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Frauen in Virginia verfolgen das Interview im TV.
© Olivier Douliery/AFP

Prinz Harry und Meghan im TV: Harte Worte, aber der ganz große Knall bleibt aus

Harry und Meghan greifen das Königshaus direkt an. Doch klar ist auch: Eine Sprengkraft wie Dianas Anklage wird das Gespräch wohl nicht haben. Am Ende gibt es versöhnliche Töne.

Sie habe sehr lange dafür gekämpft, dass Frauen ihre Stimme erheben, sagt Prinz Harrys Frau Meghan im lang erwarteten Interview mit Amerikas Star-Moderatorin Oprah Winfrey. „Und dann habe ich doch geschwiegen.“ Auf die Gegenfrage, ob sie geschwiegen habe oder zum Schweigen gebracht wurde, deutet sie nur kurz an: Letzteres.

Was klingt wie das Wort zum Frauentag einer prominenten US-Schauspielerin, ist tatsächlich eine Art Endabrechnung mit dem britischen Königshaus. Noch konnte das Interview seine ganze Wirkung in Europa nicht entfalten. In Großbritannien soll es via ITV am Montagabend ausgestrahlt werden. In Deutschland zeigt RTL das CBS-Exklusivgespräch um 15 Uhr am Nachmittag. Es wurde an über 60 Sender verkauft. Kurze Ausschnitte waren schon im kanadischen Fernsehen zu sehen.

Schon jetzt scheint klar, dass es sich um einen „Point of No Return“ handelt. Eine Rückkehr nach England in ein royales Leben ist jetzt endgültig vom Tisch.

Manches mag Meghans Selbsteinschätzung bestätigen, dass sie naiv war, indem sie zum Beispiel nicht wusste, dass sie vor der Queen einen Hofknicks machen musste. Ein paar Folgen der Netflix-Serie „The Crown“ hätten ihr helfen können, die Härten des Lebens, die der britische Königshof nicht nur für Amerikanerinnen bereithält, deutlich zu machen.

Prinz Philipp im Krankenhaus

Der Zeitpunkt der Ausstrahlung des vorab aufgezeichneten Interviews könnte aus Sicht der Königsfamilie nicht ungünstiger sein. Prinz Philip liegt seit einiger Zeit im Krankenhaus. Aufregung ist für seinen Gesundheitszustand vermutlich nicht förderlich.

Meghans Vater, Thomas Markle, wünschte dem Großvater seines Schwiegersohns in einem kurzen Gespräch mit RTL jedenfalls baldige Genesung. „Mehr könne er zu diesem Zeitpunkt zum Interview nicht sagen“, teilte er den RTL-Reportern vorab mit.

Das Ganze war auch eine sorgfältig mit aller Kunst des Spannungsaufbaus angereicherte Inszenierung.

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Trotz mancher schwerwiegender Vorwürfe wird die Geschichte dem Königshaus kaum dauerhaften Schaden zufügen. Als Prinzessin Diana sich an die Öffentlichkeit wandte, war das noch eine neue schockierende Sache. Inzwischen ist die Kritik aus den eigenen Reihen an der Königsfamilie fast schon Teil des Gesamtbildes, das Licht und Schatten aufweist.

Das Verständnis der sonst so kritischen Royal Watchers im britischen Fernsehen für das Interview schien sich ohnehin in Grenzen zu halten. Die Queen hatte bereits vorab verlauten lassen, dass sie nicht wachbleiben werde, um die Sendung zu verfolgen. Sie hatte am Vortag noch eine Statue von sich per Zoom-Konferenz in Australien enthüllt und die Einheit innerhalb des Commonwealth beschworen.

[Lesen Sie hier: Adel vernichtet – Warum sich Meghan und Harry mit der Queen anlegen (T+)]

Die Queen entstammt einer Generation, in der es nicht ungewöhnlich war, sein Leben einer höheren Sache zu opfern, statt der Selbstverwirklichung der persönlichen Freiheit den Vorrang zu geben.

Frischer Wind ist notwendig

Sicher: Einheit innerhalb der Familie wird schwerer und schwerer herzustellen sein, wenn noch mehr selbstbewusste junge Frauen einheiraten. Aber frischer Wind tut gerade einer so uralten Institution wie dem britischen Königshaus gut. Er hilft dabei, lebendig und interessant zu bleiben.  

Die bitteren Vorwürfe Meghans erinnern denn zwar ein wenig an Prinzessin Diana. Solange die Royal-Fans der Welt solchen Enthüllungen entgegenfiebern, bedeutet das aber auch, dass die Royals die Menschen noch bewegen.

Versöhnliche Töne schlägt die schwangere Meghan, die ein Mädchen erwartet, immerhin auch an. Sie sagt, dass die Queen immer gut zu ihr gewesen sei. So dürfen die Royal-Fans bei allen Schatten, die das Interview werfen mag, sich wohl schon jetzt auf die Bilder freuen, die die erste Begegnung von Elizabeth II. mit ihrer jüngsten Urenkelin zeigen werden. Ganz egal, welche Farbe deren Haut zeigen wird, die Queen wird entzückt sein.

Elisabeth Binder

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