Journalisten diskutieren mit AfD: "Wir wollen niemanden bevormunden"
Die Fernsehjournalisten Peter Frey und Kai Gniffke haben in Dresden mit AfD-Vertretern gesprochen. "Wir haben uns nicht gekloppt, es war ein Anfang", heißt es nachher.
Fernsehchefredakteure bekommen ja viele Programmvorschläge auf den Tisch. Dieser ist neu: Eine Talkshow speziell für AfD-Anhänger, eine, die „konservativ rechts“ ist, moderiert von der rechten Galionsfigur Götz Kubitschek. Ob er bereit wäre, so eine Sendung einzurichten? „Nein“, stellt ZDF-Chefredakteur Peter Frey ohne Zögern klar. Ebenso wenig wie eine Talkshow für irgendeine andere Partei. „Das würde ich mir sehr langweilig vorstellen.“
Die Diskussion, die am Donnerstagabend in der Dresdner Messe stattfindet, soll dagegen zwei Lager zusammenbringen, deren Verhältnis gelinde gesagt erheblich gestört ist. So sehr, dass es am Ende alle schon als Erfolg ansehen, überhaupt miteinander gesprochen zu haben. „Es war ein Anfang, wir haben uns nicht gekloppt“, stellt ZDF-Mann Frey zufrieden fest.
Dass es dem AfD-Kreisverband Dresden gelungen war, nicht nur den ZDF-Chefredakteur, sondern auch dessen ARD-Kollegen Kai Gniffke als Leiter von ARD aktuell („Tagesschau“, „Tagesthemen“) für eine Debatte über „Medien und Meinung“ zu gewinnen, war schon eine Überraschung. Dass es die beiden Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dabei schwer haben würden, war absehbar. Aber sie stellen sich dem Disput, immerhin sind auch das hier Beitragszahler.
Die unterschwellige Gereiztheit bleibt
Das Publikum klatscht freundlich zur Begrüßung, die unterschwellige Gereiztheit ist jedoch spürbar. Ein ums andere Mal bittet der Moderator: „Mäßigen Sie sich!“ Mit Erfolg. Vor etwa 300 Zuhörern haben sich die Vertreter von ARD und ZDF auseinanderzusetzen mit Nicolaus Fest und Michael Klonovsky, zwei ehemaligen Journalisten, die jetzt für die AfD aktiv sind – letzterer als enger Mitarbeiter von Alexander Gauland. Und mit zwei Moderatoren, die ihre Rolle weniger darin sehen, zu vermitteln, sondern ebenfalls Ankläger zu sein.
Aller Kritik an den Medien, wie sie an diesem Abend geäußert wird, liegt im Grunde ein Vorwurf zugrunde: Es gebe einen großen Teil der Bevölkerung, der nicht angemessen repräsentiert wird. Zum Beispiel, weil angeblich fast alle Journalisten eher links-grün gestrickt seien oder weil rechte Meinungen etwa in Talkshows nicht genügend berücksichtigt würden. Sogar beim „Tatort“ stimme was nicht. Da gebe es keinen Kommissar, der in einer bürgerlichen Vater-Mutter-Kind-Familie lebe.
Vor allem geht es natürlich um aktuelle Berichterstattung etwa über die Vorfälle in Chemnitz, die Silvesternacht in Köln, die von Migranten begangenen Morde in Freiburg oder Offenburg. Es werde entweder gar nicht berichtet, falsch oder zumindest tendenziös, müssen sich Gniffke und Frey anhören. Beide versuchen wacker, sachlich gegenzuhalten. „Es ist nicht unserer Aufgabe, Verdächtigungen zu verbreiten. Wir berichten, wenn wir wissen, was passiert ist“, so Peter Frey. Und ARD-Kollege Gniffke erklärt, nicht jeder Einzelfall, so schrecklich er auch sei, könne ein Thema für die „Tagesschau“ sein. Es gehe doch gar nicht um Einzelfälle, wird ihm entgegengehalten. Sondern um ein offenbar typisches Muster von Migrantenkriminalität.
Ausführlich versuchen die Fernsehleute, die Standards journalistischer Arbeit zu erläutern. Man habe Fakten zu liefern. Die Entscheidung, ob sie gut oder schlecht sind, liege beim Publikum. Klonovsky behauptet hingegen, die meisten Journalisten meinten, das Publikum belehren zu müssen. Was die Kontrahenten natürlich nicht so stehen lassen. „Bericht und Kommentar werden getrennt. Wer das bei uns nicht beherrscht, fliegt raus“, erklärt Kai Gniffke. Und erntet nicht nur an dieser Stelle spöttisches Gelächter. Selbst als es darum geht, dass Journalisten bei Demonstrationen bedrängt und angegriffen werden, gibt es höhnisches „Ooch“ aus dem Publikum. Frey gelingt es aber , sich nicht provozieren zu lassen: „Wenn Sie dazu beitragen, dass so was künftig nicht mehr passiert, wäre es schon ein Erfolg“.
"Klären Sie ihr Verhältnis zum Rechtsextremismus"
Auch Fehler einzugestehen und zu berichtigen, gehört zu den journalistischen Pflichten. „Wenn wir einen Bock geschossen haben, stehen wir dazu“, sagt Gniffke zur AfD-Kritik an den Medien. Frey gesteht ein: „Es gibt Defizite.“ In der Vergangenheit habe man die Lage im Osten wohl manchmal falsch eingeschätzt, sich blenden lassen und manches zu unkritisch betrachtet. „Es darf keine Region geben, wo das ZDF nicht hingeht. Wir müssen da sein, wo die Leute Probleme haben.“
Frey reagierte auf den Vorwurf, die AfD würde zu wenig in den öffentlich-rechtlichen Sendern vorkommen mit einer Statistik. Demnach kamen in den ZDF-Nachrichtensendungen die AfD innerhalb von zehn Monaten auf 171 Fernseh-O-Töne, die FDP in denselben Sendungen auf 120, die Linke auf 160 und die Grünen auf 230 O-Töne. „Wir müssen auch über den Ton reden, den Teile Ihrer Partei gegenüber Medienvertretern anschlagen“, sagt Frey und bezieht sich auf eine Äußerung aus der AfD, in einer Revolution würden Funkhäuser und Verlage „gestürmt“ und „Staatsberichterstatter auf die Straße“ gezerrt. Was den Tonfall angeht, habe er recht, gesteht immerhin AfD-Politiker Fest zu. „Es wäre schön, wenn Herr Klonovsky das auch mal in eine Rede von Alexander Gauland schreiben würde“, kontert Frey. Und er fordert: „Wenn Sie in die bürgerliche Mitte wollen, müssen Sie Ihr Verhältnis zum Rechtsextremismus klären.“
Das Publikum überzeugen oder gar umstimmen zu können, damit haben Kai Gniffke und Peter Frey erst gar nicht gerechnet. „Wir spüren, wie der Saal denkt und das ist für uns bedrückend“, sagt Frey. Zwischenzeitlich klingt es fast wie Kapitulation, als er gesteht: „Sie haben ja die Freiheit abzuschalten.“ Gleichwohl gibt es auch höflichen Schlussapplaus, und mancher wird es ihnen zugutehalten, sich überhaupt dem Gespräch gestellt zu haben.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Textes stand irrtümlicherweise, Nicolaus Fest säße für die AfD im Bundestag. Dem ist nicht so. Fest kandidierte zwar für die Berliner AfD, ihm gelang jedoch nicht der Einzug in den Bundestag.