Ösi-"Tatort": Szenen eines Teams
Moritz Eisner hat eine Neue, Bibi Fellner ist enttäuscht und eifersüchtig - der Wiener „Tatort“ zeigt die Ermittler in der Beziehungskrise
Wären sie ein Paar und verheiratet – man könnte diese „Tatort“-Folge mit den Wiener Ermittlern Bibi Fellner und Moritz Eisner mit „Szenen einer Ehe“ überschreiben. Denn es knistert und kracht zwischen beiden – so wie noch nie. Doch sie sind ja (eigentlich) nur Kollegen, haben privat ein rein platonisches Verhältnis. Aber als Bibi der neuen Flamme von Moritz begegnet, reagiert sie verletzt und eifersüchtig. Sie ist einsam, hat sich gerade auf dem Internetportal „Lonely Hearts“ angemeldet – und nun das. Polizeichef Raute nutzt den Zoff seiner Kommissare und trennt sie aus ermittlungstaktischen Gründen: Bibi muss verdeckt ran, Moritz auf dem normalen Dienstweg.
Der Auftakt ist für österreichische „Tatort“-Verhältnisse eher unspektakulär: Ein Einbrecher durchwühlt nachts die Schränke eines Hauses. Da fallen zwei Schüsse, die Bewohner wachen auf, der Einbrecher flieht über das Nachbargrundstück, rutscht im Regen aus und sieht durch die Glasscheibe die Leiche eines Mannes. Er alarmiert anonym die Polizei. Als kurz darauf auch die tote Ehefrau mit gebrochenem Genick gefunden wird, ist alles klar: Ein Ehedrama samt Selbstmord des Täters. Der war Leiter der Wiener Polizeischule.
Kommissare glauben an keine Beziehungstat
Doch Bibi und Moritz haben Zweifel, sie glauben nicht an eine Beziehungstat und ermitteln in der Polizeischule. Dort führt Ausbilder Nowak ein eisernes Regiment. Als Majorin Bibi als kommissarische Leiterin eingeschleust wird, beginnt Nowak, sie gnadenlos zu mobben und vor den Schülern lächerlich zu machen. Moritz verfolgt derweilen eine Spur ins Rotlichtmilieu. Ein Gangsterpaar hat versucht, den Getöteten zu erpressen. Das eher einfältige Duo, in der Szene nur „die depperte Bonny und der süße Clyde“ genannt, hat etwas in der Hand, was die Ermittler, als sie es entdecken, zutiefst schockiert.
Es ist der 40. Einsatz für Harald Krassnitzer als Major Moritz Eisner. Seit 1998 ermittelt er, „Nie wieder Oper“ hieß sein erster Fall. 2011 wurde ihm Bibi Fellner alias Adele Neuhauser dauerhaft an die Seite gestellt. Seither bilden die beiden das wohl spannendste und (neben den Kollegen aus Münster) auch witzigste „Tatort“-Team. Bei allem Schmäh, die Wiener behandeln meist harte Themen. So auch in „Wehrlos“. Es geht um Mobbing und Machtmissbrauch im Polizeiapparat, um Drill und Gehorsam, Abhängigkeit und Unterwerfung, Macho-Gehabe und nackte Angst. Autor Uli Breé und Regisseur Christopher Schier, der hier sein „Tatort“-Debüt gibt, verbinden eine klug entwickelte Kriminalgeschichte mit dem mal bösen, mal liebevollen Humor der Ermittler. Die Dialoge sind messerscharf, die Pointen sitzen und nirgendwo anders findet man solch herrlich krasse Typen – ob „die depperte Bonny und den süßen Clyde“, den chauvinistischen Ausbilder Nowak (Simon Hatzl spielt ihn als furchteinflößenden Kotzbrocken) oder den schon zum festen Personal zählenden „Inkasso-Heinzi“ (einfach wunderbar: Simon Schwarz).
Der Witz nimmt an, die Beklemmung nimmt zu
Je länger der Krimi dauert, desto mehr rückt aber der Witz – für den sorgen nicht nur Bibi und Moritz mit ihrem Geschlechterkampf, sondern auch ihr von Thomas Stipsits traurig-komisch gespielter Assistent Fredo – in den Hintergrund und die Beklemmung nimmt immer mehr zu. Was hier an menschenverachtendem Denken und Handeln ans Licht kommt, geht den Ermittlern an die Nieren. Das gilt auch für die Lösung des Falls. Alles mündet – und das ist konsequent und schlüssig erzählt – in einer Tragödie.
„Tatort: Wehrlos“, ARD, Sonntag, um 20 Uhr 15
Volker Bergmeister
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