Altena in NRW „so gut wie nicht erreichbar“: Feuerwehrmann ertrinkt bei Rettungsarbeiten nach Starkregen
Ausnahmezustände in vielen Regionen Deutschlands: In NRW stirbt ein Helfer, in Rheinland-Pfalz ruft ein Kreis den Katastrophenfall aus und schließt Schulen.
Vollgelaufene Keller, ein evakuiertes Seniorenheim, von Wassermassen eingeschlossene Autofahrer: Starkregen hat in einigen Regionen Deutschlands zu Ausnahmezuständen und zahlreichen Feuerwehreinsätzen geführt. Während sich die Lage an manchen Orten am Mittwoch zunächst beruhigte, war vor allem Nordrhein-Westfalen noch schwer betroffen.
NRW-Innenminister Herbert Reul sprach von einer „außerordentlich schwierigen Lage“ in einigen Regionen des Landes. „Die weitere Entwicklung ist derzeit nicht mit Sicherheit absehbar“, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Das Tief „Bernd“ soll nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) auch in den kommenden Tagen teils heftige Niederschläge in einige Regionen Deutschlands bringen.
In Altena im Sauerland (Nordrhein-Westfalen) kam ein Feuerwehrmann ums Leben. Das bestätigte ein Sprecher der Polizei im Märkischen Kreis am Mittwoch. Er sei bei dem tragischen Unfall ertrunken. Der WDR hatte zuvor berichtet.
In Altena haben die starken Regenfälle viele Schäden verursacht. Die Stadt war am Mittwoch „so gut wie nicht erreichbar“, teilte die Polizei mit.
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Der Kreis Vulkaneifel in Rheinland-Pfalz rief sogar den Katastrophenfall aus. „Die Lage ist sehr ernst, wir haben viele überschwemmte Straßen und Ortschaften, die nicht mehr erreichbar sind“, sagte Landrätin Julia Gieseking (SPD) am Mittwochabend in Daun. Die Schulen im Kreis sollen am Donnerstag geschlossen bleiben.
Die Stadt Düsseldorf forderte am Mittwoch wegen einer drohenden Überschwemmung die Anwohner im Stadtteil Grafenberg zum Verlassen ihrer Wohnungen auf. Besonders betroffen vom steigenden Hochwasser der Nördlichen Düssel seien etwa 350 Gebäude der Ostparksiedlung, teilte die Stadt am Mittwoch mit. Es wurde eine Betreuungsstelle für die Anwohner eingerichtet.
Im Starkregen stürzte am Mittwoch das Flachdach eines Einzelhandelsgeschäfts in einem Einkaufszentrum in Würselen bei Aachen ein. Eine verletzte Person habe sich selbst retten können, teilte die Stadt mit. „Vermutlich hat das Dach den Wassermassen (...) nicht standgehalten.“ Der Bereich sei mit Rettungshunden abgesucht worden, es wurden jedoch keine weiteren Menschen in dem Gebäude entdeckt.
In Erkrath (Nordrhein-Westfalen) hat die Stadt die Anwohner am Mittwochmorgen über die sozialen Medien angehalten, möglichst „kein weiteres Abwasser zu produzieren und möglichst nur noch die Toilette zu nutzen.“ Demnach sollen „Duschen, Waschen und die Nutzung der Spülmaschine“ unterlassen werden, „um die Situation nicht zu verschärfen.“ Aufgrund des anhaltenden starken Regenfalls seien die Abwasserkanäle stark überfüllt.
Ein Altenheim mit 76 Bewohnern in Hagen wurde wegen einströmender Wassermassen evakuiert. „Das Seniorenheim ist sehr stark betroffen und unbewohnbar geworden“, sagte ein Stadt-Sprecher. Eltern wurden gebeten, ihre Kinder nicht in die Kita zu schicken und auch die Ferienbetreuung an den Grundschulen nicht zu nutzen. Eine verschüttete Person sei leicht verletzt gerettet worden. Mehrere Fahrer seien aus ihren von Wassermassen eingeschlossenen Autos befreit worden. Es gab mindestens 200 Einsatzorte. Einige Ortsteile waren zum Teil nicht mehr zu erreichen. „Die Leute sind verzweifelt“, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Hagen.
Auch in anderen Teilen des Bundeslandes wurden Bäche zu reißenden Strömen. Es kam zu Erdrutschen, Straßen wurden überspült, Keller liefen voll, der Bahn- und Straßenverkehr war gestört. Eine Mitarbeiterin eines Seniorenheims in Mettmann nahe Düsseldorf wurde von einem umstürzenden Baum schwer verletzt und wäre beinahe ertrunken. Ein Helfer konnte den Kopf der Frau über Wasser halten, bis Feuerwehrleute die eingeklemmte Frau befreit hatten.
Die Feuerwehr in Köln meldete 180 unwetterbedingte Einsätze. In Düsseldorf rückte sie zu rund 330 Einsätzen aus. Auch die Tiefgarage des Rheinmetall-Konzerns war betroffen - dort stand das Wasser 40 Zentimeter hoch. Um Kunstwerke im Wert von rund fünf Millionen Euro in einer Galerie zu schützen, waren Feuerwehrleute stundenlang im Einsatz. In Erkrath nahe der Landeshauptstadt mussten etwa 100 Bewohner eine Unterkunft für Geflüchtete verlassen. An zahlreichen Flüssen in Nordrhein-Westfalen wurden Hochwasser-Warnwerte überschritten.
NRW-weit rund 3900 Einsatzkräfte unterwegs
Das Unwetter in NRW beeinträchtigte auch den Bahnverkehr am Mittwoch massiv. Im Tagesverlauf wurde auf zahlreichen Linien der Betrieb eingestellt. Die Strecken Köln-Koblenz waren auf beiden Seiten des Rheins nicht befahrbar. Auch auf der Strecke Köln-Aachen war kein Zugverkehr möglich. Am Abend stellte außerdem der vom Bahnunternehmen National Express betriebene RE6 zwischen Köln/Bonn Flughafen und Minden nach mehreren Unwetterschäden seinen Betrieb für den Rest des Tages ein.
ICE-Züge zwischen Frankfurt und Brüssel fuhren nur zwischen Frankfurt und Köln. Die Deutsche Bahn riet allen Bahnreisenden, den Bereich Nordrhein-Westfalen weiträumig zu umfahren. „Bitte verschieben Sie Reisen von und nach NRW nach Möglichkeit auf die kommenden Tage“, hieß es in einer Mitteilung.
Auf zahlreichen Autobahnen sorgten die starken Regenfälle für überflutete Fahrbahnen. Sperrungen und Staus waren die Folge. Am Abend wurde in Köln die A1 zwischen dem Kreuz Köln-West und Köln-Bocklemünd in beiden Fahrtrichtungen gesperrt. Grund war laut Autobahngesellschaft Rheinland ein überfluteter Tunnel, aus dem die Pumpen das Wasser nicht schnell genug abpumpen konnten. Überflutete Fahrbahnen oder Unwetterschäden meldete der WDR am Abend etwa auf den Autobahnen 43, 44, 59, 61 und 553. Gegen 22 Uhr staute sich der Verkehr landesweit auf insgesamt 60 Kilometern.
Nach Angaben Reuls haben NRW-weit rund 3900 Kräfte fast 2100 Einsätze bewältigt. „Viele von ihnen sind ehrenamtlich tätig und arbeiten gerade unermüdlich, um die Wassermassen zu bewältigen.“
Im sächsischen Erzgebirgskreis wurde ein 53-Jähriger von einer Sturzflut mitgerissen und bis Mittwochnachmittag immer noch vermisst. Der Mann hatte am Dienstagabend wegen des stark gestiegenen Pegels des Dorfbaches versucht, sein Grundstück vor den Wassermassen zu schützen. Dabei wurde er nach Angaben von Anwohnern mitgerissen. Die Suche gestalte sich wegen des hohen Wasserstandes des Steinbaches und der topographischen Gegebenheiten als schwierig, so die Polizei.
Bereits in der Nacht zum Montag soll in Baden-Württemberg ein 81 Jahre alter Mann bei Arbeiten an seinem Haus in den Fluss Jagst gestürzt sein, der nach starken Regenfällen Hochwasser führte. Auch er wurde am Mittwoch weiterhin vermisst.
Am späten Dienstagabend war im Landkreis Hof in Bayern wegen der Unwetter mit starken Regenfällen der Katastrophenfall ausgerufen worden. Am Mittwochmorgen wurde er nach einer Entspannung der Lage wieder aufgehoben. Mehr als 50 Feuerwehren mit knapp 1000 Leuten sowie 140 Angehörige des Technischen Hilfswerks (THW) waren im Dauereinsatz, um Wasser aus Kellern zu pumpen und Sandsäcke zu beschaffen. Straßen und Keller wurden überflutet, Bäume stürzten um, vereinzelt fiel der Strom aus.
Sonniger am Donnerstag im Norden und Osten
Auch in Thüringen gab es Dauerregen und länger anhaltenden Starkregen. Im Land wurden mehrere Straßen überschwemmt und Keller geflutet. In Baden-Württemberg führte anhaltender Regen zu Hochwasser an Rhein und Bodensee. Am Dienstagabend wurde die Schifffahrt bei Karlsruhe gesperrt. Der anhaltende Regen bereitete auch Städten und Gemeinden an Rhein und Mosel in Rheinland-Pfalz Sorgen.
Laut DWD-Prognosen lassen die Regenfälle am Donnerstag im Westen nach und ziehen vermehrt in den Südwesten und Süden. Allerdings seien die Wassermengen in der Fläche nicht mehr so ausgeprägt, wie sie am Mittwoch im Westen erwartet wurden. Unwetterartige Starkregenfälle könnten aber lokal nicht ausgeschlossen werden, hieß es. Freundlicher sieht es am Donnerstag dagegen im Norden und Osten aus, wo sich laut DWD häufiger die Sonne zeigt. (dpa)