Berliner Peng!-Kollektiv trollt Vermieter: Die Geister der Entmieteten rufen zurück
Das Künstlerkollektiv "Peng!" organisiert Telefonterror gegen skrupellose Vermieter in Frankfurt, Berlin und Leipzig - und lässt Ex-Mieter zu Wort kommen.
Einmal hat sie ihn noch gesehen. Auf der anderen Straßenseite. Als sie mal wieder in ihrer alten Nachbarschaft in Berlin-Neukölln unterwegs war. Er wird sich nicht mehr an sie erinnern, der Herr Doktor T. Ist ja alles ewig her. Fast vier Jahre. Ist da einfach langspaziert. Aber Theresa Hofmann, deren Name wie alle in dieser Geschichte dem Tagesspiegel bekannt, aber verfremdet ist, kann ihn nicht vergessen. T. war ihr Vermieter. Er hat Hofmann und die anderen Bewohner nach und nach vor die Tür gesetzt und weiß vermutlich nicht einmal, was er damit angerichtet hat. Theresa zittert, als sie in ihrer Küche in einem Neuköllner Altbau davon erzählt. Aber vielleicht kann sie bald damit abschließen. Denn Doktor T. wird die Vergangenheit nun heimsuchen. Und er wird nicht der einzige Vermieter in Deutschland sein.
Am heutigen Montag startet eine Protestaktion des Berliner Künstlerkollektivs „Peng!“. In Berlin, Frankfurt am Main und Leipzig werden bei Vermietern, Hauseigentümern und Hausverwaltungen die Telefone klingeln. Zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten, von unterschiedlichen Nummern, damit sie nicht einfach blockiert werden können. Die Aktivisten haben sich teils private, teils geschäftliche Telefonnummern von Vermietern organisiert und eine Software programmiert, die automatisch immer wieder dort anruft und Tonaufnahmen der Geschichten abspielt, die Mieter mit ihnen erlebt haben. „Die Entmieteten kehren zurück, um diejenigen zu plagen, die sie auf die Straße gesetzt haben“, heißt es in einem Schreiben von Peng!, das dazu veröffentlicht werden soll. Eine Woche lang soll die Aktion laufen.
Drohungen, Licht abgestellt, Toiletten ausgebaut
Theresa Hofmann war eine der ersten Mieterinnen, die sich bereit erklärt hat, mitzumachen. Für die Aktion ist sie noch einmal alle Akten durchgegangen. Sie hat jeden Brief von Doktor T. aufgehoben. Es ist ein dicker Ordner geworden, mit Anwaltsschreiben, Drohungen, einstweiligen Verfügungen. Ihr Haus war zwangsversteigert worden. Der neue Eigentümer war ein junger Akademiker aus Süddeutschland. „Wir haben uns anfangs gefreut, dass es keine anonyme Holding aus dem Ausland ist. Im Nachhinein wären wir froh gewesen“, sagt Theresa Hofmann. Denn die Auseinandersetzung wurde persönlich.
Wenn T. heute ans Telefon geht, wird er nicht Hofmanns echte Stimme hören. Ein Schauspieler hat es nachgesprochen. Aber es werden ihre Worte sein: „Sie haben alles ziemlich gut nach Plan gemacht. Und das fand ich am abgefucktesten“, wird die Stimme sagen. Und: „Ich hoffe, dass Sie vielleicht manchmal ein schlechtes Gewissen haben, dass Sie Ihre Eltern benutzt haben, um Eigenbedarf für unsere Wohnung vorzutäuschen.“ Sie wurde später auf dem Internetportal Immobilienscout24 zum Kauf angeboten. Die angeblich kranken Eltern waren überraschend genesen. Juristisch, musste Theresa Hofmann lernen, ist daran nicht zu rütteln.
Die Kündigung kam an Heiligabend
Insgesamt 38 Statements von Entmieteten in Deutschland hat Peng! in den vergangenen Wochen gesammelt. Zusammen ergeben sie ein Mosaik der absurdesten, aber offenbar gängigen Methoden, Mieter aus den Verträgen zu zwingen, um die Häuser aufwendig sanieren und teuer verkaufen zu können. Spontane Besuche des Vermieters, Drohungen. In einem Haus wurde das warme Wasser abgestellt. In einem anderen Toiletten und Duschen abmontiert. Die Glühbirnen im Treppenhaus abgeschraubt, Wasserschäden nicht beseitigt. Ein Vermieter schob die Kündigungen persönlich an Heiligabend unter den Wohnungstüren durch. Und immer wieder berichten Mieter von nächtlichen Anrufen, die sie zum Gehen bewegen sollen.
„Uns war gar nicht klar, dass dieser Telefonterror auch zu den Entmietungsstrategien zählt“, sagt Nora Moll, die das Projekt bei Peng! koordiniert hat. Aber es passe natürlich gut zu ihrer Aktion, die eigentlich bereits zu Halloween geplant war. Genügend Leute davon zu überzeugen, mitzumachen, war aber schwieriger als gedacht. Viele hatten Angst vor neuem Ärger. „Viele dieser Geschichten gehen unsichtbar über die Bühne. Die Verantwortlichen können wegschauen, während die Entmieteten mit ihrer Not alleine zurückbleiben“, sagt Moll. Jetzt müssten sie zumindest hinhören. Auf der Website hauntedlandlord.de sind die Geschichten dokumentiert. Am Ende jeder Tonaufnahme wird der Hintergrund der Aktion aufgeklärt und eine Rufnummer genannt, die zu Peng! führt. Auf die wütenden Anrufe freuen sie sich schon.
Die Geldgeber der Aktivisten wechseln
Das Geld für seine Aktion erhielt Peng! diesmal von Open Society Foundation, einer Gruppe von Stiftungen des umstrittenen amerikanischen Investors und Milliardärs George Soros. Die Geldgeber des Künstlerkollektivs wechseln. Zuletzt hatte es eine 150.000 Euro schwere Förderung der Kulturstiftung des Bundes bekommen und unter anderem dafür benutzt, die deutsche Rüstungsindustrie zu narren. So starteten die Künstler im Namen des Waffenherstellers Heckler und Koch eine gefakte Rückrufaktion für Handfeuerwaffen in den USA – angeblich, weil es nicht mehr zu verantworten sei, Pistolen in ein Land zu liefern, in dem Donald Trump regiert. Die Aktion war als Kritik an deutschen Waffenexporten gedacht. Bundesweit bekannt wurde Peng!, als eines seiner Mitglieder der AfD-Politikerin Beatrix von Storch vor Kameras eine Torte ins Gesicht warf und den „Tortalen Krieg“ ausrief.