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Dieser Fluss in der Hauptstadt der Philippinen, Manila, ist unter der Plastiklawine nicht mehr zu sehen. Aus Flüssen wie diesem gelangt der Plastikmüll in die Ozeane.
© Noel Clis/AFP

Umweltschutz: Ein Ozean aus Plastik

Im Juni findet der erste Ozeangipfel der Vereinten Nationen in New York statt. Der Plastikmüll, der vom Land in die Meere gespült und geweht wird, soll dabei auch eine Rolle spielen.

Per Thöresson liebt das Meer. Er schwärmt von der Westküste Schwedens. Und dann erzählt der schwedische Botschafter in Berlin, wie der schöne Strand sich bei bestimmten Wetterlagen mit Plastikresten füllt. „Plastik, so weit das Auge reicht“, erzählt er bei einem Abendessen, zu dem er vor wenigen Tagen den Erdsystemforscher Johan Rockström vom Stockholm Resilience Center eingeladen hat. Thöresson hofft, dass beim Meeres-Gipfel in New York Anfang Juni, bei dem es um alle Probleme gehen soll, die die Ozeane gefährden, auch über Lösungen gegen die Plastikflut gesprochen wird.

Was alles den Ozeanen zusetzt, darüber gab Rockström einen knappen Überblick. Dass die Fischbestände aller Meere übernutzt oder zusammengebrochen sind, ist für die Ernähungssicherheit von Millionen Menschen das größte Problem. Sollte das Pariser Klimaabkommen trotz der amerikanischen Absetzbewegungen erfolgreich sein, und die globale Erhitzung unter deutlich zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung halten, wäre das für die tropischen Korallenriffe bereits zu viel. Die aktuelle dramatische Korallenbleiche ist zwar durch den starken El Niño der vergangenen zwei Jahre beschleunigt worden. Doch an vielen Orten ist die Ozeantemperatur bereits um mehr als ein Grad gestiegen. Ein Grad Erhitzung gilt für die Korallenriffe als kritische Grenze. „Von den Korallenriffen hängen rund 500 Millionen Menschen wirtschaftlich ab“, sagt Rockström.

Ozeane als Klimaanlage der Erde

Die Ozeane sind die große Klimaanlage der Welt. Ein Großteil der Hitze, die durch den dramatischen Anstieg des Kohlendioxids (CO2) in der Atmosphäre entsteht, wird von den Meeren aufgenommen. Rockström sagt, würden die Ozeane auf einen Schlag diese Hitze an die Atmosphäre abgeben – „was sie nicht tun werden“ – dann „würden wir nicht von ein einhalb oder zwei Grad reden sondern von 36“. Er will damit vor allem klarmachen, wie wichtig gesunde Ozeane für die Welt sind. Das CO2 versauert die Meere aber auch. Und das zerstört „das Fundament der Nahrungskette der Meere“, nämlich den Kalk, den Korallen, Muscheln oder Krebse bilden. „Allein das sollte uns Grund genug sein, den Treibhausgasausstoß schnell zu senken“, sagt Johan Rockström.

Dazu kommen dann aber aber all die Abfälle, die die menschlichen Zivilisationen in den Ozeanen abladen. Die Präsidentin der Inselnation Mauritius im Indischen Ozean, Ameenah Gurib-Fakim, sagte dem „Inter Press Service“ in einem Interview vor wenigen Tagen: „Wir haben angenommen, dass die Ozeane eine große Müllkippe sind. Aber das dürfen sie nicht sein.“ Neben den chemischen Abfällen, den Pestiziden, die selbst im Fett der Eisbären nachzuweisen sind, der Überdüngung oder den Nuklearabfällen, die über die Zeit in den Ozeanen gelandet sind, ist Plastik das wohl größte Problem.

Die Deutschen halten Plastik im Meer für das größte Umweltproblem

Beim Problembewusstsein liegt das Plastikthema ganz weit vorn. Die Deutschen halten Plastik in den Weltmeeren sogar für das „größte aktuelle Umweltproblem“. Das hat die gerade erst veröffentlichte Umweltbewusstseinsstudie ergeben. Zwischen fünf und 13 Millionen Tonnen Plastikmüll landen jedes Jahr in den Meeren der Welt. Diese Kalkulation stammt von der amerikanischen Meeresforscherin Jenna Jambeck. Vor zwei Jahren veröffentlichte sie gemeinsam mit einem Forscherteam in der Fachzeitschrift Science eine Untersuchung, die das Problem umfassend beschreibt. Jambeck stellte fest, dass das Problem an Land entsteht. Rund 80 Prozent der Abfälle werden vom Land über Flüsse oder auch über den Wind in die Meere getrieben. Auch in den Flüssen und Binnenseen gibt es inzwischen hohe Plastikanteile. Im Meer zerfällt das Plastik unter der Einwirkung der Strömungen, des Salzwassers und der Sonne in kleine Partikel, die für bis zu 500 Jahre aber nicht verschwinden. Die kleinen Plastikpartikel werden von Fischen oder Vögeln mit Nahrung verwechselt. Selbst auf der  norwegischen Inselgruppe Swalbard jenseits des Polarkreises, zu der auch Spitzbergen gehört, finden sich in den Mägen der verendeten Sturmvögel Plastikbälle. Die Vögel  sind mit vollem Magen verhungert.

Ein Plastikabkommen gegen die Müllflut

Um das Problem zu lösen, „muss der Müll an Land so behandelt werden, dass er gar nicht erst ins Meer gespült wird, sagt Nils Simon vom Berliner Thinktank Adelphi. Gemeinsam mit seiner Kollegin Maro Luisa Schulte hat er für die grün- nahe Heinrich-Böll-Stiftung eine Studie vorgelegt, die beschreibt, was nötig wäre, um mit einem internationalen Umweltvertrag das Plastikproblem in den Griff zu bekommen. Die bestehenden Verträge, etwa der über das Verbot auf hoher See Müll abzuladen (London Konvention) oder das Abkommen über gefährliche Abfälle (Basel-Abkommen) umfassen das Thema noch nicht.

Jenna Jambeck hatte in ihrer Studie eine Hitliste der 20 größten Problemstaaten aufgelistet. Sie wird angeführt von China, das für etwa 3,5 Millionen Tonnen Plastikmüll im Jahr in den Ozeanen verantwortlich ist, und schließt auf Platz 20 mit den USA, die  rund 110 000 Tonnen Plastikmüll in die Ozeane entlassen. Ziemlich viel für ein Land mit funktionierender Müllabfuhr und Recycling.  

Nils Simon plädiert in seiner Studie deshalb für ein Plastik-Abkommen. Denn würden die Plastikproduzenten der Welt nur einen minimalen Betrag pro Tonne erzeugtem Plastik in einen Fonds einzahlen, könnten in armen Ländern, vor allem den Inselstaaten, von wo aus viel Plastikmüll ins Meer gelangt, eine  Entsorgungsstruktur aufbauen. Helge Wendenburg, Abteilungsleiter für Wasser und Ressourcenschutz im Umweltministerium, plädiert dagegen für eine umfassende Produktverantwortung der Hersteller. Im Ergebnis wollen aber beide, dass wer Plastik in Umlauf bringt, auch für die Entsorgung des Produktes verantwortlich sein soll, das am Ende übrig bleibt. Seine Chefin Barbara Hendricks bezweifelt, dass so ein Umweltvertrag schnell ausgehandelt werden kann. Aber sie ist stolz darauf, dass Deutschland das Thema im Rahmen der aktuellen G-20-Präsidentschaft aufgegriffen hat. Kurz vor dem G-20-Gipfel trifft sich in New York der Ozean-Gipfel, von dem Per Thöresson sich auch auf die Plastikfrage eine Antwort erhofft.

Junge Ingenieure denken über das Aufräumen nach

Derweil machen sich junge Ingenieure wie der inzwischen 22-jährige Boyan Slat  oder die 24-jährige Architektin Marcella Hansch mit Apparaturen zur Reinigung der Ozeane Gedanken, wie die Plastikpartikel womöglich wieder aus den Meeren herausgeholt werden können. Boyan Slat hat mit Hilfe einer Machbarkeitsstudie und einem Prototypen, den er im vergangenen Jahr in der Nordsee getestet hat, schon erste Erfahrungen mit Crowdfunding-Kampagnen gemacht. Praktisch erweist sich das Projekt allerdings als schwierigiger, als er zunächst gehofft hatte. Marcella Hansch hat mit ihrem kühnen, aber noch weit von der Verwirklichung entfernten, Entwurf zumindest schon einmal die Jury des Öko-Design-Preises überzeugt.

Kleidung aus Meeresmüll

Ein kleiner Beitrag zur Problemlösung steht in der schwedischen Residenz in Berlin. Ein Abendkleid des  Bekleidungsherstellers H&M, das aus PET-Flaschen hergestellt worden ist. Und seit einigen Wochen hat  Adidas einen Laufschuh im Angebot, der teilweise aus Plastik gemacht ist, das  Fischer rund um die Malediven aus dem Meer gezogen haben. Das Thema hat Konjunktur.

Dagmar Dehmer

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