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Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer: So wird in afrikanischen Medien berichtet

Für Zeitungen und Fernsehsender in Afrika sind die toten Flüchtlinge nicht das bestimmende Thema. Und auch die Webseiten interessieren sich mehr für die Pogrome am Kap.

Spätestens als im Fernsehen die Bilder von den toten Flüchtlingen im Mittelmeer zu sehen waren, stellte sich unwillkürlich die Frage: Wie reagieren, wie fühlen die Menschen in Afrika, wenn sie diese schrecklichen Bilder sehen? In den großen afrikanischen Zeitungen wird die Flüchtlingskatastrophe im südlichen Mittelmeer trotz des Todes vieler Menschen vom eigenen Kontinent allerdings weitgehend ignoriert. Im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen lokale Fragen. Einziges außenpolitisches Thema sind die Übergriffe schwarzer Südafrikaner auf Zuzügler aus anderen Teilen des Kontinents. Dies gilt vor allem für die Zeitungen in Äthiopien, Nigeria oder Mosambik, deren Landsleute von den Pogromen am Kap direkt betroffen sind.

Symptomatisch für diese Berichterstattung – oder besser in großen Teilen: Nicht-Berichterstattung – ist Südafrika. Zwar berichten fast alle Blätter im größten Medienmarkt des Kontinents über das Schiffsunglück, doch werden ausschließlich westliche Agenturberichte verwendet. Dies liegt daran, dass fast keine einzige Zeitung am Kap über eigene Auslandskorrespondenten verfügt. Bei den Fernsehsendern ist das Bild ähnlich. Hier kommen Berichte der BBC und des arabischen Nachrichtendienstes Al Dschasira zum Einsatz. Eigene Meinungsbeiträge zu den Vorkommnissen sucht man vergeblich. Das Gleiche in Ostafrika. Weder die kenianische „Daily Nation“ noch der „Standard“ beschäftigen sich mit der Tragödie im Mittelmeer.

Die toten Afrikaner im Mittelmeer schaffen es nicht einmal auf die Website der Online-Ausgaben beider Blätter. Auch Nigerias „This Day“ übergeht das Thema und schreibt stattdessen über Studentenproteste in Lagos gegen südafrikanische Unternehmen. Selbst wenn die Medien in Afrika über die Flüchtlingsströme nach Norden berichten, werden selten Hauptschuldige dafür offen benannt: die afrikanischen Regierungen. Stattdessen ist, wie auch in den europäischen Medien, oft vom Versagen und der Schuld Europas die Rede. Mit moralischem Unterton beschweren sich afrikanische Journalisten über die vermeintliche Hartherzigkeit, die hohen Zäune und „die Festung Europa“. Dabei wäre es nach Ansicht des südafrikanischen Kommentators Barney Mthombothi weit angemessener zu fragen, warum die Afrikanische Union (AU), das Pendant zur Europäischen Union, angesichts der dramatischen Entwicklungen im Mittelmeer nicht zumindest jetzt einmal zu einem Sondergipfel lädt, um die Notlage vieler Afrikaner zu debattieren.

Viele Afrikaner kennen die Risiken der Reise

Naiv sind die meisten Flüchtlinge und ihre Angehörigen dennoch nicht. Obwohl die Medien nur wenig über die Notlage der Emigranten und die oft schwierigen Lebensverhältnisse in Europa informieren, wissen viele Afrikaner Umfragen zufolge durch Erzählungen recht gut über die mit der Reise nach Europa verbundenen Risiken Bescheid. Doch der Leidensdruck daheim, so hat es den Anschein, ist trotzdem oft noch viel höher.

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