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Früher zurück aus der Sommerpause: Maybrit Illner
© ZDF und Jule Roehr

„Maybrit Illner spezial“: Woran ist der Westen gescheitert?

Das Desaster in Afghanistan holte Maybrit Illner früher aus der Sommerpause zurück. Ein wichtiger Talk zur richtigen Zeit, der Verantwortliche recht klar benannte.

Es ist bizarr – während in Kabul vermutlich zur gleichen Stunde immer noch tausende von Menschen am Flughafen darauf warten, ausgeflogen zu werden, fliehen zu können vor den Taliban und noch viel mehr verzweifelt versuchen, überhaupt auf das Flughafengelände zu gelangen – wird im ZDF darüber diskutiert, woran der Westen in Afghanistan gescheitert ist.

Ja, es geht nicht darum, ob er gescheitert ist. Da muss nicht mehr diskutiert werden, auch wenn bei Maybrit Illner der CDU-Politiker Johann Wadepuhl ohne direkten Widerspruch feststellen darf, es seien 20 gute Jahre gewesen für viele Menschen in diesem Land. Aber sein hinhaltendes Argumentieren ändert nichts an der allgemeinen Übereinstimmung in der Diskussionsrunde, dass das Geschehen der  letzten Tage so etwas wie eine Katastrophe mit Ansage gewesen ist, und dass sich der Westen, dass sich auch Deutschland nie die Frage gestellt haben, ob das denn überhaupt erreichbar sei, was als politische Ziele einmal ausgegeben wurde. Erinnert sich noch jemand? Demokratieexport, Menschenrechte waren die Schlagworte.

Da muss man nur Souad Mekhennet hören, die Sicherheitskorrespondentin der Washington Post, die das Erstaunen über den schnellen Vormarsch der Taliban und den Kollaps der afghanischen Armee mit der erstaunten Feststellung kontert, dass sie völlig überrascht über das lange Warten der westlichen Politik gewesen sei, endlich die Rettungsmission für die eigenen Leute und die Ortskräfte zu starten. Und warum man sich nicht schon längst die Frage gestellt habe, ob das nicht 20 vertane Jahre gewesen seien.

Und ungestellte Fragen gab es wohl viele. Eine griff Oberstleutnant André Wüstner, der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, gleich am Beginn auf. Er erinnerte daran, dass die Bundeswehr auf eine Evakuierungsmission natürlich vorbereitet gewesen war – dass deren Start aber eben eine politische Entscheidung gewesen ist – eine, die nicht fiel.

Die Verzweiflung der Reporterin und die ihrer Kollegen

Ob das daran lag, dass nur der BND die falschen Kontakte hatte, oder nicht viel mehr daran, dass die deutsche Politik, dass das Außenministerium, das Verteidigungsministerium und das Kanzleramt einfach blind waren und sich selbst einlullten in der Versicherung der Nachrichtendienste, vor dem 11. September gebe es keinen Taliban-Sturm auf Kabul – darüber muss man nicht mehr spekulieren.

Die deutsche ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf und die Journalistin Fatoni Izaaqzai-Teichmann, die zu den ersten sieben mit einer Bundeswehrmaschine ausgeflogenen Ortskräften gehörte, sprachen von falschen Inforationen über Zugangswege zum Flughafen, über ihre Verzweiflung und die ihrer Kollegen.

Katrin Eigendorf fragte geradezu verzweifelt in die Runde, woran es denn wohl gelegen haben könne, dass die Journalisten vor Ort mehr Informationen über die Lage hatten als die eigenen Nachrichtendienste. Waren die Deutschen mal wieder ein Opfer ihrer Überorganisationen geworden? Wenn der CDU-Parlamentarier Johann Wadepuhl zur Kritik an der schleppenden Behandlung der Ausreisebitten der Ortskräfte nur die Erklärung einfällt, das Verfahren laufe seit Jahren so, ahnt man, wo die Katastrophe ihren Anfang nahm und wo sie an Fahrt gewann.

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Da hilft am Ende auch die Ausrede nicht, die Amerikaner hätten auf dem Flughafen nicht die notwendigen Informationen geliefert. Und wenn Spezialkräfte der US-Armee und des französischen und britischen Heeres ihre Ortskräfte unter militärischen Schutz äuf den Flughafen bringen konnten, die Bundeswehr aber bis zum gestrigen Abend nicht, obwohl sie dazu in der Lage gewesen wäre – was ist das denn außer politischem Versagen? Kein Truppenkommandeur gibt ohne politische Absicherung solche Einsatzbefehle.

Während der 45-minütigen Sendung erwies es sich als klug, dass die wohl als prominentester Gast geladene Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock zurückhaltend blieb. Kanzlerin, Außenminister und Verteidigungsministerin müssten sofort alles tun, damit die Ortskräfte gerettet werden. Und die Kanzlerin solle die Leitung eines Gesamtkrisenstabes sofort an sich ziehen.

Ja, kann man da nur zustimmen. Das wechselseitige Beleidigtsein der beiden Ressortminister ist jedenfalls eine Zumutung – eine lebensgefährliche.

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