews oder einem Besuch vor Ort lehnt sie ab. Aber Ahmed Khalfan Ghailani, der im MCC und auf Guantánamo Bay einsaß, beschrieb die Zustände in der „New York Times“ 2017 als schlechter als in dem Gefangenenlager auf Kuba. „Ich habe bisher keinen Ort gesehen, der dem Menschsein im Bezug auf Körper, Geist, Psyche und Gefühle so sehr widerspricht“, sagte Anwalt Joshua Dratel, der fast ein Dutzend Häftlinge aus dem Abschnitt „10 South“ vertreten hat, der Website „Gothamist“. Im Buch „Hell is A Very Small Place“ beschreibt ein pakistanischer Ex-Häftling, dass Betten, Tische und Sitze in „10 South“ aus Beton gefertigt seien. Im Winter würden die Räume zu „Gefriertruhen“ und im Sommer zu „Öfen“.
820 Häftlinge sitzen ein
Eröffnet wurde das MCC im Jahr 1975. Derzeit sind in dem grauen Betonklotz gut 820 Häftlinge untergebracht. Unter anderem saß hier Ramsi Ahmet Jussef ein, Drahtzieher des Terroranschlags auf das World Trade Center im Jahr 1993, und der Mega-Betrüger Bernie Madoff, der mit einem Schneeball-System in Milliardenhöhe Tausende Anleger prellte. In Mexiko konnte Guzmán bereits zweimal aus dem Gefängnis ausbrechen - 2001 in einem Wäschekorb und 2015 durch einen Tunnel, den Komplizen unter seine Dusche gegraben hatten.
Montag bis Freitag bleibt er in Brooklyn
Dem „Houdini der Drogenbosse“, wie die „Los Angeles Times“ Guzmán betitelt, würde eine vergleichbare Aktion im MCC wohl nicht nochmal gelingen. „Es wird keinen Tunnel geben, der zum Badezimmer führt“, sagte Angel Melendez vom Heimatschutzministerium der Zeitung Anfang 2017. Dieser Tage ist Guzmán ohnehin von montags bis freitags in Brooklyn untergebracht, wo der Prozess gegen ihn läuft. Sollte er verurteilt und längere Zeit im MCC bleiben, gäbe es aber durchaus Vorlagen für einen Ausbruchsversuch: 1981 hatten eine Mann und eine Frau einen Hubschrauber entführt und einen Insassen fast vom Dach des Gefängnisses aufgepickt. 1990 seilten sich zwei Häftlinge mit einem Stromkabel aus einem Fenster im ersten Stock ab. Einer von ihnen - ein Kolumbianer - steht in den USA bis heute auf einer Liste der meist gesuchten flüchtigen Straftäter. (dpa)