zum Hauptinhalt
Die Ausschreitungen begannen in der Küstenmetropole Durban.
© AFP

Tödliche Pogrome in Südafrika: Schwarze zünden fünf afrikanische Einwanderer an

Die Ausländerfeindlichkeit am Kap eskaliert. Schwarze machen Jagd auf Einwanderer aus anderen afrikanischen Staaten. Mindestens fünf Menschen sterben.

Mit der Küstenmetropole Durban verbinden Südafrikaner für gewöhnlich Palmen, Strände, und ein ständig warmes Meer. Zumal die Tage selbst im Winter, wenn es beim touristischen Rivalen Kapstadt stürmt und regnet, hier zumeist sonnig und milde sind. Umso größer war der Schock im Land über das, was sich in der Innenstadt der Ferienmetropole aber auch anderen Teilen der Küstenprovinz KwaZulu-Natal (KZN) in den vergangenen Tagen ereignete: Tagelang jagten schwarze Südafrikaner die aus anderen Teilen des Kontinents hergezogenen schwarzen Einwanderer.

Ein Äthiopier verbrannte bei lebendigem Leibe

Das Muster war dabei oft das gleiche: Sobald der Mob in dem Besitzer eines der vielen kleinen Läden im Herzen von Durban einen Zuzügler aus Afrika ausmachte, wurden die Shops geplündert und oft gleich zusammen mit ihrem Besitzer in Brand gesteckt. Mindestens fünf schwarze Zuwanderer wurden dabei bislang ermordet, darunter ein Äthiopier, der in seinem kleinen Ladencontainer bei lebendigem Leibe verbrannte.

Auch der Fremdenverkehr leidet. "Viele Touristen erkundigen sich entsetzt, ob die Gewalt nahe ihrer Unterkünfte tobt",  berichtete  der Manager eines bekannten Strandhotels. Viele hätten nun im letzten Moment abgesagt. Schon in drei Wochen soll in Durban Südafrikas prestigeträchtige Tourismusmesse Indaba stattfinden, zu der Hunderte von Reiseagenten aus aller Welt erwartet werden.

Somalia will seine Bürger schnell nach Hause holen

Inzwischen haben rund Tausend schwarze Immigranten, vorwiegend aus Malawi, Somalia und dem Kongo, voller Angst in Polizeistationen Zuflucht gesucht. Zurück in ihre geplünderten Behausungen wollen und können sie nicht. "Lieber zurück in die Hölle der Heimat, als das hier", sagt ein Immigrant entgeistert. Somalia will die eigenes Landsleute so schnell wie möglich nach Hause bringen. Yusuf Olusu, Handelsattache der somalischen Botschaft in Johannesburg, bezeichnete sein vom Bürgerkrieg ruiniertes Land sogar als "sicherer als Südafrika".

Auslöser der Unruhen war eine Äußerung des Zulukönigs

Auslöser der Pogrome war offenbar eine Äußerung von Zulukönig Goodwill Zwelithini. Der von seinen Anhängern verehrte Monarch hatte vor drei Wochen bei einer Rede die südafrikanische Regierung ausdrücklich zum Rauswurf der Ausländer gedrängt. Obwohl Zwelithini dies nun heftig bestreitet, sagte er damals wörtlich: "Wir wollen, dass Ausländer ihre Sachen packen und nach Hause gehen."

Als wenig hilfreich erwies sich, dass ausgerechnet Edward Zuma, der Sohn des südafrikanischen Präsidenten, dem Zulukönig beipflichtet als er vor kurzem in einem Interview davor warnte, dass Südafrika auf einer Zeitbombe säße und Ausländer das Land übernehmen wollten.

Neu sind ausländerfeindliche Pogrome in Südafrika nicht : Bereits vor sieben Jahren kamen bei ähnlichen Unruhen um Johannesburg mehr als 60 Menschen ums Leben, damals vor allem Zuwanderer aus den direkten Nachbarstaaten Mosambik und Simbabwe. In Kapstadt trifft es vor allem die geschäftstüchtigen Somalis, deren Physiognomie sie besonders schnell als Ausländer verrät: Seit 2006 sind allein dort mehr als 100 Somalis von Südafrikanern ermordet worden.

Der Traum von Nelson Mandela ist wohl ausgeträumt

Immer deutlicher wird nun, dass der Traum des vor 18 Monaten verstorbenen Gründervaters Nelson Mandelas von einem farbenblinden Südafrika vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit und einer der höchsten Kriminalitätsraten der Welt wohl vorüber ist.

Dass der Rassismus am Kap heute ganz überwiegend von den einst Unterdrückten ausgeht, kann viele Beobachter nicht überraschen: Für Moeletsi Mbeki, stellvertretender Vorsitzender des südafrikanischen Instituts für internationale Angelegenheiten und Bruder von Ex-Präsident Thabo Mbeki, liegen die Ursachen für die Gewalt in den vielen Versäumnissen der Regierungspolitik in den vergangenen 15Jahren. So hätte der seit 1994 regierende ANC viel mehr tun müssen, um die Armut wirkungsvoll einzudämmen.

Die Einwanderer sind die Sündenböcke

Statt dessen hätte sich ein kleiner schwarzer Klüngel massiv bereichert. Auf der Suche nach einem Sündenbock für ihre verzweifelte Lage stoßen viele schwarze Südafrikaner als erstes auf die oft weit erfolgreicheren Zuzügler aus dem übrigen Afrika, die mit ihrer besseren Ausbildung, aber auch der Bereitschaft, für wenig Geld hart zu arbeiten, den Einheimischen oft das Wasser abgraben. "Viele Südafrikaner sind einfach neidisch, weil die Einwanderer fleißiger und erfolgreicher sind", diagnostiziert der bekannte schwarze Erziehungswissenschaftler Jonathan Jansen. "Die Immigranten stilisieren sich auch nicht zu permanenten Opfern und machen andere für ihre Nöte verantwortlich", sagt er. "Sie wissen, dass nur Bildung und harte Arbeit den Weg aus der Armut bahnen."

Am Kap wächst die Sorge, dass das Land weiter abgleitet

Derweil wachsen vielerorts am Kap die Sorgen vor einem weiteren Abgleiten des Landes. "Auch wenn die Unruhen keinen direkten Einfluss auf das Anlegervertrauen haben, so deuten sie doch auf eine beträchtliche soziale Instabilität hin", sagt der langjährige Beobachter Nic Borain von der Bank BNP Paribas. Mehr noch sorgen Borain die immer größeren Nöte des Strommonopolisten Eskom aber auch die vielen Streiks, die das Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern am Kap gründlich zerrüttet haben.

Präsident Jacob Zuma und der ANC haben die Probleme ignoriert

Wie Borain kritiseren viele, dass Südafrikas Präsident Jacob Zuma und seine Regierung den Fremdenhass wie so viele andere Fragen seit Jahren ignorieren und nichts getan haben, um etwa mit einer härteren Linie gegenüber dem Unrechtsregime im benachbarten Simbabwe den ständigen Zufluss an Flüchtlingen von dort zu stoppen. Statt dessen wurde Diktator Robert Mugabe vergangene Woche zu einem Staatsbesuch empfangen. Ein konkretes Programm der Regierung zu einer auch nur halbwegs geregelten Immigration sucht man ebenso vergeblich, wie eines zum eklatanten Strommangel, der Südafrikas Wirtschaft in den nächsten Jahren heftig zusetzen und dafür sorgen dürfte, dass der tiefe Frust in den Townships noch steigt.

Wolfgang Drechsler

Zur Startseite