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Neue Berliner Sterne-Köche: Michael Schulz, Björn Swanson (2. von links), Maximilian Strohe und Stephan Hentschel (rechts)..
© www.breuel-bild.de
Update

Michelin: Drei neue Sterne für Berlin

In Babelsberg kürt der „Guide Michelin“ mit einer großen Feier Deutschlands Spitzenköche. Berlin kam dabei mittelgut weg.

Krise der deutschen Spitzengastronomie? Sicher nicht, wenn es nach dem „Guide Michelin“ geht, dem wohl nach wie vor wichtigsten Restaurantführer. Denn zur Vorstellung der Ausgabe 2018 am Dienstagabend hatte sich der Karlsruher Verlag allen Ernstes die Metropolis- Halle in Babelsberg ausgesucht – in der Absicht, eine Art Oscar-Verleihung mit notorischen Galabewohnern wie Jimi Blue Ochsenknecht zu inszenieren. Vielen älteren Köchen ist das noch immer suspekt, denn bis vor knapp zehn Jahren verschickte Michelin einfach zum Termin eine lakonische Pressemitteilung.

Michael Ellis, der internationale Chef des „Guide Michelin“, sprach am Dienstag in Babelsberg sogar von einem „fantastischen Jahr für Deutschland“ – die Zahl der ausgezeichneten Restaurants stieg auf exakt 300. Elf davon werden mit drei Sternen ausgezeichnet, zum ersten Mal Jan Hartwig vom „Atelier“ in München. Die neuen Zwei–Sterner bundesweit: Keilings in Bad Bentheim, Schwarzenstein in Geisenheim, „Le Cerf“ in Friedrichsruhe und Courtier in Weissenhaus (von uns gerade in „Von Tisch zu Tisch“ gelobt).

Berlin und Brandenburg kamen vergleichsweise nicht ganz so reich beschenkt davon: Drei neue Sterne gehen nach Berlin, nämlich für Björn Swanson („Golvet“), Stephan Hentschel („Cookies Cream“) und Max Strohe vom „Tulus Lotrek“. Das war erwartet (Golvet) und zag erhofft worden (Tulus Lotrek), aber das „Cookies Cream“, das nun das erste vegetarische Restaurant in Deutschland mit einem Stern ist, hatte absolut niemand auf dem Zettel. Denn es hat gerade seinen zehnten Geburtstag gefeiert und war bislang trotz konstanter Küchenleistungen im Michelin nicht einmal erwähnt worden. „Da müssen wir jetzt gleich noch mal feiern“, sagte Hentschel. Brandenburg: Auch René Klages („17fuffzig“, Hotel zur Bleiche“ in Burg/Spreewald) schaffte den großen Sprung zum Stern. Neue Zwei- oder Drei-Sterne-Restaurants gab es allerdings weder in Berlin noch in Brandenburg, gestrichen wurde das „Kochzimmer“ in Beelitz, das soeben nach Potsdam umgezogen ist.

Junge Generation

Der Rummel um die Sterne reflektiert einerseits das gewachsene Interesse an der Spitzengastronomie und die immer noch zunehmende Popularität prominenter Köche. Andererseits ist es wohl auch als Gegengift zu verstehen gegen Unkenrufe, die das Ende der feinen Küche und der edlen Restaurants prognostizieren, weil angeblich immer mehr Köche ihre Sterne „zurückgeben“ wollen, was in der Praxis auf eine Änderung des Küchenkonzepts hinausläuft. Solche Fälle hat es gegeben, der am meisten beachtete in jüngster Zeit war der des Drei-Sterne-Kochs Sébastien Bras in Frankreich; Bras sagte, er wolle sich dem enormen Druck und den ständigen Überprüfungen nicht mehr aussetzen. So argumentiert auch manch deutscher Koch – in der Regel ist der Grund aber eher in betriebswirtschaftlichen oder persönlichen Problemen zu suchen, oder weil es keine guten Kellner mehr gibt. Der „Fluch der Sterne“ wird vor allem in Deutschland beschworen, weil hier die traditionell genussfeindliche Grundstimmung das Aufbauschen solcher Einzelfälle befördert.

Wie ist die Lage tatsächlich? Trotz aller Personalprobleme, die den gastronomischen Service noch mehr als die Küche betreffen, gibt es eine junge Generation gut ausgebildeter Köche, die darauf brennen, eine Chefstelle anzutreten und mit ihrem Können das große Ziel anzupeilen, eben den Stern oder die Auszeichnungen anderer Führer wie „Gault & Millau“, „Feinschmecker“ oder „Gusto“. Der „Michelin“ quittiert das durch von Jahr zu Jahr steigende Zahlen.

Das ist kein ganz objektiver Befund, denn schon seit einigen Jahren wundert sich die Branche darüber, dass der „Michelin“ Sterne nicht mehr wegen nachlassender Küchenleistung, sondern nur noch bei Konzeptwechsel oder Schließung entzieht. Und manchmal – aber das war schon immer so – sind auch Zweifel bei der Neuvergabe plausibel. Richtig ist auf jeden Fall, dass die Bedeutung des Rahmens gesunken ist: Wer heute einen Stern haben will, der muss weder Silberbesteck noch gebügeltes Leinen auf die Tische legen und keine Kellner im Frack aufbieten – sonst hätte das in einer kargen Loftetage untergebrachte „Cookies“, das man über eine Tür neben Hotelmülltonnen erreicht, nie einen bekommen.

Natürlich ist der wirtschaftliche Druck groß. Gerade in Berlin leben ambitionierte Köche ganz überwiegend von einer neuen Touristengeneration, meist jungen Foodies, die die Stadt gezielt wegen des Essens ansteuern; die Frage „Stern oder nicht Stern?“ spielt dabei eine große Rolle. Das Nachsehen haben alteingesessene Betriebe, die den kreativen Anschluss verlieren, und die Hotelrestaurants, die lange die Berliner Spitzenküche dominierten, weil es sonst niemand tat. Seither hat sich die Stadt mit sieben Zwei-Sterne-Adressen zur deutschen Gourmet-Hauptstadt gewandelt. Eins der bisherigen Ein-Sterne-Restaurants, das „Les Solistes by Pierre Gagnaire“, ist allerdings verschwunden, ein Zeichen dafür, dass pompöse Hotelrestaurants mit internationalem Namen gerade nicht das sind, was anspruchsvolle Touristen hier suchen – und die Berliner ohnehin nicht.

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