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„Schmeckt nicht, gibt’s nicht“. Tim Mälzer hat sein Motto über die Jahre hochgehalten, ob als Koch oder Produzent.
© dpa

Kochen und kochen lassen: Tim Mälzer, der Bodenständige

„essen & trinken“ bei RTLplus: Wo Tim Mälzer nicht selber kocht, sondern kochen lässt.

Exaltierte Menschen am Bildschirm taugen bekanntlich zur Polarisierung. Tim Mälzer zum Beispiel. Man mag vom schnodderigen Fernsehkoch aus Hamburg demnach halten, was man will: auf den Mund gefallen, ist er nicht. Im Grunde gleiche das Zuschauerinteresse am TV-Herd jenem für „Fußball oder Pornos“, sagt er. Die Leute hätten auch da schon „tausendmal gesehen, wie irgendwas irgendwo versenkt wird“. Aber wie bei Bällen oder Geschlechtsteilen sähe das Publikum halt gerne zu, wie junges Gemüse in der Pfanne landet oder teures Fleisch auf dem Grill.

Leider vor allem Letzteres.

Denn jenes Fernsehkochen, dem „Schmeckt nicht, gibt’s nicht“ vor 15 Jahren ins Rampenlicht geholfen hat, ist aus Sicht des Erfinders wieder so elitär geworden wie vor Mälzers kleiner Küchenrevolte. Trüffel hier, Sterne dort – „neben dem Halligalli, das andauernd ums Kochen gemacht wird“, betont er in seinem nicht abgehobenen Restaurant „Bullerei“ am Rande des Hamburger Schanzenviertels, „bedarf es einfach mal wieder unterhaltsamer, am Ende aber banaler Informationen um die richtige Zubereitung“.

Dafür ist der saloppe Lokalmatador buchstäblich zu den Wurzeln des kulinarischen Entertainments zurückgekehrt: Seit einigen Wochen produziert er täglich um 17 Uhr auf RTLplus „essen & trinken“, quasi die bildbewegte Fassung vom gleichnamigen Print-Magazin, das Mälzer seit 2003 bei Gruner + Jahr herausgibt. Wobei der Untertitel „Für jeden Tag“ zeigt, was dabei im Fokus steht: Bodenständigkeit mit Anspruch. Oder wie es der Hauptverantwortliche ausdrückt: „Wir wollen nicht nur Show, sondern wirklich kochen.“

Schreie des Entzückens

Während der Chef im Hintergrund des Geschehens steht, brennen seine vier vorwiegend Kamera-erfahrenen Maîtres daher das gewohnte Feuerwerk der Aufmerksamkeitsindustrie ab. „Sensationell“, ruft Stammkoch Ludwig Heer mehrfach durch den PR-Termin, was seine schrill gestylte Kollegin Meta Hiltebrand („Küchenschlacht“) euphorisch mit „superlustig“ nachwürzt, während der unscheinbare Foodblogger Ronny Loll alles hier „absolut irre“ findet, was die sehr blonde Konditormeisterin Andrea Schirmaier-Huber, bekannt durch „Das große Backen“ auf Sat1, nochmals mit „extrem toll“ überzuckert.

Der Enthusiasmus für ein vergleichsweise randständiges Format im Nebenprogramm wird da nur noch von dessen Auftraggeber gesteigert. Köche, Partner, Teams und Macher – sie alle findet Peter Lacher, Geschäftsführer des RTL-Ablegers daher „fantastisch“, vom „Hausherren“ ganz zu schweigen. Dabei agiert Tim Mälzer nicht im unmittelbaren Sichtfeld der Zuschauer. Seine Produktionsfirma tibool Media stellt das werktägliche Nachmittagsformats zwar her; im Fokus stehen die vier bewusst vielgestaltig gebuchten Köche. Und natürlich ihr Essen.

Dennoch will sich die Rampensau in einigen der 82 Folgen blicken lassen, wenn Ludwig und Meta oder Ronny und Andrea in Zweierteams kreative, aber simple Kost wie zuletzt Zitronen-Hähnchen mit Ofen-Karotten, gefolgt von Joghurt-Limetten-Mousse kredenzen.

Es gäbe zwar genug Leute, „die meine Fresse nach 15 Jahren nicht mehr sehen können“, sagt Tim Mälzer im Kiez-Sound seiner Heimat; trotz Fernsehküchenoverkill, privatem Burn-out und Mehrfachbelastung durch sein Erfolgsformat „Kitchen Impossible“, das gerade in vierter Staffel bei Vox läuft, betont er indes: „Ich habe noch immer Bock auf Fernsehen!“ Ob das Publikum noch Bock auf Mälzer hat, muss sich zeigen. Jan Freitag

„essen & trinken. Für jeden Tag“, RTLplus, 17 Uhr

Jan Freitag

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