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Beim ZDF-Zweiteiler, der gerade in Berlin und Potsdam gedreht wurde, hat Dror Zahavi (v.l.n.r.) Regie geführt. Im Mittelpunkt der Handlung stehen die Rollen von Iris Berben und Jürgen Vogel. Produziert wird „Familie“ von Oliver Berben und Jan Ehlert.
© ZDF und Hans-Joachim Pfeiffer

Interview mit Oliver Berben: „Wir brechen nichts übers Knie“

Produzent Oliver Berben über den neuen Wettbewerb im TV-Geschäft, Amazon, Netflix, seine Mutter und das große Thema Familie.

Herr Berben, Sie haben gerade als Produzent in Berlin und Potsdam den Zweiteiler „Familie“ abgedreht, der voraussichtlich im Herbst im ZDF zu sehen sein wird. Was verbinden Sie mit dem Begriff Familie?

Ich bin den 80er Jahren mit den großen deutschen Familienserien groß geworden. Die langen Multicharakter-Geschichten wie „Diese Drombuschs“ und „Die Guldenburgs“ habe ich geliebt. So etwas gibt es heute nicht mehr. Wir wollten das unter modernen Gesichtspunkten neu erzählen. Also, wie wir heute Familie definieren als kleines Abbild der Gesellschaft.

Gedreht wurde unter anderem am Heiligen See in Potsdam, in dem ehemaligen Restaurant Kellermann.
In der Villa lebt die Großmutter. Das Haus ist zwar einen Tick zu groß, aber es passt baulich genau, weil es die ganze Geschichte der Dynastie widerspiegelt. Im Zentrum stehen Jürgen Vogel, der einen Sternekoch spielt, und Iris Berben als dessen Filmmutter, eine angesehene Familienanwältin aus Hamburg. Anna Maria Mühe spielt die Lebensgefährtin von Jürgen Vogel, Natalia Belitski seine Geliebte.

Wodurch wird diese Familie zu einer modernen Familie?
Zu dieser Patchwork-Familie gehören die verschiedensten Figuren. Da geht eine Ehe kaputt, dann kommt ein neuer Familienteil dazu, inklusive Kinder. Jürgen Vogel in seiner Rolle als Lennart Behrwaldt und Anna Maria Mühe als Melanie Dombrowski sind ein typisches Beispiel. Sie hat bereits ein Kind aus einer anderen Beziehung. Und nun kommt eine gemeinsame Tochter dazu, aber eben auch die Schwiegereltern, darunter Melanies Mutter Doris, gespielt von Katharina Thalbach. Diese Familie war für mich der Grundgedanke, wie man heute so eine Geschichte erzählt, im Hinblick auf die modernen Serien, die uns alle so begeistern. Die Serie ist sehr stark auf die Charaktere ausgerichtet, weniger auf die Handlung.

Sie sprechen von einer Serie. Ist „Familie“ nicht als Zweiteiler konzipiert?
Wir werden beides herstellen: den Zweiteiler für deutsche Fernsehen, aber international auch die Mini-Serie mit viermal 45 Minuten. Die kürzeren Teile eignen sich vor allem für den Streaming-Bereich.

Gibt es dafür schon Verträge?
Wir halten die Verträge bis zur Fertigstellung des Produkts zurück. Wir bei Constantin wollen für die Produktionen, die wir selber entwickeln, die Rechte selbst auswerten. Wir übernehmen dann gerne auch Teile der Finanzierung. Dabei spielt auch die Forderung eine Rolle, dass Serien eine bessere Qualität haben sollen. Das ist zum einen eine erzählerische Frage, also der Drehbücher. Zum anderen ist es auch eine Geldfrage, weil Sie die Entwicklung längerziehen können, wenn Sie mehr Geld haben. An „Familie“ sind bis zu drei Autoren beteiligt. Es hat für alle Beteiligten Vorteile, wenn wir selber mitpartizipieren. Wir legen uns mehr ins Zeug, weil wir wollen, dass sich das möglichst gut verkauft.

Geht so eine Abwicklung mit dem ZDF einfacher als mit der ARD?
Das ZDF ist schneller, weil sie in ihrer Struktur einfacher gestrickt sind. Die ARD macht das aber genauso. Die Verfilmung des Theaterstücks „Terror“ von Ferdinand von Schirach wollten wir auch von Anfang an selber produzieren und die Rechte daran halten. Die ARD ist Koproduzent. Die Sender haben den Vorteil, dass sie ein sehr viel hochwertigeres Programm für das gleiche oder weniger Geld bekommen. Das ist ein Zukunftsmodell, das für alle sinnvoll ist. Es gibt keine Alternative dazu. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen wir unsere Programme immer weiter verbessern.

Was sind denn Ihre Pläne für die neuen Plattformen wie Amazon oder Netflix?
Aus Produzentensicht sind das zwei Anbieter, die in Deutschland bislang zwei Serien in Auftrag gegeben haben. Das ist minimalst im Vergleich zu dem, was die Zuschauer konsumieren oder zu dem, was die bestehenden Sender in Auftrag geben. Anders gesagt: Die Dinge verändern sich, aber es bringt nichts, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Ich habe kein Interesse, für Netflix eine Serie zu machen, die ich zu hundert Prozent finanzieren und später als Auftragsempfänger nach Hause gehe. Das kann ich auch für ARD und ZDF oder RTL machen.

Die neuen Anbieter machen aber auch neue Formate möglich.
Tatsächlich hat das auch Auswirkungen auf die klassischen Sender. Jetzt müssen wir aufpassen, dass wir die Produzenten und deren Stoffe nicht verlieren, heißt es dort. Deshalb bin ich mir sicher, dass wir als Produzenten in einer guten Zeit leben. Die Sender haben sich schon verändert, das merken Sie an so etwas wie der Thriller-Serie „Blochin“, „Schuld“ nach den Bestsellern von Ferdinand von Schirach oder der Serie „Morgen hör ich auf“ mit Bastian Pastewka. Das hätte es doch vor fünf Jahren nicht gegeben. Die Sender sind stärker bereit, mutiger, radikaler Programm zu machen.

Wie viele Stoffe schauen Sie sich an, bevor Sie einen Stoff auswählen?
Von denen, die wir angeboten bekommen, sind es sehr wenige. Wir entwickeln diese Dinge vielmehr weitgehend selbst. Auch „Familie“ war eine Idee, die mich persönlich sehr interessiert. Das haben wir zwei Jahre lang entwickelt.

Wonach richten Sie sich bei der Auswahl der Stoffe, nach Ihrem inneren Kompass?
So etwas ist immer gefährlich. Ich weiß nicht immer, wo Norden ist und lasse mich eher von meinem Bauchgefühl leiten. Bei der Auswahl der Stoffe versuche ich mich darauf zu konzentrieren, was mir persönlich gefallen könnte. Ein paar Mal habe ich rein kalkulativ entschieden, wie beim Kinofilm „Autobahnraser“, in dem es um Autobahnpolizisten und junge Leute ging, die davon fasziniert waren, Rennen zu fahren. Das Kalkül war, dass man damit ein junges männliches Publikum ins Kino bekommt. Das hat mich selber gar nicht so sehr interessiert und hat am Ende auch nicht funktioniert. Ein teurer Verlust.

Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen Ihnen und Ihrer Mutter Iris Berben, wenn es um die Auswahl der Stoffe geht?
Der Zweiteiler „Familie“ ist seit Längerem das erste Projekt, das wir wieder zusammen machen. Das Zusammenspiel funktioniert beidseitig. Wenn sie etwas liest, das interessant ist, dann reicht sie es bei uns ein. Und wenn wir das für sinnvoll halten, dann diskutieren wir auch gerne lange darüber. Und umgekehrt genauso. Was wir nicht machen, ist etwas über das Knie zu brechen.

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