Digitalradio DAB+: Top oder Flop?
Am Digitalradio scheiden sich die Geister, aus Sicht der ARD ist der Weg dorthin allerdings unumkehrbar.
Von Fake News wollte Karola Wille, die Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), im Zusammenhang mit den Berichten über den angeblichen Sinkflug der Radionutzung in Norwegen nach der Abschaltung der UKW-Verbreitung zwar nicht sprechen, sie wählte dafür lieber den Begriff „unwahre Tatsachenbehauptung“. Nur noch jeder zweite Norweger höre Radio, seit die Rundfunkübertragung bis auf wenige Ausnahmen auf DAB+ umgestellt wurde, hatte es in den Meldungen geheißen, die von den Kritikern der Digitaltechnik dankbar aufgenommen wurden. Dumm nur, dass dabei Äpfel und Birnen verglichen wurden. Der vermeintliche Rückgang kam zustande, weil die starken Hörerzahlen im Winter vor dem UKW-Ende mit den durch die Urlaubssaison schwachen Sommerzahlen nach dem endgültigen Umstieg auf DAB+ verglichen wurden. „Tatsächlich sind 98 Prozent der 5,2 Millionen Norweger dem Radio treu geblieben, die Delle nach der Umstellung betrug somit nicht einmal zwei Prozent“, sagte Wille am Dienstagabend vor Journalisten in Berlin. Der MDR ist innerhalb der ARD für das Digitalradio zuständig.
Karola Wille ist sich sicher: Der Weg vom analogen UKW-Radio zum Digitalradio mit den Verbreitungswegen DAB+ und Internet ist unumkehrbar. Sicher ist allerdings auch, dass die Diskussion über den Weg in diese Zukunft die Gemüter erhitzt. Der Gedanke, dass die vorhandenen 138 Millionen UKW-Radios in absehbarer Zeit zu Elektroschrott verkommen, schreckt verständlicherweise ab. Der Wunsch, die analoge Technik durch DAB+ zu ersetzen, ist längst nicht so groß, wie es die Befürworter – zu denen insbesondere die ARD und das Deutschlandradio gehören – gerne hätten. Mit der Qualität der UKW-Übertragungen und der Sendervielfalt ist die Mehrheit der Radiohörer ganz offensichtlich zufrieden, in DAB+ wird in punkto Akustik kein Vorteil gesehen.
In der ARD herrscht beim Thema erst seit 2014 Einigkeit
Dass sich Deutschland bei der Transformation von analoger zu digitaler Radiotechnik so schwertut, dafür gibt es nach Willes Einschätzung mehrere Gründe. Als ersten nennt sie selbstkritisch, dass es innerhalb der ARD in dieser Frage bis 2014 keine Geschlossenheit gegeben habe. Wenig hilfreich sei zudem die vor allem vom Deutschlandradio angestoßene Debatte über ein UKW-Abschaltdatum gewesen. Hinzu komme die Besitzstandswahrung privater UKW-Stationen, die im beschränkten Frequenzband erfolgreich sind und wenig Interesse an neuer Konkurrenz durch DAB+ hätten.
Dabei überwögen für die Sender klar die Vorteile, zum Beispiel für den MDR. Werden die Radioprogramme statt mit UKW über DAB+ übertragen, kann der Sender auf einen Schlag 20 Prozent der Verbreitungskosten sparen. Und weil die Digitaltechnik mehr Kapazitäten bietet, könnten im Verbreitungsgebiet flächendeckend alle Wellen ausgestrahlt werden statt wie bislang drei bis vier Sender.
Noch führt DAB+ in Deutschland ein Nischendasein. Bislang wurden elf Millionen Radios verkauft, die auch diesen Standard bieten. Jährlich kommen rund eine Million DAB+Radios hinzu. Große Hoffnung setzen die Befürworter von DAB+ auf regulatorische Hilfen durch die EU und die Novelle des deutschen Telekommunikationsgesetzes. Wird dort festgeschrieben, dass Neufahrzeuge grundsätzlich mit Multinormgeräten (die sowohl UKW als auch mindestens eine Digitaltechnik wie DAB+ oder Internetradio beherrschen) ausgerüstet werden müssen, würde der Digitalradio-Anteil deutlich schneller steigen als bislang.
Norwegen wird nicht das letzte Land sein, das UKW abschaltet. In einigen anderen europäischen Ländern wie der Schweiz, Belgien, Dänemark und Großbritannien gibt es bereits feste Szenarien, wann die Abschaltung stattfindet beziehungsweise wann ein Abschaltdatum benannt werden soll. Die Diskussion über das Digitalradio mag nicht unbedingt beliebt sein, es wird jedoch immer schwerer, sie zu ignorieren. Kurt Sagatz