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Am Sonntag kommt die Sommerzeit.
© dpa

Seit heute gilt wieder Sommerzeit: Darum wird die Zeitumstellung nicht abgeschafft

Niemand will sie und trotzdem ist sie noch da: die Zeitumstellung. Warum? Weil sonst Chaos in Europa ausbrechen würde. Eine Glosse.

Verflucht wenig Themen, bei denen sich die Parteien einig sind. Weltfrieden, mag sein, aber dann? Hier ist eins: Weg mit der Sommerzeit! Zur Einführung 1980, als sie der letzte Schrei in Sachen Umweltschutz war, mochten die Leute das noch, aber heute ist in Deutschland allenfalls Donald Trump noch unbeliebter. Ilse Aigner von der CSU will sie abschaffen, die Brandenburger AfD wollte sie abschaffen, hat das Thema aber nach dem Rummel 2016 offenbar schon wieder vergessen. Und selbst Linke und Grüne sagen meist, ja, die Sommerzeit sei überflüssig und müsse weg, nur gebe es halt grad wichtigere Themen.

Fassen wir den Stand der Dinge kurz zusammen. Als die Zeitumstellung kam, wollten wir damit Geld und Energie für Beleuchtung sparen. Das ist immer noch so, nur hat niemand bedacht, dass dafür die Heizungen länger laufen – plusminus Null. Doch da sind noch ein paar üble Nebeneffekte wie der, dass die Leute durch diesen Miniatur- Jet-Lag Kopfschmerzen und Depressionen kriegen und immer am Anfang mehr Unfälle bauen. Oder sie reden sich das nur ein, was aber aufs Gleiche hinausläuft, nämlich auf Kollateralschäden, die die Bilanz ins Negative drehen.

Es liegt an der EU

Was spricht dennoch für die Zeitumstellung? Sie war schon viel anstrengender, früher, als wir die Uhren noch von Hand nachstellten. Niemand muss heute mehr quer durchs Haus rennen und in zerknickten Bedienungsanleitungen kramen, das regeln die Maschinen unter sich; sogar die Kirchtürme machen mit. Die Zeitumstellung ist durchgegendert, sie macht keinen Unterschied zwischen weißen deutschen Hetero-Männern und transsexuellen syrischen Flüchtlingen, und sie ist gerecht, kein Armer kriegt Ermäßigung, kein Reicher kann sich von ihr freikaufen.

Dennoch: Warum bleibt etwas, was niemand will? Es liegt an der EU, die sich aus reinen Überlebensgründen daran klammert. Die winzigste Veränderung, und alles wäre kaputt. Die Italiener blieben bei der Sommerzeit, die Norweger bei der Winterzeit, die Polen würden die gute alte Zeit des Kriegshelden Sikorski zurückhaben wollen, die Engländer die Entscheidung bis nach dem Brexit aufschieben. Und Angela Merkel würde stoisch für einen Kompromiss kämpfen: eine halbe Stunde dazwischen, die aber ganzjährig.

Aus dem Europa der zwei Geschwindigkeiten würde also ein Europa der tausend Zeiten werden. Und deshalb haben wir heute Nacht wieder diese komische Sache mit der Uhr gemacht.

Bernd Matthies

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