14 Millionen sehen „Wetten, dass...?“-Revival: ZDF denkt über Fortsetzung nach, Gottschalk bleibt gelassen
Mit Abba, Helene Fischer und Udo Lindenberg: Ein tiefenentspannter Thomas Gottschalk hält noch einmal Hof im größten Wohnzimmer der linearen Fernsehwelt.
Einen besseren Zeitpunkt für das vorerst einmalige Revival von „Wetten, dass..?“ konnte es nicht geben. Wäre die Spezialsendung der ZDF-Unterhaltungsshow, die im Oktober 2014 nach über 30 Jahren ihre letzte reguläre Ausgabe hatte, tatsächlich wie geplant im vergangenen Jahr zum 70. Geburtstag von Moderator Thomas Gottschalk ausgestrahlt worden – was wegen Corona nicht möglich war -, hätte Thomas Gottschalk nicht mit Björn Ulvaeus und Benny Andersson die beiden männlichen Abba-Mitglieder einen Tag nach dem ersten neuen Album der Kultband nach fast vierzigjähriger Pause auf seinem Riesensofa begrüßen können.
Und auch auf einen gemeinsamen Auftritt der beiden Popstars mit einer umjubelten Helene Fischer hätten die 2500 Zuschauer in der Nürnberger Messehalle und die Millionen an den Fernsehern verzichten müssen. Knapp 14 Millionen Zuschauer sahen die Show im Fernsehen, ein Marktanteil von 45,7 Prozent.
„Wir freuen uns sehr über den großartigen Erfolg der Jubiläumsausgabe. Eine Fortsetzung war eigentlich nie geplant. Angesichts der großen Resonanz werden wir aber sicher darüber noch einmal nachdenken“, teilte Norbert Himmler, noch Programmchef des ZDF und demnächst neuer Intendant des Senders, auf Nachfrage dem Tagesspiegel mit. Gottschalk gibt sich ganz gelassen. „Sitze gerade beim Haareschneiden und überlege, ob wir die Lichterkette am Lerchenberg starten sollen, oder ob ich auf Ende Legende mache! Bin unentschieden!“, sagte der "Bild".
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Sicherlich lässt sich das Abba-Revival für das „Voyage“-Album nicht mit der Spezialausgabe von „Wetten, dass..?“ vergleichen. Doch für das deutsche Unterhaltungsfernsehen war dieser Samstagabend ein durchaus besonderer und zugleich ein außerordentlich gelungener Moment mit einem kurzzeitig sogar händchenhaltenden Moderatorenpaar Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker.
„Ich bin kein Abbatar, ich bin wirklich echt“, sagt der der Entertainer in Anspielung auf die virtuellen Abba-Interpreten, die vom kommenden Jahr an in London ihre Konzerte geben wollen. In der Form, in der sich Gottschalk an diesem Abend präsentierte, braucht er sicherlich noch keinen Avatar. Ebenso wenig wie Altrocker Udo Lindenberg, der mit seinem Song „Kompass“ nach Nürnberg gekommen ist.
In der Vergangenheit verhaftet
Wenn überhaupt, könnte man dem ZDF nur eines vorwerfen - dass man bei dem Versuch, eine perfekte „Wetten, dass..?“-Ausgabe mit den spannendsten Gästen und spektakulärsten Wetten abzuliefern, komplett in der Vergangenheit geblieben ist. So knisterte das TV-Lagerfeuer wie in den 1980er und 1990er Jahren, und auch die viel beschworene Unterhaltungs-Wundertüte wurde ein weiteres Mal geöffnet.
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Doch dabei blieb es denn auch. Von einer Modernisierung, die den aufkommenden Wunsch nach einer dauerhaften Neuauflage rechtfertigen könnte, war nichts zu spüren. Dem Saalpublikum, in dem keineswegs nur die Generation Ü60 saß, war’s sichtbar egal: Mehr Standing Ovations als diesmal hat es wohl noch nie bei „Wetten, dass..?“ gegeben. Als das Publikum dann noch zu einem „Oh, wie ist das schön …“ ansetzte, kam beinahe Stadion-Atmosphäre auf.
Überhaupt: Das „Wetten, dass..?“-Revival war eine der am besten orchestrierten Ausgaben der Samstagabendshow in der langen Geschichte des Formats. Die Wetten überboten sich an Skurrilität höchstens gegenseitig. Selbst jene, die knapp scheiterten, wurden vom Saalpublikum mit besonderem Applaus bedacht. Am Ende gewann die verlorene Wette mit den Dartpfeilen auf der imaginierten Weltkarte sogar den Titel des Wettkönigs.
„Für Wetten wie die Klobürsten-Arie musste man diese Sendung erfinden“, durfte Überraschungsgast Frank Elstner sagen. Dem Erfinder von „Wetten, dass..?“ wurde die Ehre zuteil, nicht nur die erste, sondern nun auch die – vorerst – letzte Wette in der Geschichte dieser Sendung anzusagen.
Elstner appellierte dann auch an den im Publikum sitzenden ZDF-Unterhaltungschef und künftigen ZDF-Intendanten Norbert Himmler, aus dem Revival eine einmal jährliche Dauerveranstaltung zu machen. „Um zu sehen, wie auch Thomas Gottschalk immer älter wird.“
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Der Wunsch nach Perfektion war der Sendung von Beginn an anzumerken. Man könnte meinen, hier wurde eine große Checkliste abgearbeitet: Da durften selbst zwei Social-Media-Stars in den Kulissen nicht fehlen.
Einfach „Mega“, wie Gottschalk zu Lena und Lisa bemerkte. Auch das Thema Gendern wurde kurz gestreift, wenn auch nicht aufgegriffen. So weit geht der 71-Jährige nun doch nicht. Auch das Thema Diversität blieb an diesem Abend außen vor. Dafür gehörte eine „grüne Wette“ mit einem mülltrennenden Hund zum Programm.
Den Shitstorm einkalkuliert
Und ein völlig tiefenentspannter Thomas Gottschalk, der ein ums andere Mal mit seinem Alter kokettierte. Gleich zu Anfang der Sendung stellte er klar, dass es nicht die Frage sei, ob er mit seiner Moderation einen Shitstorm im Internet auslöst, sondern nur, wann die Kritik in den sozialen Netzen einsetzt.
Doch dafür musste er kein Prophet sein, wie ein Blick ins Internet zeigte. Überraschend war eher, wie viel Zuspruch es für die Sendung und die beiden Moderatorenlegenden Gottschalk und Elstner gab.
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Gottschalk war jedenfalls dreieinhalb Stunden der nahezu perfekte Gastgeber. Nur einmal, als er Schauspielerin Svenja Jung mit falschem Vornamen anredete, unterlief ihm ein echter Patzer. Doch von der Unkonzentriertheit, die man ihm in den letzten Jahren seiner „Wetten, dass..?“-Moderation mitunter vorgeworfen hat, war ansonsten wenig zu spüren.
Gottschalk zeigte sich ebenso locker wie schlagfertig, nicht nur bei der Beruhigung der TV-Zuschauer wegen der Corona-Regeln im Saal: „Ich bin 3G – geimpft, getestet und geschminkt.“
Thommy, der Sonnenkönig mit seiner goldenen Jacke, er genoss es in vollen Zügen und mit einem Strahlen über das ganze Gesicht, noch einmal im größten Wohnzimmer der linearen Fernsehwelt Hof zu halten.
Wie in einem Mehrgenerationen-Haushalt durfte er dabei sogar die Huldigungen von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, den beiden wohl besten Fernsehmoderatoren der Nachfolgegeneration, entgegennehmen. Vielleicht hat „Wetten, dass..?“ tatsächlich eine Zukunft. In welcher Form und mit welchem Moderator auch immer.