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Die Debatte bei Maybrit Illner im ZDF war lebhafter als bei der ARD-Kollegin Anne Will.
© TSP

Talkshows zu Landtagswahlen: Will und Illner bleiben Antworten schuldig

ARD und ZDF ließen am Wahlsonntag ihre zwei Polit-Talkerinnen Anne Will und Maybrit Illner gegeneinander antreten. Thematisch waren sich die Sendungen sehr ähnlich.

Also: Wenn die angeblich wichtigste politische Talkshow der ARD („Anne Will“) und die angeblich wichtigste Talkshow des ZDF („Maybrit Illner“) zeitgleich gegeneinander senden (Sonntagabend von ungefähr viertel nach zehn bis ungefähr viertel nach elf) und dann auch noch zum gleichen Thema („Die Richtungswahl – Abrechnung mit Merkels Flüchtlingspolitik?“ beziehungsweise „Wahlen im Land – Quittung für Berlin?“ – man beachte die Fragezeichen und die Gedankenstriche), dann müsste doch dieses Deutschland ganz nah am Abgrund stehen – oder?

Oder auch nicht. Was war passiert bis viertel nach zehn? In drei Bundesländern wurde gewählt, einiges ist durcheinandergeraten, die Wahlbeteiligung stieg und die AfD schaffte es aus dem Stand in alle drei Landtage – in Sachsen-Anhalt wurde die Partei zweitstärkste Kraft hinter der CDU. All das bekam man als Fernsehzuschauer angenehm unaufgeregt von der ARD und dem ZDF gezeigt und erklärt, irgendwann gab es dann einen schlimmen „Tatort“ im Ersten und ein schlimmes Melodram im Zweiten – schlimmer konnte es für den Fernsehzuschauer also eigentlich nicht mehr werden. Und immerhin haben es die Redaktionen von Will und Illner dann doch auch hinbekommen, unterschiedliche Gäste einzuladen – welche Sendung sollte man sich also anschauen? Logisch: beide.

Gemeinsames Anfangsthema: Politisierung

Das klingt allerdings theoretisch leichter, als es in der Praxis ist, denn wann schaltet man wohin? Aus Gewohnheit startet man mit Anne Will, dort fängt es jedoch sehr gemächlich an, man könnte auch sagen: langweilig. Bei Illner hingegen scheint zu Beginn etwas mehr Verve zu geben – könnte das vielleicht an der Runde liegen? Illner hat Frauke Petry (Will: Beatrix von Storch), von der SPD Thomas Oppermann (Will: Ralf Stegner), von der CDU Peter Tauber (Will: Ursula von der Leyen), von den Grünen Karin Göring-Eckhardt (Will: Robert Habeck) und als politischen Beobachter ZEIT-Chefredakteur und Tagesspiegel-Herausgeber Giovanni di Lorenzo (Will: den Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter) – und sie alle sprechen zunächst über die Politisierung der Gesellschaft.

Und die Runde macht nicht den Eindruck, dass das etwas Schlechtes wäre, im Gegenteil. Und vielleicht ist es genau diese Politisierung, die bei „Maybrit Illner“ für eine lebhafte Debatte sorgt, während bei „Anne Will“... Nun ja, bei „Anne Will“ scheinen sie das Problem der Klatscher nach dem Klatschgate von Heiko Maas' Pressesprecher nicht mehr in den Griff zu kriegen. Jeder Gast schien gleichviele Klatscher mitgebracht zu haben (und anscheinend saßen auch welche von Anne Wills Redaktion im Publikum) – selten wurde in einer Talkshow so unkoordiniert und sinnlos durch die Gegend geklatscht.

"Landtagsprotokolle statt 'Lügenpresse'"

Dabei gab es auch diesmal keinen Grund. Recht schnell redete man nicht mehr über die Wahlen oder über die Politisierung der Gesellschaft, sondern nur noch: über die AfD, was natürlich vor allem Beatrix von Storch sehr gefiel. Stegner redete sich gewohnt in Rage, Habeck nannte die AfD eine „NPD für Besserverdienende“ und Ursula von der Leyen machte immerhin einen Punkt, als sie sagte, von nun ab gebe es nicht mehr „Lügenpresse, sondern nur noch Landtagsprotokolle.“

Nur leider hat man all das in deutschen Talkshows der vergangenen Monate zu oft gesehen: Dass sich da drei oder vier Politiker sehr einig sind über die AfD – und es so den anwesenden AfD-Politikern sehr leicht fällt, sich als „Opfer der politischen Klasse“ in Szene zu setzen. Blöder Nebeneffekt: Man braucht eigentlich keine Moderation mehr, was seltsamerweise im Fall von Anne Will nicht so schlimm wäre, denn die Hoffnungen, die man in sie als Jauch-Nachfolgerin gesetzt hat, konnte sie bisher nicht erfüllen.

Maybrit Illner machte es an diesem Sonntag besser, denn sie versuchte nah an den Landtagswahlen zu bleiben und daraus wurde dann tatsächlich so etwas wie eine Debatte. Am Ende fragte Illner ihre Gäste, ob es ein historischer Tag sei – und bekam keine Antwort. Anne Will fragte, ob sich die Republik verändert habe – und bekam keine Antwort. Aber manchmal sind gute Fragen ja auch besser als schlechte Antworten.

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