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Gerecht oder ungerecht?  17,50 Euro ist der monatliche Betrag für den Rundfunkbeitrag. Er wird unabhängig von der Nutzung öffentlich-rechtlicher Angebote erhoben.
© dpa

Brandenburgerin zahlte keinen Rundfunkbeitrag: „Verweigerung der Beiträge lohnt sich nicht“

Wegen säumiger Rundfunkbeiträge wurde gegen eine alleinerziehende Brandenburgerin ein Haftbefehl ausgestellt. ARD-Experte Hermann Eicher über Recht und Gerechtigkeit der Beiträge..

Herr Eicher, was ist das schiefgelaufen beim Rundfunk Berlin-Brandenburg? Der Sender war gewillt, eine alleinerziehende Mutter in Brandenburg wegen säumiger Rundfunkbeiträge von 309,26 Euro in Haft nehmen zu lassen.

Da wissen Sie mehr als ich. Nach meinem Kenntnisstand hat die Vollstreckungsbehörde (und nicht der RBB) einen Haftbefehl beantragt, um die Abgabe der Vermögensauskunft zu erzwingen. Das ist ein Vorgang, der zunächst völlig unabhängig von der zugrundeliegenden Forderung erfolgt. Auch der Tagesspiegel könnte in diese Situation kommen, wenn ein Schuldner nicht zahlt.

Gilt nun die Ansage der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, dass wegen des Rundfunkbeitrages niemand ins Gefängnis muss, oder gilt diese Ansage nicht?

Die ARD-Vorsitzende hat meines Wissens gesagt, dass man eine „gütliche Einigung mit dem Beitragszahler“ anstrebt. Das gilt natürlich weiter, die Details obliegen aber der Entscheidung der jeweiligen Landesrundfunkanstalt. Für den SWR kann ich sagen, dass tatsächlich eine Erzwingungshaft nicht in Betracht kommt.

Wenn Willes Ansage gilt, wie steht es dann aber um die allgemeine Beitragspflicht? Der Fall in Brandenburg wie jener in Thüringen zeigen ja, dass sich Verweigerung lohnt.

Nein, Verweigerung lohnt sich wirklich nicht. In jedem Falle werden die Verweigerer in das Schuldnerverzeichnis eingetragen mit erheblichen Konsequenzen: Da wird es schon schwierig einen Handyvertrag abzuschließen, weil dann die Bonität des jeweiligen Schuldners – für jeden sichtbar – nicht mehr gegeben ist.

Hermann Eicher, Justiziar des Südwestrundfunks, ist in Sachen Rundfunkbeitrag federführend in der ARD.
Hermann Eicher, Justiziar des Südwestrundfunks, ist in Sachen Rundfunkbeitrag federführend in der ARD.
© SWR/Kristina Schäfer

Die angezielte Beitragsgerechtigkeit wird hier aber unterlaufen, oder?

Nein, nochmal: Es handelt sich um absolute Ausnahmefälle und durch eine Inhaftierung entstünden dann ja auch weitere Kosten, die im schlechtesten Falle vom Beitragszahler zu tragen wären.

Tatsächlich gibt es Gründe, warum jemand von der Beitragspflicht befreit werden kann. Was sind die wesentlichen?

Etwa zehn Prozent aller potenziellen Beitragszahler können und lassen sich auch befreien, wenn sie Sozialleistungen erhalten, zum Beispiel Grundsicherung, Sozialhilfe, ALG II.

Das Erhebungssystem via Rundfunkbeitrag wird seit Beginn 2013 angewendet. Die öffentlich-rechtlichen Sender ARD, ZDF und das Deutschlandradio bekommen seitdem deutlich mehr Geld in die Kasse. Da hat sich der Beitrag bewährt. Was hat sich im Vergleich mit den nutzungsabhängigen Rundfunkgebühren noch verbessert?

Es sind inzwischen deutlich mehr Beitragszahler, der Rundfunkbeitrag verteilt sich also auf mehr Schultern. Die Mehrerträge sind aber in einer Rücklage gelandet und werden nun dafür verwendet, dass der Rundfunkbeitrag bis 2020 stabil bleibt. Ein deutlicher Beweis dafür, dass es nun gerechter zugeht. Im Übrigen ist das „Klingeln an den Türen“ vollständig eingestellt worden und was gab es dazu früher – zu Recht – für Proteste.

Wo muss der Rundfunkbeitrag dringend korrigiert werden? Immerhin konnte früher nur für Radio bezahlt werden.

Der Rundfunkbeitrag ist ja gerade evaluiert worden und dabei wurden auch Anliegen der Rundfunkanstalten berücksichtigt: Ab 1. Januar 2017 können nun Befreiungen endlich auch rückwirkend (drei Jahre) geltend gemacht werden. Für soziale Einrichtungen (beispielsweise Kindergärten und Kitas) wurde der Rundfunkbeitrag unabhängig von der Mitarbeiterzahl auf einen Drittelbeitrag gedeckelt und die Mitarbeiterzahlen werden künftig nicht mehr nach Köpfen, sondern nach Vollzeitäquivalenten gezählt. Und: Geräteabhängig – das steht fest – lässt sich die Rundfunkfinanzierung heute nun wirklich nicht mehr organisieren.

Ist es für einen Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks tatsächlich unvorstellbar, dass jemand kein Fernsehen, kein Radio und keine Online-Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio nutzt?

Vorstellbar ist das natürlich, wenn auch nicht in allen Fällen immer ganz glaubwürdig. Es war eine ganz bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, das Finanzierungssystem nicht von dieser Ausnahme her (in nahezu einhundert Prozent der deutschen Haushalte stehen Geräte, mit denen Rundfunk empfangen werden kann) aufzubauen, weil es ansonsten Kontrollen im privaten Lebensraum geben müsste, die keiner will und die ja 2013 gerade erst abgeschafft wurden.

Das Interview führte Joachim Huber.

Hermann Eicher, Justiziar des Südwestrundfunks, ist in Sachen Rundfunkbeitrag federführend in der ARD.

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