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Das Phantom. Bei der „Berliner Runde“ sitzt die AfD mit am Tisch – als großes Thema. Eingeladen wird die Partei aber auch nicht zur Berlin-Wahl am 18. September.
© picture alliance / dpa

"Berliner Runde" im TV: Wir müssen draußen bleiben

Nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern gab es Kritik daran, dass die „Berliner Runde“ ohne AfD stattfand. ARD und ZDF wollen an den Regeln festhalten. Doch was meinen die Parteien dazu?

Der Aufschrei war groß nach den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern am vergangenen Sonntag, als die AfD um halb acht im Ersten außen vor gelassen wurde, wo Spitzenpolitiker den Wahlausgang diskutierten. Daran dürfte sich auch bei der nächsten „Berliner Runde“ im ZDF bei der Berlin-Wahl am 18. September nichts ändern. Das Zweite bestätigte auf Anfrage des Tagesspiegels, dass es sich weiter bei der Gäste-Auswahl an der Fünf-Prozent-Hürde orientiere. Die „Berliner Runde“ nach Landtagswahlen habe die Aufgabe, mit Vertretern der im Deutschen Bundestag in Fraktionsstärke vertretenen Parteien aus der Perspektive der Bundespolitik das Ergebnis des Wahlsonntags zu besprechen. Dieses Regelwerk bestehe seit Jahrzehnten und habe im Einzelfall immer wieder dazu geführt, dass auf Landesebene erfolgreiche Parteien wie die NPD oder die Piraten nicht zur „Berliner Runde“ gebeten wurden.

Juristisch angreifbar?

Ähnlich sieht das die ARD. „Diese Regel für die Zusammensetzung haben sich beide öffentlich-rechtlichen Sender nach entsprechender juristischer Beratung vor längerer Zeit gegeben“, sagte ARD-Chefredakteur Rainald Becker. Man könne unter anderem deshalb nicht flexibler reagieren, weil die Sender in möglichen anderen Fällen juristisch angreifbar wären.

Wie lange ist das durchzuziehen? Hält man sich dadurch Ärger vom Leib? Erinnert sei an die Debatte um die „Elefantenrunde“ vor der Wahl in Rheinland-Pfalz im März, als SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer an der SWR-Gesprächsrunde nicht teilnahm. Dreyer hatte eine gemeinsame Sendung mit AfD-Vertretern abgelehnt und dies mit rechtsradikalen Tendenzen der Partei begründet.

Von den im Bundestag vertretenen Parteien wollte sich nur die Opposition zu dieser Problematik äußern. „Als bundespolitisches Format diskutieren bei der ,Berliner Runde‘ seit jeher die im Bundestag vertretenen Parteien die bundesweiten Auswirkungen von Wahlen“, sagte die Medienpolitikerin der Grünen, Tabea Rößner. Es erschließe sich ihr nicht, warum diese Regel aufgrund eines Landeswahlerfolges der AfD durchbrochen werden sollte, klare Regeln sollten nicht einfach so über Bord geworfen werden. „Wenn überhaupt könnte man eher fragen, warum die CSU da eigentlich sitzt?“ Schließlich bilde sie mit der CDU eine Fraktion, dann sollte es nur einen Vertreter geben. Letztlich aber liege die Verantwortung für die Gestaltung der Sendung bei den Sendern. Da habe sich die Politik nicht einzumischen.

Eine ähnliche Meinung vertritt Harald Petzold von der Bundestagsfraktion der Linken. „Es gibt einen guten Grund dafür, dass die AfD nicht in der ,Berliner Runde‘ vertreten ist: Sie ist nicht im Bundestag vertreten.“ Die Regel gelte für alle, oder sie gilt nicht. Im Übrigen verliere die Republik nichts, wenn die AfD nicht in der „Berliner Runde“ vertreten sei. „Wenn jemand in diesem Land die Lüge zum Prinzip des politischen Handelns gemacht hat, dann die AfD.“ Mit ihren Äußerungen und politischen Statements, die regelmäßig an Hetze und Verleumdung erinnern, verletzten die AfD und deren RepräsentantInnen pausenlos die Würde der übergroßen Mehrheit in diesem Land. „Deswegen könne unsere freiheitlich-demokratische Presse, wenn sie der Lüge keinen Raum geben wolle, auch erhobenen Hauptes die Vorwürfe derjenigen kontern, die ihr Lüge unterstellen.“

"Selbst auferlegte Zensur"

Der FDP-Medienpolitiker Burkhardt Müller-Sönksen hat da eine andere Einstellung: „Die Frage, ob eine Partei vor drei Jahren nicht in den Bundestag gekommen ist, kann juristisch formal simpel festgestellt werden.“ Dieses Kriterium allein eigne sich jedoch nach journalistischen Maßstäben von gebotener Sorgfalt und Neutralität überhaupt nicht, die Gegenwart und Zukunft angemessen aufzuarbeiten und zu bewerten. „Eine Partei, die um 0,1 Prozentpunkte die Fünf-Prozent-Hürde verpasst hat (wie die FDP, Anmerkung der Redaktion) oder eine Partei, die in einem Bundesland auf Anhieb mehr als ein Fünftel aller Stimmen auf sich vereinigen konnte, aus einem politischen Diskurs auszusperren, ist – selbst auferlegte – Zensur.“ Wichtige Sendungen, die 36 Monate zurückliegende Wahlentscheidungen morgen zum Maßstab der einzuladenden beziehungsweise nicht einzuladenden Gäste machen, das fördere das Bild der Medien- und Politikverdrossenheit der Bürger.

Das Thema dürfte bei der nächsten „Berliner Runde“ schon in einer Woche wieder hochkochen. In ARD-Intendanten-Kreisen wird das Bonmot herumgereicht: Das Format sei nicht reanimabel.

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