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Im Hafen von Murmansk.
© Imago

Russlands neue Militärstrategie: Kalter Krieg auf Treibeis

Wladimir Putin verpasst Russland eine neue Militärdoktrin, die auch eine Reaktion auf die Beschlüsse des Nato-Gipfels in Wales sein soll: Der Kreml lässt auch weit vor den Küsten Ostsibiriens die Muskeln spielen.

Ein U-Boot-Jäger, zwei Landungsschiffe, ein Tanker und ein Rettungsschlepper der russischen Nordmeerflotte pflügen durch die Barentssee. Über ihnen kreisen Helikopter und Marineflieger. Dazu stehen auf der östlich davon gelegenen Karasee Eisbrecher bereit. Ziel dieser schwer bewaffneten Konvois sind die Neusibirischen Inseln – eine unbewohnte Mondlandschaft weit vor den Küsten Ostsibiriens. Dort will die russische Kriegsmarine noch in diesem Jahr einen ständig besetzten taktischen Stützpunkt in Betrieb nehmen. Ein Voraustrupp stampft bereits die dazu nötige Infrastruktur aus dem Boden. „Wir sind gekommen, um für immer zu bleiben,“ tönte Vizeverteidigungsminister Arkadi Bachin, als im Oktober 2013 auf Kotelny, der südlichsten der Neusibirischen Inseln, die vor über 20 Jahren gelöschten Positionslichter der Start- und Landebahn auf dem Militärflugplatz Temp wieder aufflammten. Auch auf Franz-Josef-Land, wo Moskau zu Zeiten des Kalten Krieges seine Langstreckenbomber stationiert hatte, soll es bald so weit sein. Ebenso in der 350-Seelen-Gemeinde Amderma an der Karasee. Dort ist ein Stützpunkt geplant, wo Armee, Grenz- und Zivilschutz bei der Kontrolle des westlichen Teils der Nordostpassage zusammenwirken sollen. Sie ist mit rund 6000 Kilometern Länge der kürzeste Weg von Europa nach Fernost und wegen des Klimawandels inzwischen fast ganzjährig befahrbar.

Vor allem aber: Im Eismeer lagert rund ein Viertel der weltweit erkundeten Öl- und Gasreserven mit einem Gesamtwert von mindestens 30 Billionen US-Dollar. Die Erderwärmung macht Erschließung und Förderung zunehmend realistischer und rentabler. Sogar nichtarktische Staaten wie China wollen daher beim Teilen des Kuchens mitmischen. Auch die Rivalitäten der eigentlichen Anrainer eskalieren kontinuierlich. Russland, die USA, Kanada und auch die Nato hielten in der Region bereits große Manöver ab. Der Konflikt wurde durch die Ukraine-Krise weiter verschärft. So setzte die russische Armee im April erstmals Fallschirmjäger auf dem Treibeis des Nordpolarmeeres ab. Fast zeitgleich kündigte Wladimir Putin sogar eine neue Sicherheitsstrategie für russische Arktis-Gebiete an. Sie soll Teilstück der neuen russischen Militär-Doktrin werden, die zu Jahresende in Kraft treten und das Vordringen der militärischen Infrastruktur der Nato bis an die Grenzen Russlands, darunter im Eismeer, ebenso berücksichtigen soll wie die Beschlüsse des Nato-Gipfels in Wales vergangene Woche.

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