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Die Veröffentlichung der vermeintlichen Hitler-Tagebücher stürzte den "Stern" 1983 in die tiefste Krise seiner Magazin-Geschichte.
© Chris Pohlert/dp

"Faking Hitler": "Stern" arbeitet Fälschungsskandal mit Podcast auf

Der "Stern" widmet sich seiner eigenen Geschichte mit einem Podcast über die gefälschten Hitler-Tagebücher – und greift dabei erneut zu einigen Superlativen.

Der 25. April 1983 ist einer der dunkelsten Tage der deutschen Pressegeschichte, aus Sicht des „Stern“ ist dies sogar noch eine Untertreibung. Die Veröffentlichung der vermeintlichen Hitler-Tagebücher stürzte das Magazin in die schwerste Krise seiner Geschichte. Gut 36 Jahre später startet der „Stern“ an diesem Donnerstag eine zehnteilige Podcast-Reihe unter dem Titel „Faking Hitler – die wahre Geschichte der gefälschten Hitler-Tagebücher“. Chefredakteurin Anna-Beeke Gretemeier möchte damit ein Stück deutscher Mediengeschichte aufarbeiten. „Es ist unsere eigene Geschichte, mit der wir uns selbstkritisch auseinandersetzen.“

Die gebotene Distanz zum „größten Flop der Pressegeschichte“, wie ihn „Stern“-Gründer Henri Nannen selbst nannte, ist zwar durchaus vorhanden. Die reichlich eingestreuten Superlative über „exklusive Gespräche“, in die reingehört werden kann, und „einmalige Dokumente der Zeitgeschichte“ nehmen sich dennoch merkwürdig aus, wenn sie der „Stern“ selbst in diesem Zusammenhang verwendet.

Dass das Magazin mit dem Podcast nur wenige Wochen nach der Aufdeckung des Skandals um die gefälschten Reportagen des ehemaligen "Spiegel"-Mitarbeiter Claas Relotius auf den Markt kommt, scheint hingegen keine Absicht zu sein. „Als wir vor rund einem Jahr auf das Material stießen, haben wir erkannt, welche neuen Möglichkeiten sich damit journalistisch für uns bieten“, schreibt Gretemeier in einer Mitteilung. „Damals konnten wir nicht wissen, dass zu unserem Start ein neuer Betrugsfall in den Medien aufgedeckt würde. Umso wichtiger erscheinen uns heute die erneute Aufarbeitung und die Erinnerung an diesen Fall.“

Aus dem Archiv von Gerd Heidemann

Basis für den Podcast sind Telefonmitschnitte von Gesprächen zwischen dem Tagebuch-Fälscher Konrad Kujau und dem ehemaligen „Stern“-Reporter Gerd Heidemann, aus dessen Archiv die Aufnahmen stammen. „Ich will am Telefon gar nicht so lange darüber reden, Sie wissen es ja“, sagte Heidemann zu Konrad Fischer, wie sich Kujau anfangs noch nannte am 15. Januar 1981, als Heidemann erstmals mit ihm Kontakt aufnehmen konnte, nachdem er einen Kunsthändler über Wochen um die Telefonnummer bearbeitet hatte. In dem Gespräch drängte Heidemann auf ein Treffen in der kommenden Woche und fragte: „Was ich noch wissen wollte, ist es der Zeitraum von 33 bis 45 oder sogar auch davor?“ Fischer/Kujau antwortete zwar ausweichend, aber nicht abschlägig.

Die „Stern“-Redaktion wertete viele Stunden Tonbandmaterial mit Telefongesprächen zwischen den beiden Männern aus den 80er Jahren aus. Einige Gespräche sind im Original nur schwer verständlich und müssen für den Podcast nachbearbeitet werden. Zusätzlich wurden Zeitzeugen, Historiker, Antiquitätenhändler und Sammler interviewt.

Die Tagebücher hatten sich wenige Tage nach der vom „Stern“ groß angelegten Veröffentlichung als relativ leicht durchschaubare Fälschung herausgestellt. Helmut Dietl setzte den Presseskandal 1992 in der Filmkomödie „Schtonk“ mit Uwe Ochsenknecht als Fälscher und Götz George als Sensationsreporter fulminant in Szene.

Eine Frage der Distanz

Im Podcast führt Malte Herwig durch alle Folgen. Der Journalist und Buchautor hatte zusammen mit Isa von Heyl vom „Stern“ rund ein Jahr lang recherchiert und die Tonbandaufnahmen in Heidemanns Privatarchiv entdeckt. Mitunter schweift der Podcast allerdings etwas ab. Gerd Heidemann wird als Vollblut-Reporter geschildert, der sich regelmäßig „in seine Geschichten verbeißt“, aber dabei leider mitunter die Distanz verliert. In einem Gespräch mit Herwig bekommt er zudem reichlich Gelegenheit, seine Sicht der Dinge zu schildern. Gleichwohl ist der „Faking Hitler“-Podcast eine unterhaltsame Geschichtsstunde, vor allem wenn man im Hinterkopf behält, wer sie erteilt. Kurt Sagatz

"Faking Hitler" ist ab Donnerstag mit wöchentlich neuen Folgen auf www.stern.de/faking-hitler (am Mittwoch war die Seite noch nicht freigeschaltet) und dem YouTube-Kanal des "Stern" zu hören und steht auf den Podcastplattformen iTunes, Spotify und Deezer zum Abruf bereit.

Kurt Sagatz

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