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Nur an den Schornsteinen wird der Wasserspeicher zu erkennen sein.
© Illustration: Wasserbetriebe

Berlins Riesen-Regentonne: Wasserbetriebe bauen unterirdisches Auffangbecken gegen Schmutzwasser

Das Auffangbecken soll die Kanalisation bei Regen entlasten. Es soll gegen die Verdreckung der Flüsse und Seen helfen. Gelöst ist das Problem damit nicht.

Berlin bekommt eine „neue Riesen-Regentonne“ – sie soll unter der Chausseestraße in Mitte eingebuddelt werden und bei heftigen Wolkenbrüchen künftig die Kanalisation entlasten. Die Tonne ist Teil des „Stauraumprogramm“ der Berliner Wasserbetriebe zum Auffangen des Regens in der Stadt. Allerdings wird sie nicht alle Probleme lösen. Bei starkem Niederschlag werden die Kanäle auch weiter überlaufen – und die trübe Brühe aus Klospülungen und Straßendreck ungefiltert in die Gewässer abließen. Anders geht’s nicht, sagen die firmeneigene Spezialisten. Wirklich nicht?

Die gute Nachricht ist: Es wird viel unternommen im Kampf gegen den den Kot. 16 750 Kubikmeter Wasser wird Berlins neuste Regentonne fassen, das ist mehr als doppelt so viel wie die bestehende am Mauerpark, sagte der Vorstand der Wasserbetriebe Jörg Simon. Er und ein Dutzend Experten des Unternehmens haben am Mittwoch die Chausseestraße aufgesucht, wo die Bagger graben und der „Schlitzwandgreifer“ den Beton bearbeitet. Mit der neuen Tonne können in Berlin ab 2025 rund 300 000 Kubikmeter Wasser aufgefangen werden und kontrolliert an die Klärwerke abfließen.

Der neue 44 Millionen Euro teure „Abwasserparkplatz“ entsteht hinter dem Pumpwerk der Firma und neben der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes. Sonderlich kompliziert ist das Bauwerk nicht. Es besteht aus einem kreisrund geformten Becken, in das überschüssiges Wasser einfließt sowie aus einer Pumpe, die den Speicher wieder leert, sobald die Kanalisation nicht mehr überlastet ist.

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Zu sehen ist der Speicher nicht, wenn das Bauwerk vollendet ist. Es liegt unter der Erde am Ufer der Süd-Panke, die dort verläuft. Erkennbar ist der Wasserparkplatz dennoch an einem 30 Meter in die Höhe ragender „Schornstein“. Aus diesem entweicht die Luft aus dem Speicher, wenn das Wasser bei einem Starkregen einfließt. Diese Flutung ist binnen 30 Minuten abgeschlossen. Ohne den Luftauslass würde der Kessel bersten.

Der große Aufwand und die hohen Kosten, die sich Land Berlin und die Berliner Wasserbetriebe im Verhältnis 60 zur 40 teilen, sind dringend geboten. Denn mehr als 3,8 Millionen Kubikmeter „Mischwasser“ mit dem Abfluss aus Haushalten und Gaststätten gelangten ungefiltert und ungeklärt im Jahr 2019 in die Berliner Gewässer. Dies ist Antworten der Senatsverwaltung für Umwelt auf eine parlamentarische Anfrage zu entnehmen. In Berlin gibt es demnach „181 Einleitbauwerke der Mischwasserkanalisation in die Gewässer“ – also Orte, wo das ungeklärtes, ungefiltertes Schmutzwasser in Flüsse und Seen gelangt.

Belasteter Landwehrkanal

Das „Mischwasser“ belastet beispielsweise den Landwehrkanal so stark, dass das „Belüftungsschiff Rudolf Kloos“ eingesetzt werden muss, um ein Fischsterben zu verhindern. Das Schiff pumpt Sauerstoff in das Gewässer. Die „Einleitungen“ werden als „maßgebliche Ursache“ genannt dafür, dass der Landwehrkanal zeitweilig fast kippt – das würde bedeutet: starkes Algenwachstum, trübes Wasser, unangenehmer Geruch, tote Fische.

Um die regelmäßige Verschmutzung von Berlins Gewässer jedenfalls einzudämmen, haben die Wasserbetriebe neben den Bau der gigantischen Regentonnen eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen: Sie haben „Becken, Stauraumkanäle, Stauwehren“ gebaut sowie „Überlaufschwellen“ erhöht. Simon sieht darin auch Kompensationsmaßnahmen „gegen Klimawandel und Stadtwachstum“.

"Stauraumprogramm" endet

Die Anstrengungen sollen auch nicht enden mit dem Abschluss des „Stauraumprogramms“. Die Wasserbetriebe arbeiten mit der Regenwasser-Agentur zusammen, um „Entlastungsflächen“ zu identifizieren, wo das überschüssige Wasser versickern kann. Dieses „dezentrale Regenwasser-Management“ soll auch das Grundwasser-Reservoir der Stadt wieder auffüllen. Immerhin fehlt es nicht an Wasser in Berlin. „Das Wasser reicht auch im vierten Jahr mit heißen Sommertagen in Folge“, sagte der Sprecher der Wasserbetriebe, Stefan Natz. Besorgte Bürger hatten bereits in den vergangenen Tagen bei den Wasserbetrieben angerufen.

Umweltexperte: Andere Regionen machen es besser

Der Diplom-Ingenieur und Umweltexperte Ralf Steeg sagt: „Die Wasserbetriebe könnten innerhalb von wenigen Jahren die Schmutzwasser-Einleitungen auf nahezu Null reduzieren.“ Anderen dicht besiedelte Gebieten wie der Emscher Genossenschaft Region sei dies auch gelungen.

Um den Überlauf aus den Mischkanälen auf ein bis zwei extreme Starkregen-Ereignisse pro Jahr zu reduzieren, sei ein Bündel von Maßnahmen erforderlich. Denkbar sei es Wasser-Silos über den Parkplätzen von Discountern aufzustellen, Speicher auf öffentlichen und kommunalen Grundstücken sowie an den Stellen mit „Regenüberläufen“, also dort wo das verdreckte Mischwasser bisher ungeklärt in ein Berliner Gewässer abfließt, Speicher aufzubauen.

Zudem könne Wasser auf Flachdächern aufgefangen werden. Auch könnten die Regenrinnen der Häuser, die direkt an den Kanälen und Flüssen gebaut sind, den Niederschlag direkt in die Gewässer abgeben. So würde sich das recht saubere Regenwasser nicht mit dem Schmutzwasser aus Haushalten mischen.

Dies sei zudem eine Maßnahme, um die Kanalisation zu entlasten. Kurzum, es müsse ein ambitioniertes Programm entwickelt werden, meint Steeg, aber bisher fließe Feinstaub, Mikroplastik, Ölreste, Hundekot sowie „alles, was in Haushalten so ins Klo geschüttet wird“ ungefiltert in die Berliner Gewässer.

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