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Eine Frau wird mit Ultraschall auf Brustkrebs untersucht.
© Patrick Seeger/ dpa

Ultraschall und Brustkrebs: Tasten nach dem Tumor

Ultraschall oder Röntgen? Beides kann sich gut ergänzen, sagen Experten. Es kommt auf das Alter an. Vor allem bei jüngeren Frauen eignet sich Ultraschall zur Brustkrebs-Früherkennung.

Unter der Dusche ist sie ihr aufgefallen, die Stelle in der linken Brust. Auch ihre Frauenärztin kann sie einige Tage später beim sorgfältigen Abtasten spüren. Die Gynäkologin setzt gleich den Schallkopf auf, um den Merkmalen des bedrohlichen Etwas genauer nachzugehen. Tausend Gedanken sind der jungen Frau in den letzten Tagen durch den Kopf geschossen. Unter anderem der an ihre Tante, die vor einem Jahr an Brustkrebs gestorben ist. Wird sie dasselbe Schicksal ereilen? Die Ärztin, die konzentriert auf den Monitor schaut, kann sie jedoch bald beruhigen: Es ist eine harmlose Zyste, ein mit Flüssigkeit gefüllter kleiner Hohlraum.

Bei einer anderen, etwas älteren Patientin, die ebenfalls einen Knoten getastet hat und auf deren Brust sie an diesem Vormittag ebenfalls den Schallkopf legt, entdeckt sie eine Stelle, die auf dem Monitor dunkel erscheint. Und die ihr verdächtig vorkommt. Noch am selben Tag wird eine Gewebeprobe entnommen, die der Pathologe unter dem Mikroskop genauer untersuchen wird. Als Navigationshilfe fungiert bei der Entnahme der Probe wiederum der Ultraschall.

Was viele nicht wissen: Ultraschall ist die erste empfohlene diagnostische Maßnahme, wenn die körperliche Untersuchung einer Brust eine Auffälligkeit ergibt. So steht es in der fachlichen Leitlinie für die Behandlung von Brustkrebs. Der Ultraschall ist damit ein ausgesprochen bedeutsames Verfahren, werden doch vier von fünf Tumoren zuerst von der Frau selbst ertastet. Und selbst bei den Frauen, die am Mammographie-Screening teilnehmen, zeigen sich 30 Prozent der bösartigen Veränderungen in der Zeit zwischen den Reihenuntersuchungen. Auch das Abtasten bleibt also weiter wichtig.

Röntgen- und Ultraschalluntersuchung können sich sinnvoll ergänzen

Werner Bader, Chefarzt am Zentrum für Frauenheilkunde des Klinikums Bielefeld und Leiter des Arbeitskreises Mammasonografie der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM), hält nichts davon, beide Methoden, die Röntgenuntersuchung und den Ultraschall, gegeneinander auszuspielen. Sie könnten sich im Gegenteil sinnvoll ergänzen. Etwa, wenn die Brust einer Frau aus besonders viel Drüsen- und Bindegewebe besteht, das im Unterschied zum Fettgewebe relativ „röntgendicht“ ist, also ebenso wie eine Geschwulst auf dem Röntgenbild weiß erscheint, mittels Sonografie aber gut untersucht werden kann.

Statistisch gesehen ist das häufiger bei jüngeren Frauen vor den Wechseljahren der Fall. Das ist allerdings nicht der Hauptgrund dafür, dass sie zu dem 2003 in Deutschland nach dem Vorbild anderer Länder eingeführten Mammographie- Screening nicht eingeladen werden. Zielgruppe sind hier vielmehr Frauen zwischen 50 und 69 Jahren. Und zwar, weil die Experten davon ausgehen, dass bei ihnen der Nutzen den möglichen Schaden überwiegt. Während von 1000 Frauen, die heute 30 Jahre alt sind, „nur“ drei in den nächsten zehn Jahren Brustkrebs bekommen werden, sind es bei den 60-Jährigen 30. Frauen dieser Altersgruppe profitieren also mehr von der Fahndung, es ist eher gerechtfertigt, sie dafür einer Röntgenstrahlung auszusetzen.

Screening kann die Sterblichkeit senken, aber die Gefahr von Fehlalarm und Über-Therapie ist groß

Wird der Krebs früh erkannt, sind die Heilungschancen deutlich besser. Die WHO geht deshalb davon aus, dass das Screening in dieser Altersgruppe die Sterblichkeit um 23 Prozent senkt. Wegen der Gefahr von Fehlalarm („falsch-positiven“ Befunden) und daraus folgender Über-Diagnostik und Über-Therapie bleibt es allerdings in der Fachwelt weiterhin umstritten. Bevor sie der Einladung folgt (oder bewusst nicht folgt), sollte sich jede Frau gut informieren – auch darüber, was gegebenenfalls danach kommt. Viele Frauen knapp unter 50 oder über 70 Jahren, die das Screening befürworten, sehen andererseits nicht ein, warum sie nicht in den Vorzug einer Einladung kommen.

Ganz anders stellt sich die Lage für Frauen dar, deren Brustkrebsrisiko aufgrund familiärer Belastung erhöht ist. Trägerinnen der Gene BRCA1 und 2 – durch Schauspielerin Angelina Jolie bekannt geworden – sollten schon mit Mitte 20 in Spezialzentren betreut und engmaschig mit MRT und Ultraschall untersucht werden.

Für eine Reihenuntersuchung aller Frauen ist der Schallkopf trotz all seiner Vorzüge aber nicht das geeignete Instrument: Denn die Ergebnisse sind nur gut, wenn erfahrene Ärzte sich genug Zeit nehmen können. Anders könnte das aussehen, wenn eines Tages automatisierte „Brustscanner“ in die Routineversorgung kommen, die von medizinisch-Technischen Assistenten bedient werden und vollständige, dokumentierbare 3D-Aufnahmen beider Brüste liefern.

Eine große Studie aus den USA belegt, dass der kombinierte Einsatz dieser Geräte und des Röntgen-Screenings bei Frauen mit dichtem Drüsengewebe die Entdeckungsrate deutlich erhöht. Markus Müller-Schimpfle, Leiter des Brustzentrums am Klinikum Frankfurt am Main, stellt allerdings auch klar, dass die Rate der beunruhigten Frauen dadurch steigen könnte: „Um falschen Alarm auszuschalten, ist der Ultraschall nicht das geeignete Verfahren.“ Das Problem der Krebsvorstufen, die bei der Untersuchung entdeckt werden, aus denen aber vielleicht auch ohne Behandlung niemals Krebs würde, existiert beim Ultraschall wie bei der Mammographie. Es ist nicht so leicht aus der Welt zu schaffen.

Wer kann die Untersuchung durchführen? Kassenärztliche Bundesvereinigung und Spitzenverband der Krankenkassen haben 2009 eine „Ultraschallvereinbarung“ getroffen, die Voraussetzungen für die Ausbildung der Untersucher festlegt. Das Schulungskonzept der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin sieht Zertifikate zur Qualifikation vor. Für Stufe 1 sind 300 Untersuchungen und 50 Tumor-Diagnosen nötig, für Stufe 3 wissenschaftliche Tätigkeit zum Brust-Ultraschall.

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