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Vernebelt. Thomas Häßler als geduldiger Kandidat am Lagerfeuer im Dschungelcamp.
© Tsp

Thomas Häßler im Dschungelcamp: Traurige Tropen

Zwischen Maden-Cocktails und Melancholie: Wie das Dschungelcamp Thomas Häßler doch noch zur Medienfigur gemacht hat.

Wenn Thomas Häßler den Ball hatte, kamen Zuschauer im Stadion auf ihre Kosten, jedenfalls die, die Fans vom 1. FC Köln waren oder der deutschen Nationalmannschaft. Unvergessen Icke Häßlers Tor im November 1989 im Qualifikationsspiel gegen Wales, das Deutschland die Tür zur Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in Italien öffnete, die mit dem Titel gekrönt wurde.

Unvergessen auch jetzt die Bilder täglich am späten Abend aus einer äußerst beliebten RTL-Show, die am nächsten Tag wieder in der „Bild“-Zeitung zu sehen sind: Thomas Häßler beim Maden-Cocktail-Trinken und -Ausspucken, Thomas Häßler beim Fluchen, weil ihm die geliebten Zigaretten weggenommen wurden, Thomas Häßler, der im verschwitzten Muskel-Shirt frustriert in die Kamera guckt.

Mit diesen und ähnlichen Eindrücken hat sich Häßler kurz vorm großen Finale von „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ am Samstagabend vom stillen Außenseiter zum stillen Spitzenreiter gemacht, bei noch fünf verbliebenen Kandidaten. Er ist der Überraschungscast der RTL-Show, die auch im elften Jahr mit ihrer Mischung aus Trash-TV, Krabbelgetier und C-Promi-Recycling aus Australiens tropischem Busch in den vergangenen zwei Wochen hohe Quoten (über sechs Millionen Zuschauer) und Marktanteile von über 40 Prozent geholt hat.

Thomas Häßler als Held der Nationalmannschaft um die 1990er herum
Thomas Häßler als Held der Nationalmannschaft um die 1990er herum
© dpa

Kann sein, dass Häßler kurz vorm Ziel von den RTL-Zuschauern doch noch rausgewählt wird. Kann aber auch sein, dass der Weltmeister von 1990 mit der Dschungelkrone zu – wenn auch zweifelhaftem – spätem zweiten Ruhm verholfen wird. Wer mochte schon sagen, wo sich der begnadete Fußballer in den vergangenen zehn, 15 Jahren nach dem Karriere-Ende bei Austria Salzburg herumgetrieben hat.

Ko-Trainer von Berti Vogts in Nigeria, Technischer Direktor im Iran, Rückkehr ins Rheinland, 2016 ein Auftritt in der RTL-Show „Let’s Dance“, dann der Anruf aus den Tiefen des Amateurfußballs: Häßler ist jetzt Trainer vom Berliner Klub Italia, achte Liga, Bezirksliga Staffel eins, ein Job mit Studenten, Azubis und Hobbykickern.

Ein zweifelhafter Ruhm? Anders als seine Weltmeisterkollegen von 1990 hat der 1966 geborene West-Berliner stets einen größeren Bogen um die Öffentlichkeit gemacht. Wenn Reporter versuchten, einen Gesprächstermin mit dem Spieler Thomas Häßler zu bekommen, dann gab es von der Pressestelle die Antwort: „Der Thomas, der macht nichts.“

Oder wie Lothar Matthäus als Experte, mehr recht als schlecht übrigens

Häßlers Mitspieler, die Weltmeister, haben nach Ende der aktiven Karriere das televisionäre Expertentum zu kultivieren versucht. Thomas Berthold bei Sport 1, Olaf Thon mal hier, mal dort, Lothar Matthäus, mehr recht als schlecht übrigens, als Dauer-Analyst bei Sky. Reichlich Aufmerksamkeit. Trainer-Karrieren von Andreas Brehme, Pierre Littbarski oder Guido Buchwald verliefen im Sande.

Weltmeister-Sein kann schon ein Fluch sein. Man kann das schon auch würdigen: Thomas Häßler hat sich mit der Entscheidung für das Dschungelcamp seine eigene Form der Emanzipation von der weltmeisterlichen Fußballerkarriere gesucht. Ein Job, der jetzt sogar von DFB-Teammanager Oliver Bierhoff in der „Fußball Bild“ beachtet wird, wenn auch scheel: „Ich weiß nicht, was ihn dazu bewegt hat mitzumachen.“ Obwohl Häßler sein ehemaliger Mitspieler ist, habe Bierhoff auch in dieser Staffel noch nicht eingeschaltet. Dennoch wünsche er ihm viel Erfolg: „Ich habe Icke mit seinen Vorlagen in den Länderspielen viel zu verdanken, er war ein unglaublicher Spieler, ich wünsche ihm nur das Beste.“

100 000 Euro Honorar sollen Häßler nicht zum Mitmachen bewegt haben. Aus Geldnot ins Camp, das war ein Motiv bei Fußballern wie Ailton oder Eike Immel. Das Dschungelcamp solle ihm Abenteuer und Herausforderung bieten, „mal was ganz anderes, weit weg vom Fußball“, sagte Häßler. Er sei jetzt 50. „Wenn ich morgen über die Straße gehe und überfahren werde, habe ich nur Fußball gehabt, na toll.“

Der Rest im Dschungelcamp war Schweigen, Melancholie, und, okay, ein Wutausbruch wegen der Zigaretten. Sollte Häßler wirklich gewinnen beim Dschungelcamp am Wochenende, wäre das auch ein Sieg der Passivität, das Ende vom Großkotz-Bohei im Reality-TV. Wer mehr sehen will, sollte Thomas Häßler einen Ball zuwerfen.

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