Interview mit Harry und Meghan: Der große Absturz nach der Märchenhochzeit
Der Talkshowlegende Oprah Winfrey vertrauen Prinz Harry und seine Frau Meghan dunkle Geheimnisse an. Aber auch ihre Hoffnung auf ein besseres Leben.
Kein böses Wort fällt über die Queen in dem Interview der US-Legende Oprah Winfrey mit Prinz Harry und Herzogin Meghan. Das ist eine Überraschung angesichts des Hypes, der vorab geschürt wurde.
Das vielleicht eindrücklichste Bild des Tages, an dem das Paar das Königshaus zum Beben bringt, zeigt Elizabeth II. sehr gelassen vorm Computer sitzend, wie sie im Rahmen einer Zoom-Konferenz eine Statue von sich in Australien enthüllt. Gut möglich, dass diese Szene, die unter anderem im kanadischen Fernsehen gezeigt wurde, von ebenso erfahrenen PR-Strategen ersonnen wurde, wie die CBS-Profis es sind, die seit Tagen die Welt mit Schnipseln aus Oprah-Interview übersät haben.
Sie wirkte im Vergleich nur frischer, weil überraschender als Einstimmung auf „The Battle“, die Schlacht, wie die Auseinandersetzung über den Atlantik hinweg zwischen den abtrünnigen Königskindern Prinz Harry und seiner Frau Meghan und dem Rest der großen königlichen Familie von der berüchtigten britischen Boulevardpresse schon genannt wurde. Eine weitere Staffel der Netflix-Serie „The Crown“ schreibt sich danach praktisch von selbst.
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Die Vorwürfe wiegen schwer, darunter Rassismus und unterlassene Hilfeleistung bei drohendem Suizid. In fast 70 Ländern hatten sich TV-Stationen die Rechte an dem brisanten Interview gesichert. Nicht mal zwei Jahre nach der Märchenhochzeit im Mai 2018, bei der Meghan zum Rollenmodell wurde und zur großen Hoffnungsträgerin für Mädchen nicht nur im Commonwealth: eine farbige, geschiedene Schauspielerin, eine Karrierefrau aus einer von Konflikten nicht freien amerikanischen Familie hat es geschafft, ins britische Königshaus einzuziehen.
Zerstörte Träume
Dieser Traum liegt während des Interviews zunächst ziemlich zerdeppert da. Von Suizidgedanken war die Rede, von Einsamkeit, von ausbleibender Unterstützung.
RTL konkurrierte am Nachmittag mit dem schönen Wetter. In Großbritannien hatte ITV eine Million Pfund gezahlt, um das Gespräch am Abend exklusiv senden zu dürfen. Oprah Winfreys Produktionsfirma bekam zwischen 7 und 9 Millionen Pfund. Der 30-sekündige Werbeblock schlug mit 325.000 US-Dollar zu Buche.
Allein Harry und Meghan sollen keinen Cent bekommen haben für das Interview, aber vielleicht stattdessen die Aussicht, den eigenen Marktwert erhöhen zu können. Schließlich müssen sie ihr Geld jetzt selbst verdienen, und das darf nicht zu wenig sein, denn sie sind für ihre eigene Sicherheit zuständig und für die ihrer beiden Kinder. Die Konditionen machte Oprah Winfrey gleich zu Beginn des Interviews transparent, das sie zunächst mit Herzogin Meghan allein führte: Das Paar bekam kein Geld dafür und kannte die Fragen vorher nicht. Prinz Harry kam später dazu.
Die schwangere Meghan saß der US-Starmoderatorin in einem 3400 Euro teuren Kleid von Armani gegenüber, das Designer Guido Maria Kretschmer an den Look von Wallis Simpson erinnerte, jener geschiedenen Amerikanerin, die einst König Edward VIII. zum Verzicht auf den britischen Königsthron veranlasste.
Abrechnung mit der Boulevardpresse
Es war auch eine Abrechnung mit der britischen Boulevardpresse, die nach Oprahs Wahrnehmung jede Geste von Prinz Williams Frau Kate positiv bewertete, und die gleichen Gesten von Meghan durch den Kakao zog. Wer hat wen zum Weinen gebracht? In den britischen Medien war zu lesen, dass Meghan Kate das angetan hat. Tatsächlich, so Meghan, sei es genau umgekehrt gewesen. Das sei ein Wendepunkt gewesen. Zwischendurch sind zur Auflockerung der Interviewsituation Szenen aus dem neuen Heim des Herzogpaars zu sehen: Besuch in „Archie’s Chicken House“ zur Fütterung der Hühner.
Ein emotionaler Höhepunkt folgt sogleich. Meghan erzählt der Moderatorin, wie während ihrer Schwangerschaft mit Archie immer wieder deutlich gemacht wurde, dass er keinen Prinzen-Titel und also auch keine Security erhalten würde. Die Sicherheit für das Kind sei ihr aber, anders als der Titel, überaus wichtig gewesen. Der einzige Titel, der ihr selbst im Leben etwas bedeutet habe, sei der Titel „Mom“.
Wer darüber spekuliert habe, wie dunkel die Haut ihrs Babys werden würde und wie das in der Öffentlichkeit ankommen würde, wollte sie nicht preisgeben. Stattdessen machte sie noch einen weiteren Tiefpunkt öffentlich. Sie erzählte, wie sie nicht mehr leben wollte und wieviel Überwindung es sie gekostet hat, das auszusprechen: „Man braucht so viel Mut.“
Es wird ein Mädchen
Hilfe sei trotzdem nicht möglich gewesen. Sie sei einfach abgewiesen worden. Man könne auch nicht einfach ein Taxi zum Palast bestellen und ins Krankenhaus fahren. Das Interview solle nun auch dazu dienen den Menschen zu zeigen, dass es immer eine andere Seite gibt. Jetzt in diesem Garten weit weg auf der anderen Seite des Atlantiks sitzt sie wieder im Hellen. Nach dem Aufbruch im Januar 2020, dem „Megxit“, und der Fehlgeburt, mit der sie vor einigen Monaten an die Öffentlichkeit ging, erwartet Meghan wieder ein Kind. Eine Tochter, auch das gab das Paar im Interview bekannt.
Manche Enthüllungen sind kaum zu glauben. Meghan will ihren Prinzen nie gegoogelt haben und nie recherchiert haben, wie es in der königlichen Familie zugeht. Ein bisschen mehr Neugier, hätte sie vielleicht vor manchem Absturz bewahren können. Vor der Hochzeit hörte sie noch fröhlich das Lied „Going to the Chapel“. Sie erzählte auch von schönen Erfahrungen, davon, wie wundervoll die Queen sich ihr gegenüber verhalten habe, wie sie ihr bei einem privaten Frühstück Perlenohrringe und eine dazu passende Kette geschenkt habe und sie in einen öffentlichen Auftritt gleich einbezogen habe.
Im zweiten Teil des Interviews kam Prinz Harry ebenfalls ausführlich zu Wort. Er erzählte, wie sehr es ihn überrascht hat, dass ihm die Sicherheitsmaßnahmen entzogen wurden nach der Statusänderung: „Ich wurde mit dem Risiko geboren.“ Nur 18 Monate nach der Märchenhochzeit hat auch er um Hilfe gebeten, obwohl er sich dafür geschämt habe. „Wir brauchten eine Pause.“ Eine Pause von der ständigen Beobachtung durch die Boulevardpresse, den vielen Anfeindungen.
Die Mentalität der Familie sei: „So ist es eben.“ Allerdings habe er seine Großmutter mit der Exit-Entscheidung nicht überrumpelt. „Dafür respektiere ich sie viel zu sehr.“ Nach Gesprächen mit der Queen und seinem Vater, der schließlich seine Telefonanrufe nicht mehr entgegengenommen habe, habe er seine Pläne aufschreiben sollen. So genau und detailliert, auch das kommt heraus, waren die aber wohl gar nicht. Offen sprach er auch über die Angst der Familie, gegen die Boulevardblätter vorzugehen. Da gebe es eine gegenseitige Abhängigkeit, eine Art unsichtbaren Vertrag.
Schwierige Beziehung zu Prinz Charles
Mit viel Wärme sprach der Prinz über die Queen, der er offenbar keine Vorwürfe macht für ihre Entscheidungen. Harry sagte, er habe in diesem Jahr so viel mit seiner Großmutter gesprochen wie lange nicht, mit seinem Sohn Archie habe es auch Zoom-Konferenzen gegeben: „Sie ist mein Ehrenoberst und wird es immer sein.“ Schwieriger sieht es mit seinem Vater Prinz Charles aus. Es sei eine seiner Prioritäten, die Beziehung zu reparieren. Der Schmerz sitze tief. „Aber ich werde ihn immer lieben.“ In der Schwebe ist auch die Beziehung zu Prinz William, aber auch da gibt es Hoffnung. „Ich liebe meinen Bruder. Wir sind zusammen durch die Hölle gegangen.“ Beim Exit-Prozess habe man alles so gehandhabt, „wie es sich gehört“. Er müsse nun genug Geld verdienen, damit seine Familie in Sicherheit leben könne. Den ganzen Prozess hindurch habe er die Gegenwart seiner Mutter Diana gespürt.
Jetzt lebt die Familie in der Nähe von Santa Barbara in Kalifornien und Prinz Harry genießt es, mit seinem Sohn Archie im Kindersitz Runden auf dem Fahrrad drehen zu können. Am Ende kommen alle zu dem Schluss, dass die Hochzeit, die am 19. Mai 2018 in aller Welt über die Bildschirme lief, das Happy End zwar noch nicht war, aber nun doch eines bekommen habe: „Besser als in jedem Märchen.“ Nur wer wen gerettet hat aus den erdrückenden Fängen des britischen Palastlebens, darüber konnten sich Meghan und Harry noch nicht einigen.
Man muss nur mal das Tempo eines viktorianischen Romans mit der Erzählgeschwindigkeit einer Netflix-Serie vergleichen, um zu erkennen, wie viel Frauen wie Wallis Simpson, Prinzessin Diana und Herzogin Meghan für die Weiterenzwicklung und Modernisierung des britischen Königshauses getan haben. Und nun dieser Befreiungsschlag von den Zwängen, die das alte Europa und jahrhundertealte Traditionen mit sich bringen, der endgültige Rückzug in die USA. Bleibt zu hoffen, dass dem in Großbritannien erzogenen Prinzen das durch die US-Verfassung garantierte Recht auf das Streben nach Glück nicht irgendwann auf die Füße fällt, dass dieses Happy End nun wirklich bis in alle Ewigkeit hält.
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