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Maybrit Illner und ihre Gäste
© Maybrit Illner/ZDF

Corona-Debatte bei Maybrit Illner: Söder und Giffey zeigen, wie sehr sie im Dunkeln tappen

Im ZDF geben die Regierungschefs aus Bayern und Berlin ein schlechtes Bild ab, was ihr Corona-Management betrifft. Dabei wollten sie Hoffnung verbreiten.

Eines wissen wir nach zwei Jahren Corona-Pandemie: Nämlich, dass wir eigentlich recht wenig wissen. Zumindest dann, wenn es um ein Virus geht, das sich ständig verändert. Da gibt es dann nicht mehr nur „Team Vorsicht“ und „Team Augenmaß“, sondern schnell auch das „Team Besserwisser“, wie Berlins regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey bei Maybrit Illner sagt.

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„Mit Omikron leben – Konzept oder Kapitulation?“, lautet die titelgebende Frage der Sendung an diesem Donnerstagabend. Beantworten sollen sie neben Giffey Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (seit neustem sowohl „Team Vorsicht“ als auch „Team Augenmaß“), Clemens Wendtner, Chefarzt der München Klinik Schwabing, Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe der Universität Hamburg und Spiegel-Journalistin Anna Clauß.

Politiker sind vorsichtig geworden. Zumindest in den Talk-Shows des Landes will man sich absichern. Es wird auf schlechte Datenlagen verwiesen, von Blindflügen ist die Rede. Oder davon, dass keiner „die Weisheit gepachtet hat“ (Söder). All solche Aussagen, die besorgte Bürger ungern von ihren Repräsentanten hören, wenn täglich neue Höchstwerte bei den Infektionszahlen gemeldet werden.

„Wir wissen noch zu wenig über Omikron“ und die klinischen Verläufe der Variante, stellt auch Wendtner gleich zu Beginn der Sendung klar. Auch er spricht von dem berühmten Blindflug. Und macht wenig Hoffnung, wenn er darauf verweist, dass noch einige weitere Buchstaben des griechischen Alphabets auf uns warten. Mit dem kleinen „o“ sind wir wohl noch nicht am Ende.

Dabei ist Hoffnung eigentlich genau das, was zumindest ein Markus Söder in dieser Sendung verbreiten möchte. Ein Einspieler zu Beginn der Show zeigt den Politiker aber so, wie man ihn kennt: wechselhaft, wie das Wetter in den bayrischen Alpen.

Mal fordert er Vorsicht und strenge wie schnelle Maßnahmen, mal wechselt er das Lager und spricht sich für Lockerungen aus. „Der selbsternannte Mannschaftskapitän des Teams Vorsicht“, nennt Illner ihn und verweist darauf, dass der bayrische Ministerpräsident kürzlich neben besagter Vorsicht nun auch Augenmaß gefordert hat.

Söder, das politische Chamäleon

Als politisches Chamäleon sei der CSU-Politiker ja bekannt, sagt Journalistin Clauß. Das Wort Augenmaß aber so prominent aus seinem Mund zu hören, habe sie verwundert. Denn damit hätte Armin Laschet seine Lockerungswünsche während der Pandemie immer wieder begründet – und sei dafür ausgelacht worden, sagt sie.

„Sie sind schon ganz schön hin und her gesprungen in der letzten Zeit“, sagt Illner und schiebt ein fragendes „oder“ hinterher.

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„Schön, dass sie sich so viel Mühe geben, vermeintliche Widersprüche aufzuzeigen“, antwortet Söder. Diese würden sich in der Realität aber durch ein „sehr umsichtiges und kluges Management“ auszeichnen.

„Wir haben immer reagiert nach Empfehlung der Experten“, sagt der Ministerpräsident. In der Omikron-Variante möchte er nun vorsichtig eine Chance sehen und spricht sich für ein „atmendes System“ aus; wie das aussehen soll, bleibt offen.

Giffey wird hier konkreter. Macht aber zuerst darauf aufmerksam, dass es in dem ganzen Spiel noch ein Team gebe, das sei ja klar. „Das Team Besserwisser. Diejenigen, die es nachher immer besser wissen und sagen, das hättet ihr aber mal anders machen sollen.“

Was Konzepte angeht, seien jetzt drei Dinge nötig, sagt sie. Erstens: die bereits geänderten Quarantäneregeln, als Schutz für die kritische Infrastruktur. Zweitens: eine Änderung der Kontaktnachverfolgung, die auf bestimmte Bereiche fokussiert wird. Und drittens: eine veränderte Teststrategie, bei der vulnerable Gruppen für PCR-Tests priorisiert werden und Antigen-Tests als Nachweis einer Infektion in bestimmten Bereichen geltend gemacht werden.

Illner erinnert an die Widersprüche der Corona-Politik. Als Nachweis für eine Infektion etwa sei ein PCR-Test nötig, zum Freitesten aber reiche ein Antigentest. Erst hätte man Masken schlecht geredet, dann habe es nicht genügend gegeben. Erst wurden Schnelltests schlecht geredet, jetzt sollen sie PCR-Tests teilweise ersetzen. „Regiert der Mangel?“, fragt die Moderatorin.

Schon vorher hatte Schmidt-Chanasit die Frage gestellt, wieso die PCR-Kapazitäten in Deutschland ausgeschöpft seien. Man hätte Kapazitäten schaffen können, das sei vor zwei Jahren auch schon gefordert worden. Wendtner stimmt ihm zu: „Es muss eigentlich geschafft werden, in einem hochindustrialisierten Land wie Deutschland nicht an der Ressource PCR-Test zu scheitern.“

Doch nur darüber zu reden, bringe auch nichts, sagt Schmidt-Chanasit. Man müsse jetzt pragmatisch vorgehen, die Ressourcen dort einsetzen, wo sie gebraucht werden. Klingt fast nach einem weiteren Team, „Team Pragmatismus“. Welches Team auch immer, das Spiel wird weitergehen – und wir alle spielen mit.

David Rech

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