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Forscher fahren im Polarmeer mit einem Boot durch die bizarre Landschaft bei Ny-Ålesund auf Spitzbergen (Norwegen). Im Hintergrund die Kongsfjord-Gletscherfront.
© Jens Büttner/dpa

Schatzkammer Arktis: Eisiges Klima unter den Anrainern

Beim Treffen des Arktischen Rates am Ende der Woche soll es um die Bodenschätze in der Region gehen. Überschattet wird die Konferenz der acht Staaten von den Auswirkungen der Ukraine-Krise.

Vom Frühling ist in Iqaluit, der Hauptstadt des kanadischen Arktisterritoriums Nunavut, Mitte April noch nichts zu spüren. Die Sonne scheint, aber der Wind treibt den Schnee vor sich her. Minus 22 Grad zeigt das Thermometer an, mit dem eisigen Wind liegt die „gefühlte Temperatur“ bei minus 42 Grad.

Hier, im nordkanadischen Iqaluit, wollen am kommenden Freitag und Samstag die Außenminister des Arktischen Rates, dem die acht Arktisstaaten USA, Kanada, Russland, Norwegen, Dänemark-Grönland, Finnland, Schweden und Island angehören, unter anderem über Umweltschutz und Bodenschätze in der Nordpolregion beraten. Auch in dem Konferenzraum dürfte das Klima kühl sein – nicht allein weil der Streit zwischen dem Westen und Russland wegen der Ukraine- Krise das Treffen überschatten könnte. Vielmehr auch deshalb, weil Russland vorgeworfen wird, die rohstoffreiche Arktis zu militarisieren. Moskau weist diese Vorwürfe harsch zurück. Doch die Verlockung, in die eisige Schatzkammer Arktis zu greifen, ist groß.

Politiker, Fachleute und Unternehmer interessieren sich vor allem für die Frage, wann die Rohstoffpreise und das Investitionsklima wieder so gut sind, dass Erkundung und Erschließung der Rohstoffvorkommen der Arktis wieder lohnen. Erste Anzeichen des Aufschwungs sind zu erkennen: Die Ausgaben für die Rohstoffsuche ziehen nach dem Tiefpunkt 2014 in diesem Jahr offenbar wieder an, sind aber noch weit von den Investitionen vor vier oder fünf Jahren entfernt. Der Aufstieg ist mühsam.

Bei der oft beschriebenen „Jagd auf die Bodenschätze der Arktis“ wurde eine Verschnaufpause eingelegt. Der Rückgang der Rohstoffpreise, vor allem des Ölpreises, lässt Unternehmen kostspielige und risikoreiche Projekte überdenken. Ölsuche und –förderung und der klassische Bergbau sind in der Arktis wegen des harschen Klimas, der sensiblen Umwelt und der mangelhaften Infrastruktur ein teures Unternehmen. Kleine Erkundungsunternehmen haben Probleme, am Finanzmarkt ihre Projekte zu finanzieren.

Das arktische Festland verfügt über Rohstoffvorkommen von Seltenen Erden über Diamanten bis zu Metallen für die Schwerindustrie. Dazu zählen Eisenerzlager wie die bei Kiruna in Schweden oder Mary River in Nord-Kanada, Vorkommen von Nickel oder Platingruppenmetallen in der Region Norilsk und auf der Kola-Halbinsel oder von Zink, Blei und Silber in der Red Dog-Mine in Alaska. An Alaskas Eismeerküste, vor Norwegen und jetzt auch im sibirischen Teil des Eismeers, im Prirazlomnoye-Feld, wird Öl gefördert.

Experten mahnen: Rechte der indigenen Bevölkerung achten

Die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) stellt in Studien fest, die Arktis verfüge „auch im Weltmaßstab über bedeutende Rohstoffvorkommen mit einer breiten Palette an Hochtechnologie- und Basismetallen und Industriemineralen“. Die BGR warnt aber vor zu großen Erwartungen. Die Rohstoffgewinnung in der Arktis werde „in absehbarer Zukunft eher die Ausnahme und nicht die Regel sein“. Die BGR verweist auf die klimatischen Herausforderungen und die ökologischen Risiken, und mahnt die Achtung der Rechte der indigenen Bevölkerung an.

Der Absturz des Ölpreises veranlasst die Mineralölkonzerne, ihre Budgets zu überprüfen. Überraschend legte Chevron Pläne, in der kanadischen Beaufort-See nach Öl zu suchen, „auf unbestimmte Zeit“ auf Eis. ConocoPhillips und Husky Energy verzichten 2015 auf Probebohrungen im Tal des Mackenzie-Flusses in den Nordwest-Territorien. Royal Dutch Shell hält trotz der von Greenpeace angeführten Proteste von Umweltschützern an Plänen für Ölbohrungen in der Tschuktschen-See fest, ob 2015 die Erkundung fortgesetzt wird, ist aber unklar.

„Einige Unternehmen haben ihre Vorhaben zurückgestellt. Ob sich das ändert, wird davon abhängen, wie in einem Jahr der Ölpreis ist“, meint Paul Barnes vom Verband der Petroleumproduzenten Kanadas. Entscheidend ist auch, wie ihr Portfolio aussieht. „Sie könnten weniger riskante Projekte vorziehen und die kostspieligeren im Norden verschieben.“ So hatte in den Baffin-Bucht zwischen Kanada und Grönland die schottische Cairn Energy vor drei Jahren mit viel Hoffnungen nach Öl und Gas gesucht und mehrere Bohrungen vorgenommen. Nun werden Kapitalausgaben in „Hochrisiko“-Gebieten zurückgefahren. 2015 soll die Ölsuche im Atlantik vor Senegal Vorrang haben.

Das rohstoffreiche Grönland spürt das Auf und Ab der Märkte. Gegenwärtig gibt es hier keine fördernde Mine, in diesem Jahr soll aber eine Rubin-Mine ihre Förderung aufnehmen. Mehrere Minen „schlafen“ und warten darauf, dass die Preise für Molybdän, Zink, Blei und Eisen anziehen.

Zum Ölpreisschock kommen politische Unsicherheiten. Die Ukraine-Krise und die westlichen Sanktionen gegen Russland zeigen konkrete Folgen. ExxonMobil stoppte die 2011 vereinbarte Partnerschaft mit dem russischen Ölförderer Rosneft zur Erschließung des Kontinentalschelfs in der ölreichen Kara-See. Exxon wollte 3,2 Milliarden US-Dollar investieren. Die Ukraine-Krise belastet auch die Zusammenarbeit im Arktischen Rat. Der Ton wird rauer, insbesondere wenn es um das Recht geht, den Meeresboden des Kontinentalschelfs über die 200-Seemeilen-Zone hinaus für die Förderung von Öl, Gas und eventuell auch Mineralien nutzen zu können.

Die meisten Rohstoffe liegen innerhalb der Hoheitsgebiete der Küstenstaaten

Nach einer Studie des Geologischen Dienstes der USA könnten nördlich des Polarkreises 13 Prozent der unentdeckten, technisch abbaubaren Ölvorkommen und 30 Prozent der unentdeckten Erdgasvorkommen liegen. Der überwiegende Teil liegt nach jetzigen Kenntnissen in der 200-Seemeilenzone und damit in weitgehend unumstrittenen Hoheitsgebieten der Küstenstaaten. Über Rohstoffe außerhalb dieser Zone gibt es wenig oder keine Informationen.

Aber allein die vage Aussicht auf Reichtum lässt die Anrainer begehrlich auf den Meeresboden und den Nordpol blicken. Kurz vor Weihnachten hatte Dänemark mit Grönland Anspruch auf 895000 Quadratkilometer des Bodens des Arktischen Ozeans erhoben und ist weit über den Nordpol hinaus in ein Gebiet vorgedrungen, das Russland für sich reklamiert. Auch Russland und Kanada wollen den Nordpol für sich beanspruchen und bereiten ihre Anträge bei der zuständigen Kommission der Vereinten Nationen vor. Auch das birgt Konfliktpotenzial.

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