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Auf einem Testgelände der Bundeswehr stehen seit dem 04.September fünf Hektar Moorland in Brand.
© Stephan Konjer/dpa
Update

Niedersachsen: Behörden rufen für Moorbrand vorsorglich Katastrophenfall aus

Seit zwei Wochen brennt ein Moor im Emsland, ausgelöst durch Raketentests der Bundeswehr. Die Gefahr für umliegende Dörfer wächst.

Der ohnehin schon verheerende Moorbrand auf einem Testgelände der Bundeswehr bei Meppen im Emsland droht auf benachbarte Dörfer überzugreifen. Die Behörden haben den Katastrophenfall ausgerufen. Am Freitag erwog der niedersächsische Landkreis Emsland, die Ortschaften Groß Stavern und Klein Stavern mit rund 1100 Einwohnern zu evakuieren. Sollte die Rauchwolke sich vergrößern, müssten eventuell auch die 7500 Einwohner der Gemeinde Sögel in Sicherheit gebracht werden, sagte eine Kreis-Sprecherin.

„Mit den Wetterbedingungen, die jetzt auf uns zukommen, könnte der Brand von den Winden angefacht werden“, sagte der Leiter des Krisenstabes im niedersächsischen Innenministerium, Hanko Thies. Der Moorbrand war vor mehr als zwei Wochen infolge von Raketentests der Bundeswehr ausgebrochen.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bedauerte den Vorfall: „Ich entschuldige mich im Namen der Bundeswehr bei allen Menschen der Region, die jetzt unter den Auswirkungen des Brandes leiden“, sagte sie der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Am Samstag reist die Ministerin mit Niedersachsens stellvertretendem Ministerpräsidenten Bernd Althusmann (CDU) nach Meppen.

Dort brennen mittlerweile 800 Hektar Torf. Sturmböen von bis zu 85 Kilometern pro Stunde könnten den Funkenflug nun so verstärken, dass auch Bereiche außerhalb des Bundeswehr-Geländes in Brand geraten.

Der gefährliche Wind solle nach Prognosen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zwar am Wochenende abnehmen. Auch Regenschauer könnten etwas Entspannung bringen, sagte DWD-Meteorologe Markus Eifried. Doch am Freitagmittag fiel zunächst nur leichter Nieselregen.

Die Auswirkungen der Wetterlage auf das Feuer bleiben für die bisher rund 1000 Einsatzkräfte von Bundeswehr, Feuerwehren und Technischem Hilfswerk (THW) allerdings schwer zu berechnen. Deshalb will die Feuerwehr im Emsland mit 500 weiteren Kräften verhindern, dass der Brand sich ausbreitet. Die Feuerwehrleute würden in der Nähe postiert, um sofort reagieren zu können, sollte der Brand auf zivile Flächen übergreifen, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums. Auch die Rauchsäule bereitet den Einsatzkräften Sorgen: Sie zog zeitweise 100 Kilometer weit.

Der Bundesverband der Pneumologen warnte vor Gesundheitsgefahren für Anwohner durch massive Feinstaubbelastung. Nach Angaben des niedersächsischen Umweltministeriums hatte das Feuer vorübergehend zu erhöhten Werten etwa in Süd-Oldenburg geführt. Am Freitag wurden weitere Messungen auf und in der Nähe des Testgeländes angeordnet.

Weil die Bundeswehr als Brandverursacher keine entsprechende Anfrage gestellt habe, passiere das erst jetzt, sagte Landrat Reinhard Winter. Nach Schätzungen des Naturschutzbundes (Nabu) hat der Moorbrand bereits zu einem Ausstoß von 500.000 Tonnen Kohlendioxid geführt - so viel, wie 50.000 Deutsche im Jahr verursachen.

Durchsuchung bei der Bundeswehr

Mit der Ausrufung des Katastrophenfalls wolle der Landkreis keine Unruhe erzeugen, sagte Landrat Winter. „Da der Schutz der Bevölkerung für uns an erster Stelle steht, möchten wir aber die Staverner frühzeitig darauf aufmerksam machen, dass eine Evakuierung nicht mehr undenkbar ist“, sagte Winter. Man sei gut vorbereitet. Sollte es notwendig werden, die Anwohner in Sicherheit zu bringen, würden sie in einer Schule oder einer Veranstaltungshalle im nahe gelegenen Haselünne unterkommen - bis die Gefahr endgültig gebannt sei.

Nicht jede Naturgewalt ist automatisch ein Katastrophenfall. Davon sprechen Behörden erst, wenn die Bedrohung vieler Menschen, umfangreicher Sachwerte oder natürlicher Lebensgrundlagen so gravierend ist, dass die betroffene Kommune allein überfordert ist. Das bedeute aber nicht, „dass es katastrophenähnliche Zustände im Emsland gibt“, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) am Freitag. Wird der Katastrophenfall ausgerufen, können vielmehr überregional Einsatzkräfte alarmiert und ein Krisenstab eingerichtet werden.

Die Bekämpfung eines Moorbrandes ist besonders schwierig, weil der Brand auch unter der Oberfläche wüten kann. Dass es bei Meppen überhaupt zu einem derart hartnäckigen Brand kommen konnte, hängt nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Moor- und Torfkunde damit zusammen, dass es sich um ein entwässertes Moor handelt. Dazu seien die oberen Torfschichten nach dem heißen und trockenen Sommer vollkommen ausgetrocknet.

Der Fall beschäftigt mittlerweile auch die Justiz. Vier Polizisten und zwei Staatsanwälte durchsuchten die Wehrtechnischen Dienststelle am Freitag. Wie schon am Donnerstag bekannt geworden war, ermittelt die Staatsanwaltschaft Osnabrück wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Brandstiftung gegen Unbekannt. Die Durchsuchungen seien in Zusammenarbeit mit dem Leiter der Dienststelle durchgeführt worden. Alle angeforderten Unterlagen seien übergeben worden.

Verteidigungsministerin von der Leyen kündigte an, dass man untersuchen werde, ob die Munitionstests in dem ausgetrockneten Moor „nötig und verantwortbar“ waren. Der Brand sei ein Vorfall, „der so nicht passieren darf“.

Glutnester sind schwer zu finden

Feuerwehren aus der gesamten Region versuchen vor allem durch den Einsatz riesiger Wassermengen, den Flächenbrand zu bekämpfen. Sie wässern die vorhandenen Gräben so stark, dass sich das Erdreich mit Wasser vollsaugt. Nach Einschätzung des Brand- und Katastrophenschutzexperten des niedersächsischen Innenministeriums, Klaus Wickboldt, dauert es trotzdem noch ein bis zwei Wochen, bis alle Glutnester erstickt sind. Diese sitzen tief im Boden, sodass sie für die Einsatzkräfte schwer zu finden und zu bekämpfen sind.

Der Grund, warum der Brand so lange schwelt, liegt in der Masse an organischem Material, also brennbarer Substanz, die in Mooren gespeichert ist. Die Verwesungs- und Umwandlungsprozesse von Pflanzen- und tierischen Resten, brauchen Sauerstoff, der in feuchten, morastigen Böden fehlt. Dadurch sammelt sich über Jahrhunderte organisches Material an, zum Beispiel in Form von Torf, der in getrockneter Form ein weitverbreiteter Brennstoff ist.

Trocknet ein Moor aufgrund des voranschreitenden Klimawandels aus, verwandelt es sich in ein riesiges Brennstofflager. So verbrannten im Juni dieses Jahres etwa 800 Quadratkilometer des Saddleworth-Moores bei Manchester. Mit immer heißeren Sommern steigt die Gefahr solcher Vorfälle.

Entzündet sich das organische Material, gelangen die darin gebundenen Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre – und verstärken die Klimaerwärmung. Wie viel klimaschädliches Kohlendioxid durch den Brand des Meppener Moores freigesetzt wird, ist offen. Der Naturschutzbund Nabu rechnet bei Schwelbränden auf einer Fläche von fünf Quadratkilometern mit 500.000 bis 900.000 Tonnen Kohlendioxid – etwa so viel wie 50 000 Bundesbürger im Schnitt pro Jahr zusammen freisetzen. Selbst aus dem All war der Moorbrand zu sehen, teilte der Deutsche Wetterdienst auf Twitter mit. Auf einem Satellitenbild vom Dienstagnachmittag war die Richtung Nordosten ziehende Rauchsäule gut zu erkennen. (dpa, Tsp)

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