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Zentrum im Zentrum. In dem Komplex, der sich mitten in der französischen Hauptstadt befindet, ist auch ein unterirdischer Bahnhof, den täglich hunderttausende Pendler nutzen.
© dpa

Probleme beim Forum des Halles: Der neue Bauch von Paris

Das riesige Forum des Halles soll in der französischen Hauptstadt ein Vorzeigeprojekt sein – doch schon jetzt sind Reparaturen nötig.

Gerade erst ist der rundum erneuerte Einkaufs- und Kulturkomplex Forum des Halles in Paris eingeweiht worden. Und schon sind erste Reparaturen an der „Canopée“ („Laubdach“) genannten Bedachung notwendig. Bei starkem Regen sammelt sich das Wasser in dem leicht nach innen geneigten Dach und stürzt in einem sieben Meter hohen Wasserfall hinunter – jedoch nicht, wie geplant, auf das angrenzende, noch nicht fertiggestellte Gelände eines „Garten“ genannten Parks, sondern auf die breite Freitreppe, die in die Ebene minus 1 hinunterführt.

Überhaupt hat das Dach bei Regen seine Tücken. Denn die 18.000 individuell zugeschnittenen Glasplatten, die die Blätter des Laubdachs bilden, sind so gegeneinander versetzt, dass Luft und Wind hindurchstreichen können – doch auch mehr Wasser, als die Ingenieure versprochen hatten. Das goldgelb schimmernde, aus 6000 Tonnen Stahlstreben konstruierte Dach ist der auffälligste Teil der Umbaumaßnahmen, die das Forum des Halles fünf Jahre lang beeinträchtigt haben.

Insgesamt wurden 918 Millionen Euro für den Umbau veranschlagt

Die „Canopée“ allein kostet nach derzeitigen Berechnungen 216 Millionen Euro. Insgesamt wurden 918 Millionen Euro für den Umbau veranschlagt. Eine vollständige Schließung während der Bauzeit kam nicht infrage. Denn ganz tief unter dem mehrgeschossig in die Erde hineingegrabenen Forum befindet sich der riesige Umsteigebahnhof Chatelet – Les Halles des Pariser Schnellbahnnetzes R.E.R., der täglich von 750.000 Fahrgästen genutzt wird. Damit ist auch die stets vorgebrachte Begründung genannt, warum die zehn Markthallen abgerissen werden mussten, die als „Bauch von Paris“ zu vielfachem literarischen Ruhm gelangten.

Über den Bahnsteigen des tageslichtlosen, trotz aller Beleuchtung stets düster wirkenden Bahnhofs wurde Ende der siebziger Jahre das Einkaufszentrum in den Untergrund hineingebaut. Irgendetwas musste die Baugrube schließlich füllen. Seither müssen sich Pendler aus dem Pariser Umland, die hier aus- und umsteigen, durch die Etagen des Forums quälen. Immerhin 150.000 Kunden sollen die Ladenlokale täglich besuchen. Wer nicht mit der schlafwandlerischen Sicherheit des täglichen Berufspendlers gesegnet ist, verläuft sich beinahe zwangsläufig im Gewirr der Aufgänge, Rolltreppen und unzureichenden Hinweisschilder, bis er das Tageslicht an einem der zahlreichen Ausgänge erreicht; wenn auch nicht unbedingt dort, wo er es zu erblicken hoffte. Dort, wo die gusseisernen Markthallen aus den 1870er Jahren standen, sollte sich ein Park als innerstädtische Oase erstrecken.

Doch der zugebaute Ort mit den merkwürdigen Terrassen und Mäuerchen wurde schnell zu einem sozialen Brennpunkt, zum Umschlagplatz von Drogen aller Art und zum Aufenthaltsort all derer, die solche Orte zwangsläufig anziehen. Nicht zuletzt auch für Jugendliche aus eben der Banlieue, der mit den Zügen des R.E.R. der jahrzehntelang verwehrte bequeme Zugang zur Mitte der Hauptstadt möglich wurde. Der Park wurde zum stillen Mittelpunkt eines ansonsten geschäftigen Viertels voller Cafés und Restaurants, Modeboutiquen und Sex- Shops, voller Passanten und Touristen, die vom und zum nahen Centre Pompidou flanieren. Die Shopping Mall, der auch ein paar öffentliche Einrichtungen angeschlossen sind, blieb schon allein durch den unaufhörlichen Strom der Nahverkehrs-Passagiere belebt.

Auch im Inneren des Forums gehen die Umbauten weiter

Doch es musste etwas geschehen an diesem in Frankreich längst als Schandfleck empfundenen Ort der ansonsten auf architektonische Glanztaten erpichten Stadt. Das Büro Berger & Anziutti wurde als Sieger des 2007 veranstalteten Wettbewerbs mit der Ausführung seines Vorschlags betraut. Dieser sah die spektakuläre Überdachung des gesamten Forums und die Anlage eines großzügigen Zugangs über die erwähnte Freitreppe sowie einer dreigeschossigen Randbebauung unter den Schwingen des tief herabgezogenen Daches vor. Noch staunen und schauen die Pariser mehr, als dass sie in den neuen Flagship Stores internationaler Handelsketten einkaufen, die im begehrten Erdgeschoss der Neubauten Platz gefunden haben. Auch im Inneren des Forums gehen die Umbauten weiter, um etwas mehr Licht und Orientierung zu schaffen.

Zugleich wird die bisher 43.000 Quadratmeter große Verkaufsfläche um weitere 6300 Quadratmeter erweitert, die Zahl der Geschäfte steigt von 115 auf 150. Zum Vergleich: Das Berliner Alexa umfasst ebenfalls 43.000 Quadratmeter Verkaufsflächen bei sogar 180 Ladengeschäften. Außerdem gibt es das städtische Konservatorium, dazu eine Spielfläche für Freie Gruppen und ein Zentrum für Hip-Hop, mit dem die Jugendlichen, die längst von dem Forum und seinen plattenbelegten Innenhöfen Besitz genommen hatten, irgendwie einbezogen werden sollen.

Der angrenzende Garten wird erst im Laufe der kommenden Monate fertig werden, er soll eine grüne Oase inmitten der dicht gedrängten Bebauung des von schmalen Straßen geprägten Quartiers bilden. Warum die Eröffnung des neuen Forums bereits jetzt vorgenommen wurde, fragten sich viele. Zumal der wichtigste Bauabschnitt, der Umbau des klaustrophobisch gedrängten Bahnhofs, gerade erst begonnen wird. Aber da die Renovierung des Forums ohnehin bei laufendem Betrieb stattfinden musste, markierte auch die Eröffnung durch Bürgermeisterin Anne Hidalgo kein besonderes Ereignis mehr. Es wird weitergebaut, wie es im Grunde seit dem heute bedauerten Abriss der schönen Eisenhallen von Victor Baltard unablässig geschieht.

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