Vorbeugung und Behandlung: Brustkrebs - der Schrecken kennt keine Altersgrenze
Jede zehnte Frau in Deutschland, die die Diagnose Brustkrebs bekommt, ist jünger als 45 Jahre. Mediziner fordern leichteren Zugang zu Tests.
Diese Krebsform ist nicht nur besonders häufig, sie schlägt statistisch auch früher zu als die meisten anderen: Jede zehnte unter den knapp 70.000 Frauen, die in jedem Jahr in Deutschland die Diagnose Brustkrebs bekommen, ist jünger als 45 Jahre. Brustkrebs kennt keine Altersgrenze, trifft Frauen, wenn sie mitten im Berufsleben stehen und ihre Kinder noch zu Hause leben. Oder durchkreuzt mit einem Rattenschwanz an notwendigen Therapien sogar schon dann ihre Pläne, wenn sie am Beginn einer hoffnungsvollen Karriere stehen und sich Kinder erst für die Zukunft wünschen. Nun haben mit der Fernseh-Moderatorin Miriam Pielhau (41) und der Sport-Reporterin Jana Thiel (44) kurz hintereinander zwei jüngere, prominente Frauen den Kampf gegen den Brustkrebs verloren.
Die meisten Frauen (und in seltenen Fällen Männer) bei denen sich ein Tumor im Gewebe der Brustdrüsen bildet, sind allerdings nicht mehr ganz jung. Am häufigsten wird die Krankheit erstmals im Alter zwischen 65 und 69 Jahren entdeckt. Das ist auch einer der Gründe dafür, dass zum Mammografie-Screening, also der Röntgen-Reihen-Untersuchung aller gesunden Frauen, erst Frauen ab 50 alle zwei Jahre eingeladen werden – und dass das Programm mit 69 Jahren endet. Berechnungen auf der Grundlage von Informationen, die im Zentrum für Krebsregisterdaten zusammenlaufen, zeigen: Aus der Gruppe der 65-jährigen Frauen wird eine von 28 in den nächsten zehn Jahren die Diagnose bekommen, aus der Gruppe der 35-Jährigen dagegen nur eine von 110 Frauen; bei den zwischen 25- und 35-Jährigen ist es noch weit seltener.
In den USA wird das Screening schon ab 40 Jahren angeboten
Dafür, dass nicht allen jüngeren Frauen eine regelmäßige Röntgenuntersuchung beider Brüste nahegelegt wird, gibt es aber – neben der geringfügigen Strahlenbelastung – einen weiteren Grund: Das Brustgewebe ist in diesem Alter meist zu dicht und zu fest, um Tumorgewebe gut sichtbar zu machen. In Ländern wie den USA wird das Screening allerdings schon ab 40 angeboten. Neben der Möglichkeit, die Brüste regelmäßig selbst abzutasten, ist für jüngere Frauen die jährliche Untersuchung bei Frauenärztin oder Frauenarzt vorgesehen. „Wenn Ihnen ein Knoten, eine Absonderung aus der Brust oder eine Verformung der Haut auffällt, sollten Sie sich beim Frauenarzt melden“, rät Michael Untch, Chefarzt der Frauenklinik und Leiter des Interdisziplinären Brustzentrums im Helios-Klinikum Berlin-Buch. Im Ultraschall lässt sich gut erkennen, ob es sich um eine gutartige Zyste handelt – das ist der harmlose und glücklicherweise auch häufigere Fall.
Ganz anders sieht es aus, wenn in der Familie einer jungen Frau schon Krebs in der Brust oder in den Eierstöcken vorgekommen ist – eventuell sogar mehrfach und bei jüngeren Frauen. „Reden Sie mit den Frauen! Fragen Sie nach ihrem Stammbaum! Werden Sie auch hellhörig, wenn nur bekannt ist, dass die Oma oder eine der Tanten ,etwas mit dem Unterleib’ hatten“, legt Untch seinen ärztlichen Kollegen ans Herz. Umgekehrt sollten die Schwestern und Cousinen einer erkrankten Frau wissen, dass sie sich auf Brustkrebs-Gene testen lassen können. Insgesamt liegt zwar nur bei fünf bis zehn Prozent aller Erkrankungen eine Veränderung der „klassischen“ Brustkrebs-Gene BRCA1 und BRCA2 zugrunde. Doch wenn sich die Fälle in der Familie häufen, sind sie weit öfter im Spiel, zudem wurden inzwischen weitere Gene entdeckt. Untch, der auch Sprecher der Deutschen Brustzentren ist, kritisiert, der Zugang zu Tests werde in Deutschland zu restriktiv gehandhabt, die 17 universitären Beratungsstellen des Deutschen Konsortiums für Familiären Brust- und Eierstockkrebs reichten zudem bei Weitem nicht aus.
Entscheidend ist in jedem Fall, wie früh Brustkrebs entdeckt wird
„Vor allem aber sollten Frauen, die die Genveränderungen tragen, selbst darüber entscheiden dürfen, was für sie daraus folgt: Ob sie engmaschig per MRT überwacht werden oder sich lieber sicherheitshalber die Brüste und Eierstöcke entfernen lassen wollen.“ Der Brustkrebs-Spezialist fügt hinzu: „Ich bin Angelina Jolie sehr dankbar dafür, dass sie offen über ihre Operationen gesprochen hat.“
Für die Biologie und die Aggressivität von Brustkrebs gebe „es keine Altersgrenzen“, sagt Untch. Junge Frauen erkranken aber häufiger an Tumoren, die keine „Antennen“ für weibliche Geschlechtshormone haben. Falls es keine Heilung gibt, sterben diePatientinnen oft besonders schnell daran. Ganz entscheidend ist in jedem Fall, wie früh Brustkrebs entdeckt und wie konsequent er behandelt wird – am besten in einem zertifizierten Brustzentrum, in dem die Spezialisten der verschiedenen Fachdisziplinen eng zusammenarbeiten. In anderen Fällen wiederum kommt es noch Jahrzehnte nach der Erstdiagnose zu Absiedlungen in anderen Körperregionen. „Nach fünf Jahren gibt es keine Entwarnung“, sagt Untch. Auch das ist eine Eigenart dieses häufigsten Krebsleidens von Frauen. Eine, die für Jüngere besonders bedrohlich ist. Denn ältere Frau erleben solche Rückschläge häufig gar nicht mehr.
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