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Maybrit Illner und ihre Gäste
© /ZDF

Ukrainische Verlegerin Mishchenko bei Maybrit Illner: „Wir wollen, dass Russland uns in Ruhe lässt“

Maybrit Illner diskutiert mit ihren Gästen über die Ukraine-Krise. Gefordert wird eine klare politische Position der Bundesregierung.

Die ukrainische Verlegerin Kateryna Mishchenko findet bei Maybrit Illner deutliche Worte an die deutsche Politik: „Die Menschen in der Ukraine brauchen eine klare politische Position“. Das fordert auch die Sicherheitsexpertin Ulrike Franke und rät zu besserer Kommunikation seitens der Bundesregierung. Das Ansehen Deutschlands habe bei den Verbündeten in den letzten Wochen extrem gelitten, mahnt sie. 

Dass es sich bei Illner dieses Mal nicht um die Corona-Politik gedreht hat, wird einige Zuschauer gefreut haben. Das Thema aber ist nicht einfacher. Zusammen mit Mishchenko und Franke diskutieren bei Illner der frisch gewählte Grünen-Chef Omid Nouripour, SPD-Politiker Martin Schulz, CDU-Bundestagsabgeordneter Norbert Röttgen und der russische Europa-Experte Wladislaw Below. Titel der Sendung: „Putin-Versteher oder Amerika-Freund – Deutschland zwischen den Fronten?“

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Immer wieder hat die Bundesregierung in den vergangenen Wochen klargestellt, dass es keine Waffenlieferungen in die Ukraine geben wird. Im Studio ist man sich hier uneinig. „Ich sehe keine Veranlassung, wo mit einer Waffenlieferung an die Ukraine die Lage entspannt werden könnte“, sagt der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Es sollte nicht über Waffenlieferungen, sondern „Wege zur diplomatischen Beruhigung“ gesprochen werden.

Grünen-Chef Nouripour stimmt Schulz zu und spricht von der Stunde der Diplomatie. Mit einer lauten Diskussion über Waffenlieferungen dürfe man Spielräume der Diplomatie nun nicht „einengen“.

„Die Ukraine braucht Waffen, sie ist bedroht“, sagt Röttgen und erinnert an etwa 14.000 getötete Menschen in der Ostukraine seit 2014. Das Land habe das Recht, sich zu verteidigen, sagt er. Waffenlieferungen aus Deutschland hält jedoch auch der CDU-Politiker für den falschen Weg. Nicht aus „Gründen unserer Vergangenheit“, wie er sagt, sondern, weil Deutschland über besondere Gesprächsfähigkeiten und -möglichkeiten zu Russland verfüge und Waffenlieferungen diese zerstören könnten.

„Wir machen es uns in Deutschland einfach, wenn wir so tun, als seien Waffenlieferungen an die Ukraine Eskalation“, hält Sicherheitsexpertin Franke dagegen. Waffenlieferungen hätten eine Signalwirkung, sagt sie. Deutschland würde damit zeigen, dass es hinter der Position der Nato steht. Auch hätten sie eine Abschreckungslogik, argumentiert die Expertin für Verteidigungspolitik. „Und das ist letztendlich eine Deeskalationslogik“, sagt sie. Wenn die Ukraine aufgerüstet werde, treibe man die Kosten eines russischen Angriffes hoch.

Zugeschaltet aus Kiew ist Verlegerin Mishchenko. Eine Verweigerung von Waffenlieferungen sei als politische Geste interpretierbar, sagt sie. In Kombination mit der Gaspipeline Nord Stream 2 ließe sich das als „Russlandfreundlichkeit“ und nicht als Bereitschaft, die Ukraine in „so einer schwierigen, drohenden Situation richtig zu unterstützen“ lesen.

Was will Putin?

Immer wieder stellt sich während der Sendung die Frage nach den Motiven Putins. Die Frage nach dem „Ob“ sei geklärt, ist sich Röttgen sicher. Putin sei entschlossen. Mit der Ordnung, wie sie sich nach Ende des Kalten Krieges ergeben habe, sei er nicht einverstanden und könne sich nicht damit abfinden, dass Russland keine imperiale Macht mehr in Europa sei. Das zu ändern, sei sein Lebensziel.

Dann sei da noch die Frage nach dem „Wann“ und „Wie“. „Es könnte sein, dass er die Gelegenheit für günstig hält“, mutmaßt Röttgen. Die Europäer nehme Putin nicht ernst. „Wir sind eigentlich in der schlechtesten Verfassung seit den römischen Verträgen.“ Auch die USA sei nicht in der besten politischen Verfassung, den Zeitpunkt könnte Putin daher für opportun halten.

„Ich denke eigentlich, dass weder die Situation in den USA noch in Europa wirklich ausschlaggebend ist“, widerspricht Franke. Ein „Warum jetzt?“ würde sie mit „Warum jetzt nicht?“ beantworten. Putin wolle die europäische Sicherheitsarchitektur verändern, da stimmt sie Röttgen zu. Er wolle möglichst wenig USA und möglichst wenig Nato in Europa.

Als Aggressoren möchte der aus Moskau zugeschaltete Below Russland nicht verstehen. Man wolle die Amerikaner an den Verhandlungstisch holen, sagt er. Es sei erstaunlich, wie falsch der „kollektive Westen“ die Interessen Russlands verstehe.

Dass Bundeskanzler Scholz nach Russland reisen möchte, um zu verhandeln, hält SPD-Mann Schulz für zielführend. Dafür brauche es aber eine klare Positionierung, fordert Franke.

Was will Deutschland?

Zum Ende der Sendung greift Mishchenko noch einmal die große Frage auf, was Putin eigentlich wolle. „Diese Frage höre ich schon seit acht Jahren“, sagt sie, ohne dass sie je eine Antwort bekomme. Vielleicht sei es interessanter und auch produktiver, sich damit auseinanderzusetzen, was Europa wolle. „Oder noch interessanter: Was will eigentlich Deutschland?“, fragt Mishchenko. Die Wirtschaft und die „Geschäfte“ seien oft wichtiger als die „gelobten europäischen Werte“, sagt sie und spielt auf Nord Stream 2 an, das zuvor ausgiebig diskutiert wurde.

Auf die Frage, was die Menschen in der Ukraine wollen, hat sie eine klare Antwort. „Wir wollen keinen Krieg.“ Und dann: „Wir wollen, dass Russland uns in Ruhe lässt“.

David Rech

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