Interview mit dem Bürgermeister von Osterode: „Til Schweiger ist der Richtige für den Medienhype“
Til Schweiger will in Osterode am Harz eine Vorzeigeeinrichtung für Flüchtlinge mitaufbauen. Im Interview spricht Bürgermeister Klaus Becker über skeptische Bürger, Spendengelder und den Medienhype.
Herr Becker, Sie sind parteiloser Bürgermeister der Stadt Osterode am Harz, wo sich Til Schweiger nun beim Aufbau eines Flüchtlingsheims engagieren will. Hat Sie die Idee überrascht?
Ja, erst schon. Aber mit Blick auf die vergangenen Wochen finde ich den Schritt nur logisch, denn Til Schweiger hat sich ja unter anderem auf seiner Facebook-Seite sehr deutlich gegen Fremdenhass geäußert, und deshalb finde ich es richtig klasse, dass er nun hier in Osterode Flüchtlinge unterstützen will. Aber eine Sache wird immer falsch kommuniziert…
…und zwar welche?
Til Schweiger will hier kein Flüchtlingsheim aufbauen, sondern dabei helfen, dass hier in der ehemaligen Rommel-Kaserne eine Flüchtlingserstaufnahmeeinrichtung entsteht. Da werden Flüchtlinge aus den Herkunftsländern aufgenommen, dann findet das Asylbewerberanerkennungsverfahren statt und von dort werden die Flüchtlinge weiter auf die Kommunen verteilt, wo sie dann integriert werden, so lange, wie sie eben in Deutschland bleiben.
Til Schweiger ist bisher vor allem als „Tatort“-Kommissar und Filmemacher bekannt. Warum ist er aus Ihrer Sicht nun der richtige Mann für dieses Projekt?
Til Schweiger ist der richtige Mann für den Medienhype, der dadurch entsteht. Er sorgt dafür, dass die Welt mal auf eine andere Art und Weise auf dieses wichtige Thema aufmerksam gemacht wird. Und wichtig ist natürlich auch das Geld von Til Schweiger.
Welchen Betrag will er spenden?
Das weiß ich nicht, aber es werden mehr als 3,75 Euro sein. Außerdem gilt: Jeder Cent ist willkommen. Wichtig ist, dass überhaupt was gemacht wird. Wenn es uns als Gesellschaft nicht gelingt, diesen Menschen, die aus Kriegsgebieten und aus wirtschaftlich ärmsten Ländern kommen, ein gutes Willkommen zu geben, dann machen wir etwas falsch. Uns geht’s allen so gut, und da muss man helfen. Wir können die Menschen doch nicht auf dem Mittelmeer ersaufen lassen, um es mal ganz hart zu sagen.
Was plant Til Schweiger konkret?
Er hat am vergangenen Donnerstag zusammen mit dem Unternehmen Princess of Finkenwerder, das die ehemalige Rommel-Kaserne erworben hat, einen Vertrag abgeschlossen. Ziel ist, eine Flüchtlingserstaufnahmeeinrichtung aufzubauen, die deutlich über dem normalen Standard liegt. Der ist zwar in Niedersachsen absolut ausreichend, aber hier sollen unter anderem Werkstätten eingerichtet werden, eine Näherei, eine Sportanlage und so weiter.
Die Bürgerinitiative „Für Osterode“, die evangelische Kirche und die Linkspartei haben Bedenken geäußert, weil Princess of Finkenwerder keine Erfahrung mit dem Betrieb von Einrichtungen für Flüchtlinge besitze. Können Sie die Skepsis nachvollziehen?
Nein, denn Princess of Finkenwerder wird das Ding nicht betreiben, sondern die suchen sich Partner, die sich mit dem Betrieb von solchen Einrichtungen auskennen. Das wird selbstverständlich vom Land kontrolliert. Und auch wir werden darauf achten, dass alles im Sinne der Flüchtlinge und auch der Osteroder Bevölkerung läuft. Deshalb kann ich die Bedenken nicht teilen und ich bin sicher, dass viele Menschen hier das Projekt unterstützen werden.
Was erwarten Sie von Til Schweiger, wie er sich, abgesehen von der Medienaufmerksamkeit und der Spende, weiter in Osterode engagiert?
Erst mal muss der Vertrag zwischen dem neuen Eigentümer der Kaserne und dem Land Niedersachsen schnell abgeschlossen werden, der Zeitdruck ist da, denn der Winter kommt bestimmt und bis dahin wollen wir fertig sein. Für mich ist Til Schweiger deshalb vor allem erst mal eine Galionsfigur, von der ich mir erhoffe, dass jetzt vielleicht auch andere Menschen sagen, dass sie sich engagieren wollen. Sei es nun mit Geld oder mit anderen Leistungen.
Sind Sie eigentlich Fan von „Tatort“ und „Keinohrhasen“?
Nein, das muss ich zugeben. Ich habe auch „Kleinohrhasen“ oder wie der Film heißt, nicht gesehen. Ist nicht mein Genre, aber da will ich jetzt auch nichts vorgaukeln. Im Vordergrund steht für mich der Mensch Til Schweiger, der sich gegen Fremdenhass äußert. Er spricht mir aus dem Herzen, deshalb denke ich, dass der Mann nicht schlecht sein kann. Ob er nun ein guter Schauspieler ist oder gute Filme macht, ist ja reine Geschmackssache. Aber das, was er gesagt hat und jetzt in Osterode plant, finde ich richtig klasse.
- Das Gespräch führte Sonja Álvarez.