"Tatort" ohne Drehbuch: Ungewöhnlicher "Tatort" mit Ulrike Folkerts
Ohne Drehbuch, sehr viel Dialekt: Der Ludwigshafener „Tatort“ mit Ulrike Folkerts experimentiert. Besser wird er dadurch aber nicht.
Diesmal geht Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), Ludwigshafener Ermittlerin, ins Theater. Es kommt, wie es immer kommt, wenn ein Detektiv oder eine Kommissarin sich einen schönen Abend oder Urlaub machen will: Es geschieht ein Mord, die Arbeit geht weiter. Während Lena pflichtschuldigst über die Pointen auf der Mundartbühne schmunzelt, sinkt die Hauptdarstellerin und Prinzipalin Sophie Fetter (Malou Mott) backstage für immer zu Boden. Sie hatte ein Mohnhörnchen verdrückt, ohne zu ahnen, dass Mohn drin war.
Dagegen war sie allergisch. Anfangs sah es noch nicht unbedingt nach Mord aus. Wie sich herausstellt, steht das Theater „Babbeldasch“ auf einem Grund und Boden, dessen Eigner den Abriss und die Errichtung eines sehr viel profitträchtigeren Neubaus plant. Nur Sophies lebenslanges Nutzungsrecht stand dem entgegen. Ein starkes Mordmotiv für Immo-Spekulant Bohlmann (Harald Dimmler).
Aber ganz so einfach ist es nicht, genauso wie die Idee mit dem etwas anderen „Tatort“–Dreh. Das Babbeldasch-Ensemble ist auch noch da. Wie das bei einem Künstlervölkchen so ist, gibt es Zwist und Eifersucht. Eine Darstellerin wurde von Sophie gefeuert – wollte die sich rächen? Und wie steht es mit Sophies Liebesleben – sie bewegt sich seit über 30 Jahren im Dreieck mit zwei Männern.
Und nun Sophies Tochter Sarah (Petra Mott) – kann es Zufall sein, dass diese Dame angereist ist? Nach dreijähriger Abwesenheit und Streit mit der Mutter? Sie will das Theater weiterführen. Jede Menge Mordmotive. Lena hatte ohnehin vor, sich bei einem Casting bei der Laientruppe zu bewerben. Das setzt sie nun trotz des Zwischenfalls in die Tat um. Niemand kennt sie am „Babbeldasch“.
Kriminaloperette ohne Gesang
Die Szenerie ist aus dem klassischen Whodunit-Genre bekannt: Da haben wir ein Opfer, widerstreitende Interessen, wir haben ein hochmotiviertes Laien-Ensemble, das vielfältige Gründe hat, sich bedroht zu fühlen – jetzt ist eine ordnende Hand vonnöten, die im Chaos der Leidenschaften jene Pfade findet, auf denen die Ermittlung zu was führt.
Diese Rolle übernimmt aber nicht Lena Odenthal, die unerkannt unter den Verdächtigen schnüffelt, sondern Kollegin Johanna Stern (prima: Lisa Bitter), ein cooler Profi, stets auf Draht und an der Sache dran, trotz ihrer Baby-Zwillinge, die immer irgendwo in der Ecke greinen oder pennen. Als Lena auffliegt und sich daraufhin offen ermittelnd mit Johanna zusammentut, entsteht genug Frauenpower, damit der Fall um das Todeshörnchen und um einen zweiten Toten im Milieu aufgeklärt werden kann.
In jüngster Zeit machten die „Tatort“-Ausgaben zwar weiter durch gute Quoten, aber öfter auch durch Einfallslosig- und Schablonenhaftigkeit von sich reden. Diese Ausgabe wagt ein Experiment – und das mit der dienstältesten „Tatort“ Ermittlerin Ulrike Folkerts alias Lena Odenthal. Regisseur Axel Ranisch nennt seinen „Tatort“ eine „Kriminaloperette ohne Gesang“. Es gibt zwar einen Autor, Sönke Andresen, aber der hat nur ein Treatment verfasst. Ein Drehbuch gab es nicht.
Die Figuren, viele von Laien gespielt, reden frei Schnauze. Was auch wegen des Dialekts nicht zur Verständlichkeit dieses Krimis beiträgt. Sie wissen nicht, wie die Geschichte ausgeht, wissen nur, was die Personen, die sie darstellen, im Plot zu tun haben und in welche Richtung sie sich entwickeln sollen.
Solche Experimente hat es in der Fernsehfiktion immer wieder mal gegeben. Man gewinnt durch extemporierte Dialoge einiges an Unmittelbarkeit hinzu. Das wird als erfrischend wahrgenommen. Auf der anderen Seite entstehen im Gesamtzusammenhang Löcher. Da hätte man sich ein bisschen mehr Kunst gewünscht. Da es in der Geschichte um ein Laientheater geht, nimmt man die Laienhaftigkeit der Darbietung hin.
Es ist ja so, dass Laienvorführungen meistens einen Charme besitzen, der etwas Rührendes hat. Ob dieser allerdings die sanfte Verzweiflung aufwiegt, die der Zuschauer angesichts der allfälligen Brüche und Redundanzen verspürt, die bei einem Mangel an professioneller Durcharbeit nicht ausbleiben, ist doch sehr die Frage.
„Tatort – Babbeldasch“, Sonntag, ARD 20 Uhr 15