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Wäscht seine Hände in Unschuld: Kronprinz Mohammed bin Salman.
© Arte

TV-Doku „Mord im Konsulat“: „Unfälle passieren“

Arte-Doku von US-Journalist Martin Smith: Wie Prinz Mohammed bin Salman in die Mordaffäre Jamal Khashoggi verwickelt ist.

In Riad versammelt sich im Dezember 2018 die saudische High Society, um ein Elektroauto-Rennen zu sehen. Zutritt zur königlichen Loge hat auch Martin Smith, ein erfahrener, unter anderem mit acht Emmys ausgezeichneter US-Journalist, ein gut vernetzter Kenner der Konflikte im Nahen und Mittleren Osten. Man sieht ihn durch die Menge schlendern und auch im Gespräch mit dem saudischen Kronprinzen, doch als sich Mohammed bin Salman zum Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul äußert, „hatte ich meine Kamera nicht dabei“, sagt Smith lakonisch.

Also muss er den jungen Herrscher des Königreichs Saudi Arabien zitieren. Er übernehme die volle Verantwortung, weil es unter seiner Aufsicht geschehen sei, habe Salman gesagt, sagt Smith. Wie so etwas passieren könne, ohne dass er, der Kronprinz, davon erfahre, will Smith wissen. „Unfälle passieren“, antwortet der Kronprinz laut Smith. Er sei weder Google noch ein Supercomputer, der die drei Millionen Regierungsmitarbeiter überwachen könne.

Den Dialog gibt Autor Smith erst ziemlich am Ende des Zweiteilers „Mord im Konsulat“ [Arte, Dienstag, um 20 Uhr 15] wieder – sozusagen als besonderer Clou, denn bis zur Ausstrahlung von „The Crown Prince of Saudi-Arabia“, wie das US-Original heißt, im öffentlich-rechtlichen Public Broadcast Service (PBS) im Oktober 2019 hatte sich bin Salman zu seiner eigenen Rolle beim Khashoggi-Mord angeblich noch nicht in der Öffentlichkeit geäußert.

Am 2. Oktober 2018 war der saudische Kolumnist der „Washington Post“, einst ein Anhänger des Kronprinzen, im Konsulat in Istanbul getötet worden. Die Versuche der Saudis, erst den Mord zu leugnen und schließlich die eigene Regierungsbeteiligung zu verschleiern, scheiterten kläglich – an Überwachungsvideos, Tonbandaufnahmen, auch an abgehörten Telefonaten und E-Mails. Nach dem Mord ging im Büro des Kronprinzen die telefonische Botschaft ein: „Sag deinem Boss, die Tat ist vollbracht.“

Die Regierung in Riad behauptet aber, der Mord und die Zerstückelung der Leiche Khashoggis seien eigenmächtige Taten der mit zwei Privatjets nach Istanbul gereisten Agenten. Die mit Saudi-Arabien verbündete US-Regierung hat sich dieser Darstellung angeschlossen, obwohl die CIA erfahren haben will, dass alles auf eine Beteiligung von Salman hindeute. Ende 2019 wurden fünf Mitglieder des Mord-Kommandos zum Tode und drei weitere zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

PR-Desaster für den neuen Herrscher

Am liebsten würde das Regime damit wohl einen Schlussstrich unter die Affäre ziehen, war sie doch ein gewaltiges PR-Desaster für den neuen Herrscher, der noch kurz vor dem Mord als Prinz Charming von den Titelblättern westlicher Medien grinste. Da galt Mohammed bin Salman als Visionär und Reformer, der sein Land modernisierte, Israels Existenzrecht anerkannte und den Frauen endlich das Autofahren erlaubte. Das war schon damals nur die halbe Wahrheit, wie nun der Film von Martin Smith und Linda Hirsch gründlich und kenntnisreich ausführt.

Bevor es ab Mitte des zweiten Teils um den Mord geht, widmet sich der Beitrag mit bemerkenswertem Filmmaterial und Interviews mit Experten, Agenten und Mitgliedern der saudischen Regierung und Königsfamilie der Vorgeschichte: Wieso Salman 2017 von seinem Vater, dem König, zum Kronprinzen ernannt wurde. Wieso er als Verteidigungsminister den Kriegs-Eintritt gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen in Jemen befahl. Wieso er mit Reformen und Zukunftsvisionen Hoffnungen weckte. Wie er Konkurrenten entmachtete. Zwar lockerte er die religiösen Vorschriften für Frauen, doch gleichzeitig ließ er Frauenrechtlerinnen ins Gefängnis werfen. Die Botschaft: Fordert bloß nicht noch mehr Reformen.

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